Rauswerfen beurlauben oder fördern HR Corona setzt Schwächen und Chancen im Umgang mit den Mitarbeitern frei
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Rauswerfen, beurlauben oder fördern

HR: Corona setzt Schwächen und Chancen im Umgang mit den Mitarbeitern frei

Motel One hat angeblich alle externen Schulungen bis zum Jahresende ausgesetzt. Das Coronavirus sorgt für neue Prioritäten.Foto: Motel One

München. Geschlossene oder stark service-reduzierte Hotels überziehen in diesen Wochen Europa und die Welt. Unzählige Mitarbeiter, die man mühevoll gefunden und gebunden hatte, schlittern in Deutschland in die Kurzarbeit, in anderen Ländern werden sie über Nacht vor die Tür gesetzt. Die Hotellerie befindet sich im HR-Krisenmodus, und wir erleben Betreiber und Experten zwischen Theorie und Praxis, und die Ketten- und Privathotellerie mit überraschend-verschiedenen Prioritäten.

Arne Sorenson dürfte in den letzten Tagen für einen der stärksten Momente innerhalb der noch weitgehend im Schockzustand befindlichen Branche gesorgt haben. Klar und betroffen spricht der CEO und Präsident von Marriott International in seinem Video-Update von der bisher schlimmsten Krise in der Geschichte des Unternehmens, "schlimmer als 9/11 und 2009 zusammen". Allein für letzte Woche verzeichnete er eine Auslastung in Europa und Nordamerika von unter 25 Prozent.

Zur Abfederung der Einbrüche hatte Sorenson bereits am 17. März in "USA Today" angekündigt, rund um die Welt zahlreiche Betriebe vorübergehend zu schliessen und vermutlich zehntausende von Mitarbeitern aller Ebenen nach Hause zu schicken – ohne Gehalt, aber mit Health Care Benefits. In seinem Video erwähnte Sorenson, dass er selbst und Bill Marriott für den Rest des Jahres auf ihr Gehalt verzichten, das Führungsteam wiederum auf 50 Prozent.

Ende 2019 zählte Marriott 174.000 Angestellte. Wie die Börsenanalyse-Dienst Seeking Alpha diese Woche weiter berichtete, plant Marriott zudem, etwa zwei Drittel seiner 4.000 Mitarbeiter auf Corporate Level wie auch zwei Drittel seiner Corprate Mitarbeiter ausserhalb der Zentrale für 60 bis 90 Tage zu beurlauben. Wer in den Zentralen weiter arbeitet, muss laut Seeking Alpha eine Gehaltskürzung von 20% und verkürzte Arbeitswochen hinnehmen.

Hilton schliesst zum 1. Mal in 100 Jahren über geschlossene Hotels auf der ganzen Welt.Foto: Hilton

In der Region Europa, Mittlerer Osten & Afrika, so antwortet Marriott in London auf Anfrage von hospitalityInside.com, sind ebenfalls verkürzte Arbeitszeiten und vorübergehende Urlaubszeiten vorgesehen. "Wir unternehmen auch eine Reihe proaktiver Schritte, um Mitarbeiter zu unterstützen", heisst es. "Wir prüfen alle staatlichen Subventionen. Wir werden alle betroffenen Mitarbeiter für Positionen, die in Zukunft offen sind, priorisieren."

Arne Sorenson macht am Ende seines Videos mit zitternder Stimme klar, dass es in seiner Karriere keinen schwierigeren Moment als diesen gegeben hätte, auch weil man keine Kontrolle darüber habe. Er wisse nicht, wie lang die Krise dauere, aber die globale Gemeinschaft werde es schaffen, ist er überzeugt. "Und wenn der grosse Tag kommt und die Menschen wieder diese wunderbare Welt bereisen werden, werden wir sie so herzlich begrüssen wie nie."

