Neuanfang im Nebel TUI CEO Hotels Sebastian Ebel über HotelImmobilien Marken und Digitales
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Neuanfang im Nebel

TUI-CEO Hotels Sebastian Ebel über Hotel-Immobilien, Marken und Digitales

Das TUI-Konzept bleibt bei Sonne, Sand und Strand, nur die Immobilien-Partner sollen sich ändern.Foto: Alfred Krauss

Hannover. TUI-Vorstand Friedrich Joussen streute in seinen Reden der letzten Monate immer wieder kleine Neuigkeiten über die Hotel-Division ein, und klar wurde: Corona zwingt den – inzwischen staatlich gestützten – Konzern dazu, seine Hotel-Strategie zurückzufahren. Marken werden weiter komprimiert, Immobilien auf asset-light reduziert und/oder verkauft. Doch auch Sebastian Ebel, Mitglied des Vorstands der TUI AG und CEO für den Bereich Hotels & Resorts, Cruises, Destination Experiences und und Group Purchasing, blieb in unserem Interview teilweise noch schwammig. Der Konzern tut sich offenbar schwer, eine klare Linie zu kommunizieren.

Der grösste Reiseveranstalter der Welt war einer der allerersten, die vom deutschen Staat mit Staatshilfen bedacht wurden. Im Februar tat die TUI kund, noch über Finanzmittel und verfügbare Kreditfazilitäten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro zu verfügen. Im April erhielt der Veranstalter vom Staat 1,8 Milliarden. Am 12. August wurde TUI ein zweites Stabilisierungspaket von 1,2 Milliarden Euro bewilligt. Der Konzern scheint trotzdem noch weiter zu schwimmen, denn die deutsche Wirtschaftszeitung Handelsblatt schrieb am 16. September, dass die TUI noch weitere 700 Millionen bis eine Milliarde Euro auftreiben wolle. Als einen möglichen Kapitalgeber mit bis zu 300 Millionen Euro im Gepäck nannte das Blatt den russischen Grossaktionär Alexej Mordaschow.

Auf die Frage, inwieweit man die Folgen von Covid-19 unterschätzt, wies CEO Sebastian Ebel auf den abrupten Geschäftsstillstand hin und auf die sofort eingeleiteten Kosten-Reduzierungen um 70%. Das zusätzliche Stabilisierungspaket stelle dem Konzern ausreichend Liquidität bereit, sagte er. "Damit werden sowohl die touristische Saisonalität im Winter 2020/21 sowie mögliche weitere längerfristige Reisebeschränkungen und Beeinträchtigungen durch Covid-19 abgedeckt."

Sebastian Ebel: Die Begeisterung für eigene Hotel-Immobilien ist vorbei. Der Reise-Veranstalter setzt wie Hotel-Betreiber auf Asset Light. Foto: TUI

Diese Antwort gab er im schriftlichen Interview mit diesem Medium noch vor der Mordaschow-Meldung. Zu dieser wollte sich das Unternehmen gegenüber hospitalityInside.com auch diese Woche noch nicht äussern.

Welche Summen aus den beiden Krediten in den Bereich Hotels & Resorts fliessen, wollte Ebel nicht beziffern. Primäres Ziel sei die Liquiditätserhaltung des Konzerns. Der Bereich Hotels & Resorts erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von 660 Millionen Euro, ein operatives Ergebnis von 451,5 Millionen Euro und trägt knapp 40 Prozent zum Ergebnis bei. Wie es dann im Geschäftsjahr 2020 gelaufen ist, wird die TUI Anfang Dezember verkünden, wenn sie ihre Jahresbilanz publiziert.


Herr Ebel, wie viele Ihrer Hotels weltweit waren unter Corona geschlossen, wie viele waren im August 2020 geöffnet?

Die Corona-Krise führte zur nahezu vollständigen Einstellung aller operativen Aktivitäten der TUI. Die Wiedereröffnung folgte dann ab Mitte Mai schrittweise im Zuge der Aufhebung der jeweiligen Reiserestriktionen. Im August waren rund 180 Hotels geöffnet.

