In Ruhe nachdenken

In Ruhe nachdenken

ITB Hospitality Day: Diskussion über Innovation plädiert für Umdenken

Moderator Geoff Marée und das Panel der Kreativen.Fotos: map

Berlin. In welchem Bereich auch immer, das Thema Innovation wird stets mit der Frage assoziiert, welchen Einfluss die Technologie nimmt, genauer noch die Informationstechnologie, deren Revolution wir täglich erleben. An zweiter Stelle, und das gilt insbesondere für die hochgradig optische Welt der Hotellerie, geht es beim Thema Innovation um die Frage nach neuem Design, neuen Materialien oder Bauweisen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus bemerkenswert und überraschend, dass die Diskussionsrunde mit dem Thema "Innovation: Rezepte gegen langweilige Hotels" am 5. ITB Hospitality Day auf der ITB Berlin die oben genannten Aspekte praktisch vollständig ausliess und stattdessen auf die "Software" einging - auf die Menschen, die das Geschäft mit frischen Ideen beleben.

"Es liegt in der Natur unserer Mitarbeiter, dass sie kreative Konzepte voranbringen", so Christoph Hoffmann, Geschäftsführer der 25hours Hotel Company, deren drei Hotels zwar zu ein und derselben Marke gehören, aber ansonsten von Markenstandards so weit weg sind, wie man nur sein kann. Jedes der drei Hotels weist ein vollkommen eigenständiges Erscheinungsbild auf - das Goldman 25hours hat beispielsweise 150 verschiedene Lampen in seinen überschaubaren 49 Zimmern. Jedes Zimmer, das belegt diese Statistik eindrucksvoll, erzählt seine ganz eigene Geschichte.

Was die 25hours Hotels allerdings gemeinsam haben, sind junge, engagierte Geschäftsleitungen, die absolut kompetent und professionell arbeiten – mit Humor und absoluter Diskretion. Und mit Leidenschaft. "Nachdem ich lange in Arbeitsumgebungen gearbeitet habe, in denen ich strikte Vorgaben hatte, geniesse ich heute den Freiraum, den mir meine Position gewährt", führt Hoffman aus. Er ist leger gekleidet, trägt Red-Wing-Stiefel von Levi''s, deren Europa-Zentrale sich direkt neben dem dritten 25hours Hotel befindet. "Kreativität ist ein organischer Prozess. Ich gebe unseren Mitarbeitern den nötigen Freiraum, um kreativ zu sein."

Geoff Marée.

Am Abgrund? Dann fällt man eben runter!

Moderator Geoff Marée, Professor für Kreativität und Design an der NHTV Breda University of Applied Science in den Niederlanden, sprach den Fall der Entwicklungsfirma Alessi an, deren Unternehmensphilosophie von Innovation und Experimentierfreude geprägt ist und die alle zwei Jahre ein gescheitertes Produkt einkalkuliert. "Wer nah am Abgrund operiert, fällt eben hin und wieder runter", so Marée.

"Weg mit der Angst!", unterstrich Michael Levie, CEO von citizenM hotels, seine Zustimmung. Die Hotelgesellschaft mit ihren beiden Hotels in Amsterdam und acht Projekten in Planung hat in der Branche für einiges Aufsehen gesorgt. Das von Preisen geradezu überhäufte Konzept hat das mittlere Marktsegment im Blick und umfasst Zimmer von lediglich 14 qm Grösse, was in etwa der Grösse von Schiffscontainern entspricht, die über einem grossen, für verschiedene Zwecke geeigneten "Wohnzimmer" gestapelt sind, in dem es neben der sogenannten canteenM, die als Bar/Restaurant fungiert, auch grosse, intelligent unterteilte Lounge-Bereiche gibt, die den Gästen reichlich Platz zum Entspannen und Arbeiten bieten und sich auch als Treffpunkt eignen.

"Wir werden von der Angst getrieben", fuhr Levie fort. "Die an citizenM beteiligten Investoren, die Zulieferer und die Mitarbeiter teilen eine Leidenschaft für Kreativität. Wir nennen es ''das Licht anmachen''. Innovation bedeutet auch, sich dumm zu stellen, Fehler zu machen. Jeden Tag kreativ zu sein."

Michael Levie und Axel Donald Sauer.

Das neue Mantra: Leute, Leute, Leute

Axel Donald Sauer, Geschäftsführer der ProLeisure Business Development GmbH, lässt als Hotelier seine Erfahrung in die Entwicklung von Ferienhotels mit einfliessen, wobei er erklärte, das Mantra "Standort, Standort, Standort" zunehmend durch ein anderes Mantra ersetzt werde: "Leute, Leute, Leute". "Der Chef muss Innovation wirklich wollen und junge Mitarbeiter bringen frische Ideen," so Sauer. Sauer vertrat auch die Meinung, dass erfolgreiche Hotelunternehmen architektonische und bautechnische Initiativen mit betrieblichen Innovationen in Einklang brächten.

