Schneller lernen Plane im Juni für Juli Corona treibt KI KI treibt Entscheidungen und Profit Vordenker Tom Seddon spricht auch beim HospitalityInside Think Tank
HI+

Schneller lernen: Plane im Juni für Juli

Corona treibt KI, KI treibt Entscheidungen und Profit – Vordenker Tom Seddon spricht auch beim HospitalityInside Think Tank

KI-Spezialist Tom Seddon im Home Office: 'Das Zeitfenster, das wir alle momentan zum Lernen haben, ist sehr klein.'Foto: privat

Washington. Künstliche Intelligenz muss nützlich sein. Corona hilft auch hier nach: Das Virus hat auch in diesem Feld den Hype bereits gebrochen und entlarvt Unnützes. Leider ist KI aber eher die grosse Chance für grosse Unternehmen, weniger für kleine, sagt Tom Seddon bedauernd. Er ist heute einer der globalen Vordenker von KI. Nach 22 Jahren in der Hotellerie studierte er Data Sciene. Im Gespräch mit hospitalityInside.com erläutert er, bei welchen Hotel-Aktivitäten Führungskräfte KI heranziehen sollten. Tom Seddon, CEO-in-residence der Software-Firma Foundry in Washington, wird den virtuellen HospitalityInside Think Tank am 23. Juni 2020 als Redner bereichern.

Tom Seddon begann seine Karriere 1994 bei der InterContinental Hotels Group. Nach zehn Jahren in verschiedenen Funktionen wechselte er zum Subway Franchisee Advertising Fund Trust Ltd., einem Unternehmen, das Restaurant-Dienstleistungen anbietet. Aber die Hotelbranche liess ihn nicht gehen, und Tom kehrte wieder zu IHG zurück, diesmal in seiner Rolle als Chief Marketing Officer. Dann wechselte er zu der US-Hotelgruppe Extended Stay America, ebenfalls in der Position des Chief Marketing Officer.

2016 entschied sich Tom zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er verabschiedete sich vom operativen Geschäft und studierte Informations- und Datenwissenschaften an der University of California in Berkeley – er entdeckte die Bedeutung des neuen digitalen Zeitalters und führte ihn zur Gründung von foundry.ai.

Foundry.ai ist ein Technologie-Studio, das in Partnerschaft mit den Global 2000 KI-Softwarefirmen gegründet wurde. Es konzentriert sich auf praktische Anwendungen der KI, die sofortige, messbare und wiederkehrende Verbesserungen der Unternehmensleistung bewirken. Seit 2015 hat Foundry.ai Software-Lösungen entwickelt, die sich auf bedarfsorientierte Entscheidungsfindung, Optimierung von Gesundheitsdiensten, Effektivität der Beschaffung, Effektivität der Markt-Einführung, Engagement der Benutzer für digitale Anzeigen und vieles mehr konzentrieren.

Mit einer grundlegenden KI-Infrastruktur, einem Kapital von ca. 100 Millionen Euro und ehemaligen Führungskräften grosser globaler Unternehmen in leitender Position gehört Foundry.ai heute zur Spitze beim Einsatz profitabler KI.

Tom, Du bist für mich der erste Hotel-Executive, der Data Sciene studiert hat. Was hat Dich 2016 zu diesem Schritt bewogen?

Ich habe einen Grossteil meiner Karriere damit verbracht, Wege zu finden, um Daten zum Geldverdienen zu nutzen. Aber mir wurde klar, dass ich viel von der neuesten KI-Technologie nicht tief genug verstanden hatte, um die Realität vom Hype unterscheiden zu können. Dennoch wusste ich, dass es nicht alles nur Hype war – es gab einen wirklich transformativen Mehrwert. Mir wurde bewusst, dass nicht viele Leute mit meinem Hintergrund als Führungskraft die Bereitschaft oder Fähigkeit hatten, zurückzugehen und wieder tief in die Technik einzusteigen. Also dachte ich, dass diese Kombination interessante Möglichkeiten eröffnen würde, was sie auch getan hat.

Die Technologie ist mit dem Internet in unsere Wohnzimmer eingezogen, seit einigen Jahren müssen sich Führungskräfte mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Was hat nun das Corona-Virus verändert?