Nachdem der Hotel-Bereich in den letzten Jahren Expansions-Schwerpunkt war, wird er jetzt offensichtlich schnell und massiv zurückgebaut. "Wir werden uns von Vermögenswerten trennen und Partner an Bord holen," sagte Vorstandschef Friedrich Joussen in einem FAZ-Interview am 23. Juni. Was geschieht jetzt?

Es gibt keinen schnellen und massiven Rückbau. Unsere "asset-light" Strategie haben wir bereits im Dezember 2019 angekündigt und eingeleitet. Ein Beispiel hierfür ist die Lifestyle-Marke TUI Blue, mit der wir stark wachsen, obwohl sich die Mehrheit der Häuser sich nicht in unserem Eigentum befindet; bei diesen Häusern handelt es sich im Vergleich zu Clubs auch um kleinere Immobilien. Die Portfolio-Änderungen nicht auf bestimmte Länder oder Marken fokussiert, sondern wir prüfen die Eignung der jeweiligen Objekte genau. Wie auch Fritz Joussen bereits betont hat: 'Notverkäufe wird es nicht geben'.

Welche neuen Partner suchen Sie dafür bzw. welche haben schon bei Ihnen vorgesprochen?

Wir suchen vorrangig nach langfristigen, strategischen Partnerschaften und können uns auch die Zusammenarbeit mit institutionellen Investoren sehr gut vorstellen.

41 Prozent von 328 Hotels und Resorts befanden sich letztes Jahr noch im Eigentum.Foto: 2009 muhaphotos

Planen Sie einen Komplett-Verkauf oder gehen Sie branchen-übliche Wege wie Sale-and-Leaseback?

Sale-and-manage-back oder lease-back sind definitiv unsere präferierten Wege. Wie bereits erwähnt, prüfen wir unsere Immobilien hinsichtlich ihrer Eignung und fokussieren uns nicht auf bestimmte Marken oder Destinationen. Im aktuellen Portfolio besteht der grössere Anteil an Häusern im Management, wir bieten interessierten Investoren aber beide Optionen an.

Insider haben mir berichtet, dass Sie kostenintensive Clubs aus den Marken Magic Life oder Robinson abgeben möchten, vor allem in europäischen Sonnenzielen, teilweise auf Inseln – aber auch einzelne Hotels der Marke TUI Blue in den österreichischen Bergen zum Beispiel.

Es ist zutreffend, dass wir einzelne Hotels der Club- bzw. Hotelmarken auf sale-and-manage-back oder lease-back Basis im Markt anbieten. Hierfür zeigt sich eine hohe Nachfrage. Entscheidungen können somit auch auf einer Einzelbasis getroffen werden.

Wie viele Hotels der TUI laufen unter welchen Vertragsverhältnissen? Wie soll diese Struktur 2021 aussehen?

Zum TUI-Konzern gehören aktuell über 400 Hotels. Im Geschäftsjahr 2019 wurden 328 Häuser zu 46% im Management, 41% im Eigentum, 12% als Pacht und 1% als Franchise betrieben. Weitere 57 Hotels von Dritthoteliers wurden im Rahmen der internationalen Konzept-Marken betrieben. Die gegenwärtige Lage und andauernde Pandemie erlauben es noch nicht, konkrete Vorhersagen für die Struktur in 2021 zu treffen.

Welche Marken bzw. Konzepte sollen denn als Cash Cows übrigbleiben und weiter expandieren dürfen?

Wir setzen weiterhin auf unsere starken Hotelmarken, die so genannten TUI Signature Hotels. Dazu gehören die Traditionsmarke RIU, die Lifestyle-Hotelmarke TUI Blue, die Clubmarken Robinson und TUI Magic Life sowie die Konzept-Hotels TUI Sensatori und TUI Suneo.

Bei der Frage nach der Zahl gesicherter Projekte bleibt Ebel schwammig, nennt keine Zahl. Genauso unscharf bleiben seine Auskünfte auf die Frage, ob die TUI – angesichts der weggebrochenen Flüge – nun stärker erdgebundenes Reisen in Deutschland, DACH und Europa forciert, um noch ein grösseres Stück vom regionalen Nachfrage-Kuchen zu erhaschen. "Hier stehen wir meist vor der

TUI Blue: Die Marke bündelt viele Zielgruppen.Foto: TUI

Herausforderung, geeignete Grundstücke oder Immobilien in einer entsprechenden Grösse zu finden", so Ebel. Für den Bereich DACH aber seien die Clubmarken durchaus interessant. Andere Hotels wechseln ihre Marken: So wandelt sich das Dorfhotel auf Sylt ab April 2021 in ein TUI Blue Lifestyle-Hotel. Im Montafon, Österreich, ist die TUI sogar Eigentümer eines Neubaus, der ebenfalls als TUI Blue flaggen wird. Eckdaten für einzelne Hotelmarken finden Sie in dieser TUI-Broschüre.