Marée hob hervor, dass Hotelmanager nur relativ kurz im Amt blieben und Innovation daher logischerweise nicht gerade ganz oben auf ihrer Prioritätenliste zu finden sei. Dennoch bestand Sauer darauf, dass Veränderung notwendig und gut sei, und "bei jedem Hotel alle sechs Monate" erfolgen müsse. Hoffmann zeigte sich dagegen etwas pluralistischer, da seine Hotelmanager mehr als Unternehmer agierten und daher ein Anreiz bestünde, Investoren zu Investitionen in Innovation zu bewegen.

Christoph Hoffmann.

Aus Weiss mach Grau? Das ist keine Innovation

Wenngleich er zugab, dass citizenM mit seinen beiden Hotels jetzt als Kette gilt und das Hauptziel des Unternehmens ein möglichst konstantes Produktniveau mit einer "eigenen DNA" ist, gestand Levie auch ein, dass Ketten "Innovation zentralisieren". Aber er betonte auch, dass Etikette nach Vorschrift, Codes und Begrüssungsformeln von Mitarbeitern Hotels kalt und distanziert erscheinen lassen, was nicht der Weg sei, den citizenM gehen wolle. Das Unternehmen beschäftigt zahlreiche branchenfremde Mitarbeiter und legt mehr Wert auf Persönlichkeit als auf Konformität. Hoffmann dagegen erklärte, dass "unsere DNA in unseren Mitarbeitern verankert ist", eine These, die auf den ersten Blick einleuchtet, vergleicht man die weitaus abwechslungsreicheren Hotels von 25hours Hotels mit den Häusern von citizenM.

"Die Hotelbranche ist ausgesprochen langsam, wenn es um Innovation geht. Es reicht schon aus, eine weisse Wand grau zu streichen, und schon gilt man als innovativ", fasste Levie zusammen. "Wir haben dagegen ganz bei Null angefangen. Wir haben uns alle Prozesse genau angesehen und dann aus dem Ergebnis unserer Analyse etwas Neues entwickelt. Sicherheit und Brandschutz sind natürlich Pflicht ... aber der Rest? Einfach über Bord werfen und von vorn anfangen", so sein Ratschlag.

Keine Frage, sowohl 25hours als auch citizenM haben dem Hotelmarkt neues Leben eingehaucht und ihre Erfolge verdienen höchste Anerkennung. Um auf Marées Analogie zurückzukommen: Sie wandeln am "Abgrund". Aber die beiden ebenso kleinen wie geschickt agierenden Unternehmen sind bislang noch nicht runtergefallen und beide haben von allzu aggressiver Expansion Abstand genommen, was allerdings angesichts der angespannten Wirtschaftslage auch kaum anders geht.

Titus van der Werf.

Ketten müssen umdenken

Die eigentliche Herausforderung ist es, in den grossen Hotelketten für ein Umdenken zu sorgen, denn deren Erblast an Altbeständen und die schiere Menge an Hotels schränken ihre Innovationsfähigkeit klar ein. Einfache Hardware-Neuerungen werden von den Entwicklungsteams grosser Ketten oftmals schon als bahnbrechende Innovationen angepriesen, sei es der banale Austausch von Röhrenfernsehern durch Flatscreen-Fernseher oder eine Automatisierung von Check-in/Check-out. Mehr lassen die starren Korsette grosser Hotelketten nicht zu.

Der aktuelle Trend zur Marktsegmentierung, der sich in der Vielzahl neuer, von allen grossen Hotelgruppen auf den Markt geworfener Marken äussert, ist zweifelsohne eine Innovation, bei der zwar einige Marken scheitern werden, aber es ist immerhin ein Versuch, etwas zu verändern. Jenen Betreibern jedoch, die noch immer über den Mangel an Talent in der Hotelbranche jammern und selbst nichts tun, um daran etwas zu ändern, stehen schwere Zeiten bevor. Die Einstellung, Weiterbildung und Bindung von Mitarbeitern sind für Arbeitgeber heutzutage bereits selbstverständlich. Aber ein Umfeld zu bieten, das Innovation möglich macht und fördert, darin besteht die eigentliche Herausforderung.

25hours kommt ohne eine Zentrale aus und Hoffmanns Büro sind "Bars und Zugabteile". Diesem Hintergrund entsprechend plädiert er für eine einfache Methode zur Förderung von Innovation - ohne grossen technologischen Schnickschnack: "Es geht darum, sich einfach Zeit zu nehmen und in Ruhe nachzudenken." / Guy Dittrich

 

19.3.2010 Fans vom Powerhouse Deutschland- CEO Panel des 5. ITB Hospitality Day: Weshalb Wolfgang Neumann und David Fattal am liebsten im schwierigen Westeuropa expandieren

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"claudebot","accept":"*/*","x-forwarded-for":"100.26.35.111","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"100.26.35.111","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1