Klein und fein ist nicht mehr Serviced Apartment Markt 2018 Mehr Marken Quereinsteiger und Dumping
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Klein und fein ist nicht mehr

Serviced Apartment-Markt 2018: Mehr Marken, Quereinsteiger und Dumping

Hyatt House Düsseldorf: Immer mehr internationale Ketten halten mit ihren Serviced Apartment-Marken Einzug in Deutschland. 

Berlin. Der Wind weht aus allen Richtungen: Erstmals verschieben sich im deutschen Serviced Apartment-Markt spürbar die Gewichte und es drängen immer mehr Marken, aber auch mehr Anbieter auf den Markt – vor allem aus der Wohnungsbranche. Die Immobilien-Spezialisten bringen ihre eigene Denkweise ein – und Dumpingpreise! Damit setzt in dem jungen Markt-Segment der Preis-Wettbewerb bereits in einem frühen Stadium ein. Der Nischen-Charakter verschwindet. "Wir verzeichnen aktuell den grössten Hype seit Bestehen des Segments", rückt Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice in Berlin, die Veränderungen in ihrem 7. "Marktreport Serviced Apartments" in Deutschland zurecht. Auch bei den Transaktionen in diesem Segment steht Deutschland im Mittelpunkt.

So hält der gerade erschienene Marktreport 2018 fest, dass bis 2020 weitere 13.900 Einheiten eröffnen sollen. "Das entspricht einem Markt-Wachstum von 42%", so Gregorius. Für 2030 prognostizieren die Experten eine Verdreifachung des aktuellen Bestands von rund 33.400 Einheiten in rund 600 Häusern auf 100.000 Einheiten. Zehn Prozent davon entfallen dann auf die Hotellerie. Rund 84% der von Apartmentservice befragten Betreiber sehen die Stimmung "positiv" bis "sehr positiv".

Treiber dieser Entwicklung sind nach wie vor die gesellschaftlichen Megatrends, die angespannten Wohnungsmärkte und steigende Projekt-Arbeit. Temporäres Wohnen verspricht etwas grösseren Wohnraum und flexiblen Service bei geringeren Preisen als in Hotelzimmern. Laut Report generierte das Segment in Deutschland 2017 rund 14,2 Millionen Übernachtungen und damit 2,7 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Nachfrage führte dazu, dass 51% der befragten Anbieter ihre Preise erhöhten. Die durchschnittliche Zimmerrate lag bei 101 Euro, der RevPAR bei 81 Euro. "Damit lagen diese beiden Kennziffern erstmals über denen der klassischen Hotellerie!" hebt Anett Gregorius hervor. Gleichzeitig sank im letzten Jahr die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 41 auf 27 Nächte: Das spiegelt den steigenden Anteil der Aparthotels im Markt, deren durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei drei bis sechs Nächten liegt. Longstay definieren Apartment-Häuser seriöserweise ab 28 Tagen Aufenthaltsdauer, Aparthotels ab 14 Tage.

Derag Livinghotel München, Viktualienmarkt: Der deutsche Marktführer könnte bald vom Thron verstossen werden.

Die klassische Hotellerie schaffte letztes Jahr laut Hotelverband IHA im branchenweiten Schnitt übrigens einen RevPAR von 68 Euro und eine durchschnittliche Zimmer-Auslastung von 71,5%. Genau wie die Hotellerie macht sich auch bei den Serviced Apartments der Trend zur kurzfristigen Buchung bemerkbar. Fast jede zweite Buchung wurde 2017 zwei Wochen vor Anreise getätigt. Nur noch 9% erfolgten mit über acht Wochen Vorlauf – 2013 waren das noch 17% gewesen! Das zunehmende Angebot im Markt wie auch die Digitalisierung lassen die Kunden hier offenbar darauf vertrauen, auch noch kurzfristig ein Apartment zu bekommen.

Adina auf der Überholspur

All das ist positiv und klingt vielversprechend. "Im Verständnis der Investoren aber ist das Segment längst noch nicht gleichgestellt mit der Hotellerie", stellt die Serviced Apartment-Expertin klar, die seit 20 Jahren in dieser Branche unterwegs ist. Auch wenn Serviced Apartments bereits als Asset-Klasse diskutiert werden und Investment-Experten sogar Deutschland zum favorisierten Markt in Europa erklären, sieht sie in der Wahrnehmung und Umsetzung noch eine grosse Kluft. "Aber all das Genannte ist ein Zeichen für Bewegung im Segment", sagt sie.