Die Börse dankte ihm nach dieser Rede mit einem Ansteigen der Aktien. Im Netz posteten auch Mitarbeiter anderer Hotelkonzerne das Video. Und internationale Journalisten feierten den CEO des grössten Hotelkonzerns der Welt für seine Führungsstärke in der Krise, für seine Transparenz und das Vertrauen, das er stiftet, trotz aller schmerzhaften Mitarbeiter-Massnahmen.

Es ist die absolute Ausnahmesituation: In den USA gab auch Hilton-CEO Christopher Nassetta gerade bekannt, "das erste Mal seit 100 Jahren" Häuser schliessen zu müssen, denn die weltweite Auslastung laufe gegen 10 Prozent. Auch hier werden Mitarbeiter, wie die im Capital Hilton in Washington DC oder im Hilton Midtown New York, u.a. beurlaubt. Donald Trump bediente unterdessen schon das den USA häufig unterstellte Klischee von "Hire & Fire": Er entliess laut Medienberichten bereits mehr als 200 Mitarbeiter in Washington, New York City und Las Vegas. Er wird in diesen Zeiten allerdings nicht der Einzige bleiben.

Weiterbildung weg, duale Studenten bestraft

Auch in Deutschland haben einige Ketten bereits harte Personaleinschnitte angekündigt. Motel One setzt auf Kurzarbeit sowohl in der Münchner Zentrale als auch in den Hotels in Deutschland. Zugleich habe das Unternehmen bereits alle externen Schulungen bis Ende des Jahres komplett gestrichen, hiess es aus dem Markt. Motel One reagierte nicht auf die Rückfrage von hospitalityInside.

Garry Levin: Mitarbeiter auf keinen Fall entlassen!Foto: LHC International

Ähnliche Massnahmen hat H-Hotels ergriffen. Auch hier will man über Kurzarbeit für alle Mitarbeiter "langfristig alle Arbeitsplätze erhalten", heisst es. "Derzeit finden keine Schulungen und Trainings statt. Jedoch erarbeiten unsere internen Trainer Blended Learning-Konzepte." Die Azubis würden die Unterlagen zur Prüfungsvorbereitung per eMail erhalten, ergänzend zur Azubi-App. "Um intern Arbeitsplätze zu erhalten, werden alle zukünftig stattfindenden Schulungen bis Ende des Jahres ausschliesslich von internen Trainern durchgeführt", so eine Sprecherin der H-Hotels.

Ein Universitätsprofessor berichtete diese Woche wiederum von Hotel-Unternehmen, die Studierenden Praktika gestrichen hätten. Andere hätten sogar die Einzugs-Ermächtigungen für Studiengebühren widerrufen, so dass diese ihr duales Studium von jetzt auf gleich nicht weiterführen können. Man lerne sehr viel über langfristig und sich kümmernde Unternehmer und leider auch über einige schwarze Schafe, stellte er fest.

Solche Massnahmen sehen in den Augen jener, die die Jahre nach dem Lehman-Crash erlebt haben, nach einem erneuten "Kahlschlag-Reflex" aus – schliesslich ist die Dauer der Coronavirus-Krise nicht absehbar. Dabei wird bisher vielerorts auf Kündigungen verzichtet, was in diesen Tagen verschiedene HR-Experten auch gebetsmühlenartig empfehlen. "Ob Kurzarbeit, bezahlter oder unbezahlter Urlaub – es gilt jetzt, für jeden eine Lösung zu finden, die keine Kündigung bedeuten muss und wirtschaftlich darstellbar ist", macht Celine Chang von der Hochschule München klar. Die Professorin für HR Management muss gerade selbst aufgrund der momentanen Hochschul-Schliessung ihre gesamte Lehrtätigkeit über Lehrvideos und Ähnliches organisieren. Austausch-Studierende haben an der Hochschule den Aufenthalt abgebrochen, Praktika wurden nicht angetreten, und internationale Gast-Dozenten mussten zu Hause bleiben. "Entscheidend ist im Moment", ergänzt sie, "auf Ängste und Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen, Verständnis für ihre Situation zu zeigen, sie emotional abzuholen. Das ist eine klare Führungsaufgabe."

