LESER-REISE / Dubai, Magnet für Araber - Auslandshandelskammer: Europäer schätzen Dubai völlig falsch ein

Magnet für Araber

Auslandshandelskammer: Europäer schätzen Dubai völlig falsch ein

Dubai. "Destination Dubai" - in diesem Schlagwort schwingt Musik mit - vom Bohrlärm bis zur Hoteleröffnungsfanfare. Die Teilnehmer der ersten hospitalityInside-Leserreise unter dem Titel "hospitality inside Dubai" bewegten sich am ersten Tag der Reise zwischen den Gegensätzen der Boom-City am arabischen Golf: vom luxuriösen Harbour Hotel mitten in der Grossbaustelle von Dubai Marina in die künstliche Wintersport-Welt von Ski Dubai, von dort weiter zur Weltklasse-Architektur des Four Seasons Golf Club House, um dann in der Altstadt am Creek mit ihren Souks ein Gespür für die Vergangenheit zu bekommen und schliesslich entspannt schaukelnd bei einer Fine Dining Cruise auf dem Creek die Eindrücke zu verarbeiten. Den thematischen Einstieg in die Region bot Oliver Parche, stellvertretender Delegierter der Auslandshandelskammer in Dubai über den Boom von Dubai und die Fehleinschätzungen der Europäer.

Oliver Parche lebt seit sieben Jahren im Mittleren Osten, seit drei Jahren ist er für den ausländischen Ableger der Dt. Industrie- und Handelskammer zuständig. Sein Vortrag unter dem Motto "Mission possible" beleuchtete die aktuelle wirtschaftliche und Alltags-Situation von Dubai. So gelten die Emirate als eine der freiesten Volkswirtschaften in der arabischen Welt. Weltweit glänzt bereits ihr Image, das Pro-Kopf-Einkommen aber befindet sich auf dem Niveau Spaniens, die Produktivität auf dem Niveau Maltas, räumte Parche gleich mit falschen Bildern von "den reichen Scheichs auf den Strassen" auf. Dubai kämpft wie jede andere Grossstadt inzwischen mit permanent steigenden Mieterhöhungen, die der Staat bei 7% jährlich deckeln will, in Wirklichkeit aber um die 40% liegen können.

Aktuell macht Dubai - seine Währungseinheit Dirham ist US-Dollar-gebunden - die Inflation stark zu schaffen. Doch das Positive in der Stadt überwiegt: Stündlich reisen 33 neue Menschen mit einem gültigen Arbeitsvertrag in Dubai ein. Zwei Millionen Menschen aus über 180 Nationen leben in Dubai heute; nur noch 8% davon sind Emiratis.

Herr Parche, welche Einschätzungen aus deutscher/europäischer Sicht sind Ihrer Meinung nach die grössten Fehleinschätzungen im Bezug auf Dubai?

Oliver Parche: Die Europäer sind in der Regel geblendet von den Medienberichten, die ein falsches Dubai-Bild aufzeigen nach dem Motto "Dort liegt das Geld auf der Strasse…" Das Gefühl vermittelt das Dubai-Marketing zwar, die Wirklichkeit sieht aber anders aus: Dubai ist eine Stadt, die sich im weltweiten Wettbewerb sieht und auch schon befindet und nicht mehr allein - wie in Europa - im primären Wettbewerb mit den Nachbarländern. Die Deutschen überschätzen ihre meist regionale Sicht der Welt stark und neigen deshalb zu Fehleinschätzungen im Falle Dubais.

Oliver Parche von der Auslandshandelskammer in Dubai.                                            Foto: map

Warum glauben die Menschen, die in Dubai leben und arbeiten, an diesen phänomenalen Aufschwung und die Zukunft der Stadt?

Parche: Sie alle leben die Vision, die der Herrscher Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum formuliert hat. Diese Vision wird einfach umgesetzt. In Deutschland werden Dinge immer nur entwickelt, auf die Umsetzung muss man lange warten. Das macht den Unterschied. Dubai zieht genau deshalb viele kluge Köpfe aus der Welt an. Es gibt keine Bedenkenträger. Die Menschen leben und erleben das Gesagte.

Welches Verhältnis haben die Geschäftsleute in Dubai zu wirtschaftlichen Risiken?

Parche: Natürlich schätzen sie wirtschaftliche Risiken ab. Es gibt aber diese typisch deutsche Frage nicht "Was wäre, wenn….". Hier glaubt man, Probleme lösen zu können. Man schafft erst Fakten - z.B. durch die vielen Bauten. Tauchen dann Probleme auf, löst man sie. Die spezielle Lage Dubais auf der Weltkarte erlaubt diesen Bauboom beispielsweise. Der nächste Schritt wird sein, die Stadt mit Leben zu erfüllen. Und das funktioniert: Sobald Wohnungen zum Verkauf freigegeben werden, sind diese weg vom Markt. Dubais Strategie geht voll auf, nicht nur beim Häuserbauen.