Es hat bestehende Trends beschleunigt. "Remote Learning" ist ein Beispiel dafür. In einem Monat haben wir so viele Veränderungen erlebt, wie wir in fünf Jahren erwartet hätten. Corona hat viele Dinge extrem beschleunigt.

Suche nach den Benefits: Das Foundry-Büro in Washington vor Corona.Foto: Tom Seddon

Ist die aktuelle Situation auch ein Beschleuniger für KI?

Die Pandemie sorgte bisher für einen extremen Hype in der KI. Jeder wollte wissen, wie KI das Virus-Problem lösen kann. Ehrlich gesagt, 90 Prozent von den Vorschlägen und Meinungen dazu, die ich gelesen habe, sind Unsinn. In meinen Augen muss KI nützlich sein und dort ansetzen, wo sich Entscheidungsprozesse wiederholen und dazu dienen, den Profit eines Unternehmens zu erhöhen. Das ist mein Blickwinkel auf KI und die Pandemie hat meine Meinung bisher nur gestärkt.

KI-gesteuertes, automatisiertes Gemälde-Malen oder deep-fake-Videos dienen nur der Unterhaltung durch die Medien. Diese Dinge sind nicht duplizierbar, um den Menschen zu helfen.

Wie kann KI in diesen Tagen am besten helfen?

Beim schnellen Lernen. Etwas hat Corona jetzt schon stark verändert: die Erkenntnis, in der Lage sein zu müssen, um von Kurzfrist-Trends zu lernen. Leider ist das eher DIE grosse Chance für grosse Unternehmen, mehr als für kleine Unternehmen. Man denke nur an das Thema Forecast in der Hotellerie. Wie soll man unter Corona das Pricing gestalten, die Nachfrage kalkulieren, den Personaleinsatz berechnen? In der Vergangenheit konnte man sich sehr gut auf die Werte der Vergleichsmonate des Vorjahres stützen, die Muster und Trends herauslesen – man lebte ja in einer relativ stabilen Welt. Dieses Jahr nützt der Griff auf die Vorjahreszahlen vom Juni nur sehr wenig.

Und wo beginnt jetzt der Nutzen von KI?

Globale Ketten bringen es leicht auf 500 Locations, also 500 Hotels. Wenn man dann, mit dem richtigen Ansatz, eine Woche für jedes Hotel betrachtet, dann erstreckt sich mein Lernen über 500 Wochen. Nehme ich zwei Wochen, lerne ich gleichzeitig von 1.000 Wochen. Dieses kollektive Lernen ist beschleunigtes Lernen – und damit ein grosser Vorteil für grosse Ketten. Andernfalls würde jeder Hotel- oder Restaurant-Manager nur von seinem eigenen Hotel lernen, es würde mehr Zeit benötigen. In dieser Situation ist es also gut, gross zu sein. Die KI fördert momentan leider nur grosse Unternehmen. Das soll nicht heissen, dass kleinere Gruppen nicht zu den gleichen oder ähnlichen Ergebnissen kämen… Die Differenz zwischen dem intuitiven Gefühl für einen Trend und dessen Erkennen gegenüber der KI mit ihren Möglichkeiten ist sehr gross. Eine Gruppe mit 10 Hotels würde auch nur von 10 oder 20 Wochen lernen. Das Zeitfenster, das wir alle momentan zum Lernen haben, ist sehr klein. Das Motto heisst "speed up, learn faster"!

Müsste ich die 500 Locations dafür erst identifizieren?

Nein, die KI kann selbst lernen und in einem Hotel-Portfolio automatisch die Hotels findet, die sich mehr oder weniger ähneln. Das muss nicht immer über Gruppen vordefiniert werden. Die KI findet Hotels in Vorstädten oder welche nahe an Fabriken oder in der Umgebung grosser Shopping Malls. Sie erkennt Muster: die hohe Freitagsbelegung durch die Shopper, die Saison-Monate für die urbaneren Hotels oder welche Events die Hotels treiben. Es hilft Entscheidungsträgern enorm, all das gleichzeitig zu lernen respektive zu erfahren.

Eine kleinere Gruppe würde davon nur profitieren, wenn man einen Weg findet, die Information zu poolen. – Wie gesagt, das aktuelle Zeitfenster ist nur kurz: Die Geschwindigkeit spielt hier den grosse Ketten in die Hände.

Gibt es auch kleinere Aufgaben, die KI unterstützen kann?