Auch Garry Levin, Gründer und Geschäftsführer der branchen-übergreifend agierenden Recruiting Company LHC International mit Sitz in Berlin und Bangkok, betont: "Wir kommen aus einer Fachkräftemangel-Situation. Wer jetzt die Menschen kündigt, die er lange gesucht hat, verliert sie für immer und schadet einmal mehr dem Image der Branche."

Zu fairem Unternehmer-Verhalten kann ebenso nur Alexander Aisenbrey anmahnen. Der Vorsitzende der Initiative Fair Job Hotels geht in einem Interview mit der deutschen Fachzeitung AHGZ davon aus, dass es nach der Krise 40% der Hotels und Gastronomien nicht mehr geben wird und die Branche urplötzlich mit neuer Arbeitslosigkeit konfrontiert sein wird: Der Fachkräfte-Mangel hat sich damit erledigt.

Best Western, Choice: Home-Office als Brücke

Wie verhalten sich Hotelgruppen, die zwar eine Ketten-Struktur haben, aber mehr oder weniger mit Privathotels kooperieren? So berichtet Best Western, dass seit Mitte März vorerst mindestens die Hälfte der Mitarbeiter von zuhause arbeitet. "Dazu wurden alle technologischen Voraussetzungen geschaffen und Mitarbeiter entsprechend geschult", sagt Pressesprecherin Anke Cimbal. Im festen Turnus wechseln die Teams nun jeweils Büro mit Home-Office. Somit ist die potenzielle Ansteckungsgefahr innerhalb des Unternehmens minimiert und es ist gewährleistet, dass der Betrieb weitergeführt werden kann.

Georg Schlegel: Home Offices sind eine effiziente Brücke zu Mitarbeitern und Franchise-Nehmern.Foto: Mike Kleinhenz

Ins Home Office führen auch die aktuellen Wege von Choice Hotels, auf Mitarbeiter-Ebene wie gegenüber den Franchise-Nehmern. "Unsere Strukturen berücksichtigen jetzt wie auch im Normalbetrieb den sinnvollen Einsatz von Home-Office und agilen Arbeitsstrukturen. Insbesondere bei Kollegen mit Kindern ist es daher in der Zentrale bereits ein eingespieltes Prozedere, das wir auch jetzt gerne unterstützen", sagt Georg Schlegel, Geschäftsführer Deutschland und Zentraleuropa. "Unsere Mitarbeiter sind eng und einheitlich in die Entscheidungen eingebunden und werden transparent informiert. Das ist auch unser Fokus: Die jeweilige Lage sachlich und transparent zu bewerten und zu kommunizieren. Auch mit den einzelnen Häusern stehen wir in engem Austausch." Auf die interne Kommunikation der einzelnen Franchise-Nehmer in ihrem Betrieb habe man als Franchisegeber nur bedingt Einfluss. Deshalb legt Choice Wert darauf, für seine Franchisees erster Ansprechpartner bei An- oder Rückfragen im aktuellen Kontext zu sein, was ein koordiniertes Vorgehen sichert.

Neu-Einstellungen auf Eis

Aktuell stellt Garry Levin von LHC allerdings fest, dass 80 Prozent aller Firmen Neueinstellungen einfrieren. Dennoch würden immer noch Fachkräfte für Schlüsselpositionen bzw. in den Bereichen Finance, Controlling, Revenue Management sowie Marketing & Sales gesucht. "In Zeiten von Krisen und Change Management wird Talent Acquisition oft vernachlässigt, aber tatsächlich ist es jetzt entscheidender denn je, um solche wirtschaftlichen Abschwünge zu überstehen." Grundsätzlich empfiehlt Garry Levin, die freigewordenen Zeitkapazitäten dringend dafür zu nutzen, "bestehende Prozesse zu hinterfragen, flexibler zu werden, um künftig auf verschiedene Situationen besser vorbereitet zu sein". Und vor allem rät er zu Mitarbeiter-Schulungen, die deren Knowhow für den Tag X nach der Krise stärken und sie nicht zuletzt in besonderer Weise an das Hotel binden.