Unter den Top 5-Anbietern in Deutschland rückt die Nr. 2 nun sehr nahe an den langjährigen Marktführer Derag Livinghotels heran: Die nächsten Aparthotel-Eröffnungen könnte Adina, derzeit mit 1.356 Apartments präsent, sogar Derag mit seinen 1.577 Einheiten vom 1. Platz verdrängen. Nr. 3 der Liste folgt dann allerdings erst mit gebührendem Abstand: Aparthotels Adagio + Adagio Access zählen zusammen nur 698 Einheiten. Deshalb aber könnte die gemeinsame Marke von AccorHotels und Pierre & Vacances Center Parcs Group schnell eingeholt werden von Smartments business und von Citadines Apart'hotels.

Anett Gregorius: Die Immobilien-Branche schickt das Segment auf eine neue Reise.

Die sichtbarsten Veränderungen vollziehen sich derzeit unter den Betreibern. "Die Struktur verändert sich", so Anett Gregorius. Neben den klassischen Betreibern bringen immer mehr Hotelketten Longstay-Marken ins Land, z.B Hyatt mit Hyatt House in Düsseldorf oder Vienna House, die ihr erstes R.evo mit sportlichen 600 Zimmern in München-Neuperlach anstreben. R.evo bietet viele verschiedene Zimmer-Konzepte, koordiniert vor Ort Lieferdienste und den Inhalt für den persönlichen Kühlschrank, kooperiert mit lokalen Produzenten und Shops, bietet eBikes, eCar-Sharing und eTankstellen.

Auch die stark expandierenden Novum Hotels diskutieren gerade die Marke "niu App" als Ergänzung zum neuen Lifestyle-Produkt niu – mit Plänen für die nächsten niu Hotels in Fürth, Stuttgart, Berlin und Mainz Ende 2019/2020. Dafür würde Novum vielleicht die bisherige Marke LikeApart aufgeben. Angedacht ist es, die grösseren Zimmer im niu-Stil mit Kitchenette auszustatten und etagen- oder flügelweise von den Hotelzimmern zu trennen.

Gleichzeitig differenzieren etablierte Serviced Apartment-Anbieter ihre Produkte aus: So hat Adina Aparthotels jüngst Adina Serviced Apartments als Sub-Marke in Europa bekanntgegeben. Dieser Typus soll sich vorwiegend an Langzeit-Gäste richten und sich – im Gegensatz zu den Adina Apartment Hotels – auch an attraktiven Standorten ausserhalb der Stadtzentren befinden, dabei aber je nach Standort auf Restaurant- oder Meeting-Bereiche verzichten.

Quereinsteiger bringen Dumping-Preise

Parallel – und das ist ein Novum mit Folgen – mehren sich die Seiteneinsteiger. "Die Wohnungswirtschaft ist dabei, massiven Druck auszuüben; sie wird das Segment sicherlich auf eine neue Reise schicken", sagt Markt-Beobachterin Gregorius. Mit Dumping-Preisen für kompakte Apartments, die auf Studenten, Berufseinsteiger und urbane Reisende zielen, begeben sich die Wohnungsbauer auf ein Preisniveau, das unter dem der günstigsten Serviced Apartment-Betreiber liegt. Anett Gregorius beobachtet hier Preise von unter 800, ja sogar schon 600 Euro Miete im Monat. Bisher seien Mieten von etwa 1.500 Euro für Studio-Apartments üblich gewesen. Die Konsequenzen sind absehbar: Die Preise der etablierten Anbieter werden sinken. Denkbar ist deshalb, dass künftig nicht mehr Raum/Fläche und Service den Preis definieren, sondern die Anzahl der Aufenthaltstage.

Damit findet sich die Branche wieder in der Diskussion um die Definition von "Langzeit" – und inmitten einer ihrer grössten Schwächen. Nicht jeder, der mit Langzeit-Marken auftritt, akquiriert auch nur Longstay-Gäste. Im Gegenteil: Für einige Anbieter ist es nur der trendigere Name, um schneller einen Fuss in diesen neuen, sexy Markt zu bekommen, welcher u.U. andere Investoren anlockt als das klassische Hotelkonzept.