Jahrzehntelang baute die TUI 50:50-Joint Ventures mit ihren grossen Markengebern auf. Von einst 21 TUI-Hotelmarken sind seit der Marken-Straffung 2018 sechs Marken übriggeblieben. Es gibt noch drei 50:50 Joint Ventures, vier 100prozentige Tochtergesellschaften und die übrigen fünf Marken mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen.

Der Fokus liegt heute eindeutig auf den TUI Signature Hotels, die aus den sechs Hotelmarken bestehen. Und von diesen kommt TUI Blue eine besondere Bedeutung zu. Ebel: "Durch die Integration der Marken TUI Family Life und TUI Sensimar in TUI Blue wurde eine Hotelmarke geschaffen, die sich nach wie vor an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen ausrichtet – also für Familien, für Paare oder für Urlauber, die nach authentischen Erlebnissen in der Region suchen. Darüber hinaus sprechen wir mit TUI Suneo Urlauber an, die Hotels mit einem besonders guten Preisleistungs-Verhältnis suchen."

Clubmarken und Allinclusive-Konzepte auf grossen Grundstücken kosten Geld. Gleichzeitig fordert der gestiegene Anspruch von Reisenden eine immer aufwändigere Infrastruktur im Resort. Welche Schrauben lassen sich also noch wirtschaftlich anziehen, ohne die Guest Experience zu schmälern? Auch Ebel sieht wie viele andere Manager hier den Hebel in der Digitalisierung und guten IT-Systemen, die auch im Hotel-Management vereinheitlicht werden sollen. Das steigere nicht nur die Entwicklungsgeschwindigkeit über verschiedene Marken hinweg, sondern auch die Kosteneffizienz hinter den Kulissen. Und den Gast will man über neue Buchungsmöglichkeiten erreichen, z.B. über die TUI Hotel-App.

Friedrich Joussen: Der Vorstandschef sucht neue Finanzpartner für bestehende und künftige Hotels.Foto: TUI

Vorstand Joussen sprach von der TUI auf der Hauptversammlung im Februar 2020 als künftigem "Plattform-Unternehmen" und warf das Bild von einem "Amadeus für Hotels" in die Runde – das "mit Abstand grösste Transformationsprojekt der Firmengeschichte". Diese sollte die gesamte Wertschöpfungskette von der eigenen Immobilie bis hin zum direkten Gäste-Management einschliessen. "Das Projekt wird fortgeführt", bestätigt Ebel, trotz Corona. Aufgrund der aktuellen Situation sei es aber noch zu früh, um über einen konkreten Zeitplan zu sprechen, "aber wir werden Hoteliers hier definitiv einen interessanten Mehrwert bieten", kündigt er an – auch wenn es dabei nicht ausschliesslich um Hotelsysteme gehe.

 

Herr Ebel, wie gross ist die Motivation der TUI, sich von einem Massen-Reiseveranstalter zu einem selektiven Qualitäts-Reiseanbieter zu verändern?

Die TUI heute ist eine völlig andere als die TUI vor fünf oder sechs Jahren. Wir sind im Kern ein Entwickler, Investor und Betreiber von Hotels und Kreuzfahrtschiffen. Das Veranstaltergeschäft trägt heute rund 30% zum Jahresergebnis bei, Hotels, Kreuzfahrten und Aktivitäten rund 70%.

