Noch viel zu umwelt-orientiert

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ITB: Hotelketten geben CSR-Kompetenz meist nur vor, sagt eine Studie

Dr. Xavier Font.

Berlin. Noch nüchterner als das Resultat waren die kleinen Erläuterungen dahinter: Bei einem erstmaligen Ranking der Corporate Sustainability Responsiblity von internationalen Hotelketten schnitt nur Accor gut ab - die übrigen grossen Namen der Branchen nahmen die Analysten kritisch auseinander: Barcelo, Carlson, Hilton, Iberostar, InterContinental, Marriott, RIU, Sol Meliá und Starwood Hotels. Die Studie, finanziert von europäischen Verbraucherschutz-Verbänden und durchgeführt von der Leeds Metropolitan University, wurde an der Hotelkonferenz der ITB, dem "ITB Hospitality Day" 2011, vorgestellt.

Ziel der sechsmonatigen Studie war es, die verschiedenen Unternehmens-CSR-Richtlinien und deren Umsetzung in die Praxis aufzuzeigen und natürlich den Verbraucher darüber zu informieren, welchen Einfluss die Wahl der Hotelgruppe auf den Tourismus haben kann. Xavier Font, Co-Direktor am International Centre for Responsible Tourism der Leeds Metropolitan University, gab in 20 Minuten einen Einblick in die Analyse der oben genannten zehn Hotelgruppen.

Nur RIU verweigerte die Teilnahme, alle anderen beantworteten die Fragebögen, schickten interne Dokumente und erlaubten - mit Ausnahme von Hilton - Besuche in einzelnen ausgewählten Hotels. Iberostars Antworten erwiesen sich laut Xavier Font als äusserst dünn, so dass man sich die Daten selbst aus öffentlichen Quellen zusammen sammeln musste.

Enttäuschung überwiegt

Neben der Auswertung der papiernen Unterlagen verbrachten die Analysten acht bis zehn Stunden in einzelnen Hotels der Gruppe rund ums Mittelmeer, in Mexiko und in Thailand. Dann schickte sie ihre Ergebnisse an die Hotel-Zentralen zurück und warteten auf deren Feedback. Das Ergebnis war, generell gesehen, eher enttäuschend als motivierend.

Hatte eine Kette gruppenweit ihre CSR-Richtlinien ausgegeben, trafen die Analysten auf unterschiedlichste Stadien der Umsetzung: Einzelne Hotels erweisen sich als weitaus engagierter, andere wiederum zeigten keinerlei Konstanz. Offenbar spielten auch Faktoren wie die gesetzlichen Vorgaben, der Standort des Hotels, die Nachfrage durch Gäste wie auch die Tatsache, ob es sich bei dem Haus um ein Hotel in Eigentum, Management oder Pacht handelte, eine Rolle. Insgesamt gesehen bleiben so die Corporate Policies insgesamt weit hinter denen einzelner Häuser zurück.

Die ersten sechs Hotelgruppen des Rankings liegen relativ dicht beieinander, schnitten in den einzelnen Punkten aber sehr unterschiedlich ab. Xavier Font lobte vor allem Accor dafür, dass man es geschafft habe, die Richtlinien ziemlich konsequent in den Einzelhotels umzusetzen. Ganz im Gegensatz zu Hilton, deren Umsetzungsvermögen Font als besonders ärmlich bezeichnete. Überraschend war, dass die kleinere Sol Meliá-Gruppe aus Spanien besser abschnitt als Betten-Gigant Marriott. Bei RIU hatte die englischen Forscher erwartet, durch ihr Joint Venture mit dem CSR-affinen Reiseveranstalter TUI besonders fit im Thema zu sein, doch das erwies sich als eine Fehleinschätzung.

Insgesamt scheinen die Hotelketten ihr CSR-Verständnis und -Engagement auf umwelt-fokussierte Wasser-, Abfall- und Energie-Reduktionen oder -Recycling zu beschränken. "Ein General Manager heute hat keine Zeit mehr, sich um die Umsetzung von CSR zu kümmern," sagte Xavier Font, "für ihn ist es ein Extra-Job am Ende einer langen Job-Liste." Entsprechend hotel-orientiert bewerten die Ketten dann auch die Emissionen.

Der Fokus auf Wasser, Abfall und Energie spiegelt sich ferner in den Management-Systemdaten; sozio-ökonomische Aspekte und Wechselwirkungen zwischen Hotel und Umfeld bleiben aussen vor. Einzig Marriott und InterContinental zeigen laut Studie auf, dass sie auch den Verlust der natürlichen Ressourcen in ihrer Destination beobachten.

Hotels fehlt der Blick nach aussen

Als äusserst enttäuschend empfanden die britischen Analysten auch, dass sich die CSR-Richtlinien nicht im Einkaufsverhalten wieder spiegeln. "Es geht nicht darum, fair gehandelten Zucker einzusetzen," so Xavier Font, "sondern aufzuzeigen, wie viel teurer der Fisch im Dorf wird, wenn ich diesen in meinem Hotel einsetze." Den Hoteliers fehle die wechselnde Perspektive - von aussen nach innen und innen nach aussen. So war beispielsweise auch kein Hotel bereit, die Plastik-Trinkbecher am Pool abzuschaffen - man käme mit den gültigen Gesundheits-/Hygiene- und Sicherheitsrichtlinien in Konflikt, argumentierten die Manager.

Die meisten Ketten bieten zwar ein Training für Mitarbeiter an, aber nur bezogen auf die Umwelt und nicht auf sozio-ökonomische Aspekte. "Offensichtlich ist Human Resources nicht in der CSR integriert," so Xavier Font. Ein weiteres Indiz für deren CSR-feindliche Denkweise: Hotelketten zahlen ihren Mitarbeitern hier nur das gesetzliche Minimum und nicht entsprechend ihrer Lebensbedingungen.

Die Mitarbeiter sollen dann bitte auch die Gäste möglichst nicht mit CSR belästigen: "Do not disturb" steht offenbar auf der Leitlinie ihres Verhaltens. Die Hotelmanager argumentierten damit, dass die Gäste viel bezahlen würden für das, was sie gerade tun. Sie werden nicht weiter ins Thema involviert. "Nur Accor und Marriott gehen hier weiter," so Font.

Sein Fazit ist skeptisch: Xavier Font bezweifelt, dass die Hotelgruppe ihre CSR-Ziele erreichen werden. Eine Wiederholung der Studie wird es gegebenenfalls zeigen. / map

 

WEITERE INFOS ZUM CSR-RANKING

Über folgende Web-Adressen der Verbraucherschutz-Verbände sind zusammenfassende Berichte zum CSR-Ranking der Hotelketten abrufbar:

Belgien: Association Belge des consommateurs Test-Achats - www.test-achats.be

Dänemark: Taenk/Forbrugerraadet - www.taenk.dk

Finnland: Kuluttajavirasto - www.kuluttajavirasto.fi

Italien: Euroconsumers Servizi SRL - www.altroconsumo.it

Österreich: Verein Für Konsumenteninformation - www.konsument.at

Portugal: DECO-Proteste Editores LDA - www.deco.proteste.pt

Spanien: OCU-Organización de Consumidores y Usuarios Ediciones SA - www.ocu.org

Schweden: Rad & Ron - www.radron.se

Schweiz: Fédération romande des Consommateurs - www.frc.ch

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