"Wir fordern die Markt-Player auf, sich an die Begriffsdefinitionen und die Konzepte zu halten", formuliert es Anett Gregorius neutral. Andernfalls wird jede Statistik zur Farce. Und jeder Schritt in das Segment für einen Investor zur herben Enttäuschung. "Ein Serviced Apartment ist kein verkapptes Hotel. Das ist die wichtigste Hausaufgabe für jeden Investor und Betreiber", macht sie klar. Jedes Feature kann ein Serviced Apartment in seiner Zielgruppe und in seiner Kostenstruktur verändern – dramatischer als ein Hotel. Ein F&B-Angebot im Haus lockt andere Gäste an als ein Haus ohne, baut auf der Personalseite aber auch mehr Kosten auf. Und wer nur 3,6 Nächte bleibt, braucht als "Extended Stay"-Gast in der Regel keine Vollküche – der "Longstay"-Gast mit über 28 Tagen Aufenthaltsdauer schon eher.

Adina auf Expansionskurs - und seit kurzem mit einer kompakten Submarke unterwegs.

Quereinsteiger unter den Investoren bzw. Nicht-Hotel-affine Betreiber starten im Serviced Apartment-Segment oft mit einem deutlich höheren Expansionstempo. "Sie gehen oft mit mehreren Projekten hintereinander an den Markt und haben damit keine Chance, wichtige Erfahrungen in der Operations zu sammeln", stellt die Markt-Beobachterin fest. Das kann im Falle einer Krise bitter enden. Ein Serviced Apartment ist kein Komplex aus Mietwohnungen.

Wohnungswirtschaft drängt massiv in den Markt

Derzeit aber scheinen am Markt alle alles auszuprobieren. Die Nachfrage einer bunten, experimentierfreudigen Klientel trifft auf eine noch etwas unsichere, aber ebenso experimentierfreudige Investoren- und Betreiber-Klientel. So ist es kein Wunder, dass in dieser Gemenge-Lage das nüchterne, weil schnell kalkulierbare Hybrid-Modell in den Fokus gerät: dezentral gelegene Apartment-Häuser von enormer Grösse, angesiedelt in Riesenkomplexen und/oder Mixed Use-Anlagen, in denen der Bewohner auf Zeit für einen günstigen Preis unterschreibt. Dafür akzeptiert er eine starre Mietdauer, hinterlegt eine Kaution und verzichtet auf einen menschlichen Ansprechpartner im Haus.

Quereinsteiger aus der Wohn-Wirtschaft können sich offenbar inzwischen für solche "wohnnahen" Produkte im weiten Hospitality-Feld begeistern. Expertin Anett Gregorius zweifelt nicht daran, dass derart Produkte bei grossen Firmen auf Gegenliebe stossen: Viel zu gross ist inzwischen deren Bedarf nach Mitarbeitern am Arbeitsort; teilweise übernehmen die Firmen heute schon für sechs Monaten die Mietkosten, weiss sie aus dem Markt. Die Frage ist nur, inwieweit verzweifelte Firmen hier einen Immobilien-Schub auslösen könnten.

Mikroapartments, also Einheiten mit weniger als 25 qm, wie sie vor allem die Wohnwirtschaft ins Segment bringt, stellen laut Report inzwischen den grössten Anteil des Angebots an Serviced Apartments dar. "Die Wohnwirtschaft drängt in gigantischer Grösse und Anzahl auf den Markt", so Gregorius, "deren Immobilien zählen meist zwischen 150 bis 200 Einheiten, während im bisherigen Serviced Apartment-Segment das durchschnittliche Objekt 55 Einheiten zählt". Sie schätzt, dass die neuen Player die Statistik erstmals im Jahr 2020 drastisch verändern werden. Die kompakten Wohn-Einheiten der Immobilien-Unternehmen sind jetzt schon am begehrtesten, wie der neue Marktreport herausgefunden hat.