Touristen sehen in Dubai nur die gigantischen Baustellen. Welche Branchen oder Faktoren treiben den Motor in der Stadt hauptsächlich an?

Parche: Das sind ganz klar Handel, Finanzen, Messen und Konferenzen. Dubai ist ein "Hub" für Entscheidungen, hier treffen sich die Entscheider. London beispielsweise gibt seine Bedeutung als Finanzplatz gerade an Dubai ab. Diese Stadt hier kann man am ehesten mit Hongkong oder Singapur vergleichen.

Ist Dubai innerhalb des Mittleren Ostens Vorbild für die wirtschaftliche Entwicklung? Wie versuchen sich andere Emirate oder arabische Staaten gegenüber Dubai zu profilieren?

Parche: Ja, Dubai ist ein Vorbild, eine Art Leuchtturm für den Mittleren Osten. Die anderen Staaten möchten das Konzept aber nicht kopieren. Dubai entwickelt sich zum Dienstleistungs- und Service-Zentrum. Abu Dhabi hingegen wird mehr Industrie ansiedeln können, weil die Stadt über wesentlich grössere Flächen verfügt; ausserdem widmet sich Abu Dhabi stärker der Kultur. Es gibt aber keine grosse Konkurrenz zwischen den sieben Emiraten - Dubai wollte beispielsweise auch die Formel 1-Rennstrecke haben, überliess sie aber dann doch Abu Dhabi. Sharjah wird sich beispielsweise künftig stärker um Bildung kümmern. Andere arabische Staaten wie Saudi-Arabien beispielsweise tun sich sehr schwer, sich gegenüber Dubai zu profilieren.

Wann scheitern Europäer in Dubai?

Parche: Sie scheitern, wenn sie weder Zeit noch Geld mitbringen. Bis in Dubai ein Geschäft anläuft, muss man im Schnitt ein- bis zweieinhalb Jahre investieren.

Wie lebendig sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Dubai?

Parche: Sehr lebendig, vor allem seit zwischen dem Herrscher von Abu Dhabi und dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder eine strategische Allianz beschlossen wurde. Deutschland ist für die Emirate das Tor zu Europa, so wie die VAE  das Tor zum Mittleren Osten sind. Vor allem die Deutschen könnten zu den grossen Gewinnern der Wirtschaft gehören, wenn sie bereit sind, mit zu kooperieren.

Dubai, eine grosse Sandkiste: Die Strassenentstehen immer zuerst.                              Fotos: C. Markus-Diedenhofen

Was sollten Firmen tun, die nicht wissen, ob sie mit Dubai Geschäftsbeziehungen eingehen sollen oder nicht?

Parche: Sie sollten sich gründlich informieren und diese Region mir eigenen Augen sehen. Die Auslandshandelskammer leistet mit ihrem umfangreichen Dienstleistungsangebot hierbei einen wichtigen Beitrag.  

Für welche Unternehmen/Branchen und Berufe bieten sich zur Zeit gute Chancen in Dubai?

Parche: Gute Chancen haben Handels- und Logistikunternehmen, Banken, service- und ausbildungsstarke Tourismusbetriebe, Manager von Hotels sowie die Hersteller und Anbieter von Medizinprodukten und -dienstleistungen. Entsprechend benötigt Dubai aus Europa gut ausgebildete Arbeitskräfte auf dem mittleren Management-Level, z.B. Ärzte und Oberschwestern, Bänker oder Touristikmanager. Die Menschen, die man zur Ausführung der Tätigkeiten benötigt, kommen in Dubai eher aus Asien.

Wie realistisch ist in Ihren Augen die touristische Entwicklung in Dubai bzw. deren Prognose?

Parche: Jede noch so ambitionierte Prognose im Tourismus ist bisher immer übertroffen worden. Auf Dauer wird der Touristenstrom aus Europa stagnieren oder sogar zurück gehen. Aber Europa ist auch nicht der primäre Zielmarkt von Dubai. Das sind die GCC-Staaten. Diese Menschen aus Arabien sowie aus einzelnen Ländern Afrikas und Asiens freuen sich, in Dubai eine Kopie des Eifelturms anzusehen oder Disney erleben zu können. Es fasziniert sie - und noch einmal mehr, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Dinge in ihrem vertrauten Umfeld erleben zu können.

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