Über skalierende Plattformen bieten wir unseren 21 Millionen Kunden individualisierten Urlaub. Mit den Daten und künstlicher Intelligenz können wir massgeschneiderte Produkte und Services für jeden Kunden anbieten. Beispiel: Früher konnte man ein Hotelzimmer nur mit Garten- oder Meerblick vermarkten. Auf unserer Plattform bieten wir nicht nur bei unseren eigenen Häusern sondern auch für Dritthoteliers die Möglichkeit, einzelne Zimmer zu vermarkten: Zimmer 101, nah am Restaurant, weit weg vom Aufzug, mit Morgensonne und Meerblick – und die Nachfrage ist da, viele Kunden sind bereit dafür zwischen 10 und 15 Euro pro Zimmer und Nacht zu bezahlen.

Geht das einher mit neuen, nachhaltigen Konzepten, die auch den Ansprüchen der Generation Greta gerecht werden?

Wir werden unser langjähriges Engagement im Bereich Nachhaltigkeit fortsetzen. Bereits heute haben über 80% unserer Hotels & Resorts eine Nachhaltigkeitszertifizierung, die einem vom Global Sustainable Tourism Council anerkannten Standard entspricht. Der Öko-Vorteil ist deutlich sichtbar, denn Erhebungen belegen: Zertifizierte Hotels stossen gegenüber herkömmlichen Anlagen pro Übernachtung im Schnitt 10% weniger CO2 aus, produzieren 24% weniger Abfall, verbrauchen 19% weniger Frischwasser und nutzen 23% mehr Ökostrom. Zertifizierte Hotels weisen zudem eine bessere Kundenresonanz auf.

TUI Magic Life: Erlebnisse in den Clubs, Hotels und in der Destination sollen mit Priorität vermarktet werden. Booking.com ist dafür ein strategischer Partner.Foto: TUI

Wie gehen Sie mit der wachsenden Nachfrage nach Boutique-Hotels mit "Local-Anschluss" um? Was ist unter Corona aktuell von den 150.000 Exkursions- und Aktivitätsangeboten übriggeblieben und wie werden Sie diesen Bereich ggf. neu anpassen?

Ersteres bezieht sich hauptsächlich auf Städte-Tourismus, das ist heute nicht mehr primär unser Geschäftsfeld. Wir sind überwiegend im Segment Sun & Beach aktiv. Der Bereich Destination Experiences mit Aktivitäten und Ausflügen gehört weiterhin zu unseren strategischen Wachstumssegmenten. Der Markt ist immer noch stark fragmentiert und kaum digitalisiert, darum entwickeln wir hier ein klassisches Plattformgeschäft. Wir wollen die Nummer 1-Plattform für Erlebnisse werden.

Der Erfolg zeigt sich auch in der kürzlich abgeschlossenen, strategischen Partnerschaft mit Booking.com. Diese bezieht sich nicht auf Hotels, sondern auf den Bereich Touren, Aktivitäten und Ausflüge. Booking nutzt unsere Plattform Musement für das Angebot an Aktivitäten. Wir haben das Mailänder Technologie-Startup Musement vor 18 Monaten erworben. Neben Aktivitäten in Urlaubsregionen ist auch ein wachsendes Angebot in den europäischen Heimatmärkten geplant. Der Gast soll zu Hause und im Urlaub das digitale Angebot umfassend nutzen können. Trip, der Marktführer in China, nutzt uns übrigens ebenfalls und auch Google activities.

Wie werden Sie künftig im Bereich Hotels & Resorts die Distribution aufstellen? Ist ein margen-getriebener, aggressiver OTA-Partner wie Booking.com da nicht der falsche Partner für ein Unternehmer, das gerade jeden Euro sparen muss?

Wir setzen einen Fokus auf den Ausbau der direkten Vertriebskanäle. Im Mittelpunkt stehen dabei die eigenen Webseiten unserer Hotel- und Clubmarken, die zukünftig noch stärker mit den jeweiligen Hotel-Apps verlinkt werden. Hier investieren wir gezielt in neue Features und den richtigen Marketing-Mix, um individuelle Angebot für unsere Gäste zu entwickeln und den Buchungsprozess noch schneller und intuitiver zu gestalten.

Durch die zusätzlichen, direkten Vertriebskanäle bauen wir die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern aus, mit MICE, aber auch sehr selektiv mit OTAs. Die internationalen TUI Veranstalter werden dabei weiterhin wichtigster und stärkster Vertriebskanal bleiben, da sie zu einer signifikanten Auslastung auch in der Nebensaison beitragen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Maria Pütz-Willems

 

 

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