Langweilige Jobs einfach abschaffen Expo Real Talk Smarte Hotels zwingen Hoteliers zu einer smarten HR Politik
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Langweilige Jobs einfach abschaffen

Expo Real Talk: Smarte Hotels zwingen Hoteliers zu einer smarten HR-Politik

Durch technologische Lösungen lässt sich der Fachkräfte-Mangel in der Hotellerie auffangen – doch der Mensch muss bleiben.Foto: pathdoc Fotolia

München. Die HR-Diskussion in der Branche differenziert sich inzwischen ganz klar nach dem Mitarbeiter-Mangel. So driften die schlanken, mit wenig Personal besetzten Smarthotels und die kostspieligen Vollhotels der 4- und 5-Sterne-Kategorie immer weiter auseinander. Digitale und clevere Technologie helfen, aber der Mensch muss bleiben. Ein schwieriger Spagat, wie die Diskussion über "Menschen, Humane Roboter oder Niemand?" im Rahmen des "Hospitality Industry Dialogue" an der Expo Real München zeigte.

Otto Lindner, seit fast 30 Jahren Vorstand der Lindner Hotels AG, sieht seit der Eröffnung des ersten Boutique-Hotels me and all in Düsseldorf das klassische und das smarte Produkt in seinem Unternehmen. Momentan werde der Unterschied zwischen beiden Hoteltypen häufig schon beim Betreten des Hauses spürbar. "Ein aufwändiger Check-in/Check-out macht keinem Spass, egal in welchem Hotel", relativierte Lindner. "Das nimmt uns, aber auch dem Gast, 50% der Zeit". Auch André Witschi, Präsident des Board of Governors der Ecole hôtelière de Lausanne, sah es ähnlich. Die traditionelle Rezeption werde verschwinden: "Jedes Jahr sind es weniger, die eingecheckt werden möchten. Trotzdem möchten alle in Zukunft willkommen geheissen werden" – am liebsten mit einem Drink am Tisch und nicht am Rezeptionstresen.

Garry Levin, Geschäftsführer des Recruiting-Unternehmens LHC International aus Berlin, unterstrich: "Das Bedürfnis hat sich absolut verändert. Keiner will sich anstellen und warten, bis Meldedaten übertragen werden – und schon gar nicht auf die Rechnung. Das ist immer optimierbar: Vieles verlagert sich deshalb auf den Gast".

Smarte Technologien können aufwändige Check-in-out-Prozesse verkürzen und dadurch Zeit sparen.

Weg mit dem murmelnden Rezeptionisten

Für Kornell Otto, Director Project Management der Schweizer Gruppe SV Hotel, ist es wichtig, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen nicht zu vermischen. So wie in der Luftfahrt Lufthansa und Ryanair unterschiedliche Gäste finden, sei es auch in der Hotellerie notwendig, sich zu entscheiden. SV Hotels erste unternehmenseigene Marke Stay KooooK mit 62 Studios nimmt gerade in Bern Formen an. "Man muss nicht nur in Digitalisierung investieren, sondern auch Jobs abschaffen, die keinen Spass machen. Man braucht keinen Rezeptionisten, der immer das Gleiche murmelt. Und die Minibars werden vom Roboter bestückt".

"Man sollte nicht die gleichen Service-Abläufe aufrechterhalten wollen, wenn die Leute die Qualifikation nicht mehr mitbringen", warnte auch Otto Lindner. Für die smarte Marke me and all seien die Prozesse verändert worden, damit das vorhandene "Humankapital" diese bewältigen kann. Gerade in diesem Punkt hob Lindner hervor, als Unternehmer und nicht in seiner Funktion als IHA-Vorsitzender zu sprechen: "Wir brauchen keine lange Ausbildung mehr, nach ein bis zwei Wochen haben die Mitarbeiter die meisten Arbeitsabläufe im Griff". Lindner rekrutiert über Castings, zu denen sich bis zu 300 Interessenten anmelden. Davon werden 75 ausgesucht – oft nach Bauchgefühl. "Wir wissen gar nicht, was sie bisher gemacht haben. Natürlich klappt das nicht immer; ein paar sollten ein Tablett schon unfallfrei tragen können".

"Es sind die langweiligen Jobs, für die man keine Mitarbeiter findet", so Levin. Dabei gebe es durchaus interessierte Leute: Nach Moxy-Ausschreibungen kommen 30 bis 40 Personen. "Davon stellen wir wie zuletzt in Lausanne 25, grossteils ungelernte Arbeitskräfte ein".

EHL-Urgestein André Witschi blieb Realist: "Durch Automatisierung und künstliche Intelligenz kann ich viele mittlere Führungspositionen wegrationalisieren. Dafür kommen Mitarbeiter in niedrigeren Positionen in grössere Verantwortung. Aber es braucht im Hotel immer einen, der ein Hotel versteht und führen kann". Das seien die Menschen, die an der EHL ausgebildet werden.

