Insolvenzwelle könnte sich verschieben aus anderen Gründen
HI+

Insolvenzwelle könnte sich verschieben – aus anderen Gründen

Berlin. Heute, in der Nacht zum 1. Mai, läuft in Deutschland die Sonderregelung der Bundesregierung zur Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht aus. Hotelverbände fürchten nun die grosse Welle, Fachanwälte sehen diese aktuell nicht, sondern erst im Jahr 2022.

Der Dehoga und die IHA sind davon überzeugt: Sollte sich nicht noch in letzter Minute eine andere Lösung ergeben, dann rollt auf das deutsche Gastgewerbe ab dem 1. Mai eine Pleitewelle zu. Beide Verbände fordern die weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. "Seit März 2020 war sie aufgrund der Corona-Pandemie dreimal aufgehoben worden, zuletzt Ende Januar. Dabei galt die Aufhebung der Insolvenz-Antragspflicht ohnehin nur für Unternehmen, die noch staatliche Wirtschaftshilfen aus den aufgelegten Hilfsprogrammen erwarten können, aber aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht erhalten haben. Und die ausstehende Auszahlung der Wirtschaftshilfe musste zudem auch so üppig sein, dass sie die Insolvenzreife verhindern würde", erklärt IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe in seinem Blog.

Er geht davon aus, dass der Kreis der Betroffenen in der Hotellerie erheblich sei, da grosse Unternehmen überhaupt erst Ende Februar Anträge auf November- oder Dezemberhilfe stellen konnten. Die Hilfszahlungen seien bei sehr vielen, vermutlich den meisten dieser Unternehmen bis heute noch nicht auf dem Konto eingetroffen. Ähnliche Dramen spielten sich bei der Überbrückungshilfe III ab, dem bislang letzten Notnagel.

Es ist immer noch erstaunlich ruhig im Markt, noch keine Welle in Sicht...Foto: austin schmid unsplash

Verbände hoffen auf Verlängerung

"Nun droht diesen Unternehmen der Sudden Death in der unbestimmten Nachspielzeit der dritten Pandemie-Welle", so Luthe weiter. Das Bundesjustizministerium habe am 27. April mitgeteilt, derzeit keine Initiative für eine Verlängerung der Sonderregelung anzustreben. Nun bestehe nur noch ein Hoffnungsschimmer: ein Beschluss über die Verlängerung der ausgesetzten Insolvenz-Antragspflicht in der ersten Sitzungswoche des Bundestags im Mai, in der die Antragspflicht rückwirkend wieder ausgesetzt werden könne.

Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges äusserte am 23. April gegenüber T-Online: "Die Ausnahmeregelung soll zumindest für die Unternehmen, die bisher keine staatliche Hilfe erhalten haben, bis zum 30. September verlängert werden." Die Branche erbringe ein Sonderopfer für die Gesellschaft, das angemessen entschädigt werden müsse. Ähnlich äusserten sich auch Vertreter des Handelsverbandes Deutschland und des Verbandes der deutschen Messewirtschaft am 28. April im Online-Magazin Business Insider. Eine Umfrage unter HDE-Mitgliedern habe ergeben, dass bei 68% die Hilfsgelder noch ausstünden.

Hogan Lovells: Mehr Mietverzichte nötig

Bei Anwälten und Insolvenzverwaltern ist derweil noch keine Welle in Sicht. "Ich ging davon aus, dass erst die Hilfsgelder kommen müssen, bevor die Antragspflicht wiedereinsetzt", erklärt Anwalt Marc Werner von Hogan Lovells etwas überrascht über das bevorstehende Auslaufen der aktuellen Regelung. "Die Auswirkungen sind schwer einzuschätzen, und es ist ungewöhnlich ruhig an der Front. Klar ist, dass deutlich mehr Mietverzichte ausgesprochen werden müssen als in der Vergangenheit."

Pohlmann Hofmann: Welle erst ab 2022

Auch der Fachanwalt für Insolvenzrecht Dr. Matthias Hofmann, Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter Rechtsanwälte Partnerschaft, glaubt derzeit nicht, dass die Insolvenz-Antragspflicht noch einmal ausgesetzt wird. "Die Aussetzung betraf bislang nur noch wenige Fälle", sagt er. "Dies dürfte allerdings auf Unternehmerseite vielfach nicht bekannt gewesen sein."

Eine Welle von Insolvenz-Anträgen erwarte er auch ab Mai 2021 noch nicht, eher erst ab 2022. "Viele Unternehmen haben sich – zwar mehr schlecht als recht – an die aktuelle Situation angepasst. Sie haben ihre Kosten durch Kurzarbeitergeld gesenkt und planen zudem ggf. mit Hilfsmitteln, welche noch ausgezahlt werden. Spätestens mit Wegfall der vereinfachten Möglichkeiten zur Erlangung des KUG dürfte sich dies jedoch erheblich ändern.

Am problematischsten wird die Situation ggf. für Unternehmen, die derzeit KUG beziehen, aber eigentlich ihren Personalstamm an die neuen Gegebenheiten anpassen müssten." Ab der Entscheidung zur Personal-Anpassung entfalle der KUG-Anspruch, so dass dann genau in der Restrukturierungsphase eine Finanzierung der Personalkosten nicht mehr gesichert wäre. / kn

Verwandte Artikel

Vorsicht Insolvenz-Falle!

Vorsicht Insolvenz-Falle!

25.3.2021

München/Berlin. Dr. Matthias Hofmann, Fachanwalt für Insolvenzrecht, zeigt sich sehr verwundert darüber, "dass es bislang nur sehr wenige Insolvenzen im Hospitality-Bereich gegeben hat." Er wie auch Martin Schaffer von MRP consult glauben, dass viele Unternehmer nicht verstehen, was passiert, wenn Deutschland in fünf Wochen die Insolvenz-Antragspflicht wieder einsetzt.

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.135.198.49","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.135.198.49","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1