Unabhängig von der Quadratmeterzahl wiederum bevorzugen Gäste 1 Zimmer-Apartments mit weniger als 25 qm. Im Vergleich wurden beispielsweise 1-Zimmer-Apartments mit mehr als 30 qm nur in rund 44% der Fälle auf Rang 1 gesetzt. Unter den 2 Zimmer-Apartments sind vor allem Einheiten mit mehr als 40 qm gefragt.

Smartments - ein junges kompaktes Produkt, das seinen Platz im Markt findet.

Auf Seiten der Insider stellt sich bei Hybrid-Produkten immer noch die Frage nach dem jeweiligen Nutzungsrecht. Der Eigentümer/Betreiber muss sich diese Frage zuerst beantworten: "Willst Du wohnen oder beherbergen?". Die Behörden jedenfalls sehen keinen Unterschied zwischen einem Hotel-Gast und einem Wohn-Gast. Deshalb setzen sich jetzt auch Anett Gregorius und ihr Team mit der deutschen Bau-Nutzungsverordnung auseinander und versuchen den Behörden die neuen Definitionen unter dem Serviced Apartment-Dach näher zu bringen.

Je erwachsener das Segment wird, umso mehr Partner und Typen gesellen sich dazu. Ein Typus, der sowohl klassische Hotels wie auch Serviced Apartments befruchten kann, ist Co-Working. Diese neu entwickelten Arbeitsplätze und Mini-Meeting-Räume mit Service passen in viele Quartier-Entwicklungen hinein, ergänzen Wohnen, Schlafen und Büro. So leicht wie es klingt, sind diese Misch-Konzepte letztlich aber nicht umzusetzen. Das Puzzle funktioniert nur, wenn die Nachfrage aus dem Quartier auch jedes einzelne Teil nährt.

Organisches Wachsen geht nicht mehr

Die Asset-Klasse Serviced Apartments verspricht mehr denn je eine hohe Rendite. Ob 300 oder 600 Einheiten – es wird in der Folge in A-, B- und C-Lagen viel gesucht, gekauft, schnell angekündigt und oftmals die Eröffnung von mehreren und immer grösseren Häusern gleichzeitig anvisiert. Organisches Wachstum ist tabu. München gilt dabei als Stadt mit den meisten Neuentwicklungen: Bis 2020 wird der Markt in der Isar-Metropole noch einmal um rund 2.700 weitere Einheiten und damit um 51% wachsen. Für die Betreiber vor Ort nicht ohne Herausforderung: Bewerten in ganz Deutschland rund 67% der Befragten die Entwicklung an ihrem Standort als "positiv" oder "sehr positiv", so fällt die Einschätzung in München verhaltener aus. Bis 2020 soll dort nämlich das Angebot noch um 51% wachsen, so dass man nun einen heftigen Preiswettbewerb fürchtet.

Jüngstes Beispiel: Diese Woche kündigte der Kölner Entwickler pantera AG an, nahe der Messe München in Trudering und Dornach ein Mikro-Apartment-Hotel mit 500 Einheiten im 3- bis 4 Sterne-Standard zu betreiben. Bei Bedarf können Bewohner der Serviced Apartments alle Leistungen abrufen, die in einem entsprechenden Hotel geboten werden, heisst es. Man setzt auf Langzeit-Gäste, weshalb man im Erdgeschoss eine Open Lobby 2.0 mit Rezeption, Coffee-Shop, Bäcker, Pizzaofen, 24 Stunden-Supermarkt, eBike-Vermietung, Co-Working-Area, Waschsalon, Fitness-Bereich, Cocktailbar sowie eine Food-Area, etwa für das Frühstück. Zudem werden im Laufe eines Jahres zahlreiche Konzerte, Theater und andere Events veranstaltet, sowohl im Boardinghaus selbst als auch open air auf den Terrassen. Das soll auch Locals anziehen.

"Jetzt jedenfalls ist es an der Zeit, Gross zu denken", fasst Anett Gregorius als Resultat ihrer aktuellen Markt-Analyse zusammen. "Wer im Paradies-Garten mitwachsen will, muss jetzt Markt-Anteile gewinnen".

Der vollständige "Marktreport 2018 Serviced Apartments" kann für 429 Euro zzgl. MwSt. unter www.apartmentservice-consulting.de bestellt werden. / Maria Pütz-Willems

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