Spontanes Schulen und Renovieren

Allen Unkenrufen zum Trotz nutzen genau das derzeit viele Privathotels in Deutschland. Als Wellnesshotel beispielsweise, weit weg von den Corona-Herden der Grossstädte, waren etliche bis zur staatlich verordneten Schliessung gut gebucht gewesen. Jetzt sind viele dabei, das Beste aus der Situation herauszuholen. Das Gräfliche Park Health & Balance Resort in Bad Driburg z.B. hat sein F&B-Team zu einem 14-tägigen Küchentraining inklusive Service-Schulung geschickt. Ansonsten arbeiten die Technik-Abteilung und die Pfleger des grossen grünen Parks rund um das Hotel wie gewohnt weiter und begleiten Renovierungsarbeiten in den Zimmern oder im Wellnessbereich. "Die Mitarbeiter, die nicht mehr arbeiten, werden zuerst Gutstunden und dann den Urlaub der Monate Januar bis April nehmen. Sollte dies nicht ausreichen, können Mitarbeiter Minusstunden in Höhe einer Wochenarbeitszeit machen. Erst danach sollte es zur Kurzarbeit kommen", informiert Geschäftsführer Volker Schwartz.

Nordic Choice Hotels bietet anderen Branchen die Unterstützung ihrer - jetzt arbeitslosen - Mitarbeiter an.Screenshot Nordic Choice

Das Hotel Die Sonne Frankenberg in Hessen setzt aktuell auf Resturlaube und Zeitkonten-Guthaben, Kurzarbeitergeld wurde beantragt. Ein Notfall-Team aus Reservierung, Veranstaltungsverkauf und Verwaltung arbeitet teilweise im Home-Office. Ein anderes aus Vertrieb, Marketing und Geschäftsleitung erarbeitet Strategien und Massnahmen für die Wiedereröffnung. Und der Sternekoch dreht Kochvideos, um im Austausch mit seinen Gästen zu Hause zu bleiben.

Asien macht Hoffnung

Frank Dopheide von der Marketing-Agentur Human Unlimited hatte zuletzt in einem Podcast an die Spitzen der Wirtschaft appelliert, in der Coronavirus-Krise nicht zu bremsen: "Bitte geht in dieser dramatischen Krisensituation nicht den Reflexen nach, greift nicht wieder in den Standard-Werkzeugkoffer, also Mitarbeiterabbau, Investitionsstopp, die Digitalisierung wird nochmal verschoben. Es gibt keine Chance, den Businessplan zu retten. Allein, der Gedanke, es zu versuchen, ist vermutlich das Falscheste, was man jetzt überhaupt tun kann."

Die Nordic Choice Hotels haben in diesem Sinne gerade eine Anzeige aufgegeben, in der sie ihre Häuser und Mitarbeiter für andere, wichtige Aufgaben zur Verfügung stellen: "Alles hat sich geändert, und im Moment haben wir einen Überschuss an Mitarbeitern, die bereit sind zu arbeiten und die irgendwo anders wichtige Arbeit leisten zu können – bevor sie nach Hause zurückkehren, wenn sich alles stabilisiert hat", heisst es darin, speziell auch mit Blick auf Lebensmittel-Lieferungen und Reinigungsarbeiten.

Nach Hause zurückkehren – Hoffnung machen CEOs wie Arne Sorenson die ersten Anzeichen einer Verbesserung in China. Die Zahl der geschlossenen Hotels in Greater China ist von über 90 Hotels vor einem Monat auf heute unter 30 gesunken, sagte er letzte Woche. Auch Garry Levin und seine Kollegen in Bangkok berufen sich auf Spezialisten, die sagen, dass Asien das Schlimmste bereits überstanden hat und die ersten wirtschaftlichen Aufschwünge im April zu sehen sein werden. / Sylvie Konzack

 

 Informationsstand: 26.3.2020

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