Unter der Moderation von Prof. Dr. Christian Buer diskutieren Otto Lindner, Garry Levin, André Witschi und Kornell Otto  über das Thema 'Menschen, Humane Roboter oder Niemand?'.Foto: HI Natalie Ziebolz

Weniger Mitarbeiter, breiteres Training

Einigkeit herrschte am Podium darüber, dass derjenige, der im Kempinski Adlon eine Seezunge filetiert, auch weiterhin vom Fach sein müsse. Die Rolle der Mitarbeiter in einem smarten Hotel sei jedoch eine gänzlich andere. "Sie haben mehr Autonomie, bilden Unternehmertum ab. Wenn bei einer Schicht aber nur einer da ist, dann müssen wir ihn so trainieren, dass er alles übernehmen kann", sagt Levin. Der Anspruch sei breiter. Es gehe dann nicht mehr allein um Check-in/Check-out, sondern auch um F&B. Der Mitarbeiter müsse auf alle Bedürfnisse reagieren können. Auch Kornell Otto bestätigt, in diesem Sinn "Management-Personal" zu rekrutieren. Denn die Prozesse seien digital durchstrukturiert, sodass jeder Mensch ohne Hotelausbildung diese entsprechend abdecken könne.

Ganz pragmatisch sieht es Lindner für alle Beherbergungsbetriebe: "Wir müssen mit den vorhandenen Mitarbeitern auskommen. Die Abiturienten der Klasse Hotels bekommen wir gerade noch für 5-Sterne-Hotels". Bei Lindner-Hotels selbst sorge man noch über Azubis für qualifizierten Nachschub: 70% der Auszubildenden werden übernommen. Der Branchenschnitt liege bei 15%. In Lindners me and all sei man nicht nur beim Recruiting anders unterwegs. "Wir haben im Boutique-Hotel nur drei Hierarchie-Stufen. Wir nennen sie Explorer, Explorer on Duty und Manager". Bezahlt würden 2.200 bis 2.400 Euro pro Monat, zuzüglich einem Incentive-System für die Kundenzufriedenheit, was rund 10% Zusatz-Einkommen schaffen kann. "Wenn die Mitarbeiter ein bis zwei Jahre bleiben, kommen wir damit wunderbar zurecht", sagte Lindner.

Smarte Hotels aufgrund hoher Pachten

Otto Lindner hält bei tradierten Hotel-Konzepten Wachstum kaum noch für möglich. "Bei der Marke Lindner Hotels habe wir ein BGF von 70 bis 90 qm, bei me and all kommen wir mit 35 qm aus. Bei allen Versuchen, hipp zu sein – die pure Not zwingt uns, deutlich effizienter zu arbeiten als früher". Die Investoren seien gierig, wollen immer höhere Pachten. "Wir können gar keine Fullservice-Hotels machen, weil wir das Geld für die Mieten brauchen".

Auch für das me and all Düsseldorf organisierte Lindner Hotels ein Casting.Foto: Lindner Hotels

Eine Möglichkeit, geeignetes Fach- oder Hilfspersonal zu finden, führt über die Digitalisierung. Dafür sei LHC tief in die Startup-Szene eingetaucht, berichtete Levin: "Wir haben mit vier bis sechs sehr guten Partnern die komplette Consumer Experience neu gedacht". Mehr verriet er nicht.

Die Schnelllebigkeit heute macht allen auf allen Linien zu schaffen. "Unsere Studenten sind vier Jahre an der Uni. Aber wie hat was vor vier Jahren funktioniert, und wie wird es in vier Jahren funktionieren?", fragte André Witschi. Waren elektronische Türöffnungs-Systeme vor vier Jahren noch zu teuer und anfällig, sind sie heute State-of-the-art, nannte er ein Beispiel. "Wir sollten Veränderungen so lieben wie wir sie früher gehasst haben". Gerade durch die Immobilie sei in der Hotellerie vieles langfristig vorgegeben. "Anders ist es, wenn KI ins Spiel kommt. Ich brauche keine neue Maschine, sie kann nur schneller mehr. Unter unseren Studenten gibt es laufend bis zu 15 Startups. Einige kommen durch und werden Millionäre", sagte Witschi: Diese Startups sind wichtige Beschleuniger in der Digitalisierung für die gesamte Branche.

Lindner warnte davor, Innovation als reine Technologie-Diskussion zu führen. Digitalisierung müsse als Selbstverständlichkeit etabliert werden, um Zeit für den Gast zu gewinnen. "Lassen wir unnötigen Quatsch weg, konzentrieren wir uns auf die Dienstleistung". Technologie-Verliebtheit sei der falsche Weg. "Etwa die Touchpads im Nachttisch, die keiner bedienen kann und dazu führen, dass der Gast die Glühbirne aus der Fassung dreht, damit das Licht ausgeht". / Fred Fettner

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