Ja! Und das ist ebenfalls ein Trend, der sich sogar noch schneller beschleunigt hat: Bisher betrachteten viele Unternehmensführer KI nur als Mittel, um gigantische, komplizierte Dinge zu lösen. Jetzt gilt: Konkretisiert die Dinge, engt den Fokus ein! Die aktuelle Situation enthält so viele Unbekannte: Wer weiss, was die Regierungen tun werden oder wie sich das Verhalten der Menschen ändert. Das heisst, ich mache im Juni die Planung für Juli. Und dabei starte ich mit kleinen Dingen, z.B. dem Chatbot. Er muss für die Interaktion mit dem Gast nicht alles von Anfang an können. Zwei oder drei Dinge reichen. Schnell zu sein ist jetzt wichtig! Und davon sollte sich niemand ablenken lassen.

Viele Destinationen, viele Datenpunkte, schnelles Lernen: Hotelketten haben bei KI einen Vorteil.Foto:  Adobe Stock yingyaipumi

Welches Feld in der Operations hätte für Dich als ex-Hotelier derzeit Priorität?

Die Gäste-Nachfrage ist derzeit sehr wichtig. Den Trends voraus zu sein, treibt die Pricing-Entscheidungen und auch das Marketing, z.B. das Schalten von Werbung. KI kann bei dieser Entscheidungsfindung helfen.

Rund um das Thema Tiefen-Reinigung im Hotel sehe in der aktuellen Situation höchsten einen Bedarf für Technologie, die dabei hilft, Dinge wie Mindestaufenthalte zwischen Gästen zu managen, um die Verfügbarkeit von Zimmern zu optimieren. Das hat eine direkte Auswirkung auf den Profit.

Ein anderes Feld sind Verträge. Wirtschaftliche Verwerfungen haben das Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht für den Service zurückgesetzt. Beispielsweise nutzen Restaurantketten KI, um ihre 500 oder 1.000 Verträge zu überprüfen, sie neu auszuschreiben und so ihre Gewinne zu steigern. Eine Kosten-Position könnten z.B. die Abluft-Hauben sein, deren Preise inzwischen gefallen sind. Kleinere Unternehmer können das selbst tun.

Eignen sich die Daten von Loyalty-Programmen für KI?

Bei grossen Ketten schon. Man braucht nämlich Millionen von Beobachtungen, um mit KI die Kunden analysieren und einordnen zu können, bis es wirklich sinnvolle Aussagen gibt. Wenn ich nur 10 Kunden-Typen habe und diesen nur 10 verschiedene Dinge anbieten kann, hat mein Analysefeld bereits 100 Kästchen, die ich ausfüllen muss. Um daraus ein Muster zu filtern, brauche ich in jedem dieser Kästchen genügend Datenpunkte - und die Menge wächst, je mehr Variationen des Kundentyps oder des Angebots ich ins Visier nehmen möchte.

Für welche Daten-Basen eignet sich KI nicht so gut? Was ist mit Social Media und dem Hotel-Development?

Social Media-Experten analysieren die Kommentare ihrer User über semantische Analysen. Die meisten Bewertungen oder Kommentare beziehen sich nur auf ein Hotel; es bekommt vergleichsweise wenig Resonanz, vielleicht nur fünf Kommentare am Tage. Diese Volumina sind nicht geeignet für KI.

Im Development bleibe ich genauso skeptisch aufgrund meiner Erfahrung. Mit KI eine neue Location ausfindig zu machen, is extrem tricky. Die KI würde tausende von Beispielen benötigen, um zu zeigen, wie dieses Grundstück vorher ausgesehen hat und wie es künftig aussehen könnte. Ausserdem würde es die Kosten für diese Location-Suche per KI sprengen. Das ist in der gesamten Entwicklungskette nur ein geringer Kostenfaktor, und die Entscheidung über diese Location ist keine Schlüssel-Entscheidung fürs Unternehmen. Das ist übrigens nicht nur eine Diskussion in der Hotellerie, sondern auch im Retail.

Du hast anfangs gesagt, es gab in diesen schwierigen Tagen anfangs einen Hype um KI. Aus Deinen Erläuterungen höre ich aber, dass dieser Hype noch keinesfalls vorbei sein kann?

Der Boom hat seinen Peak erreicht, glaube ich. Viele sind inzwischen schon desillusioniert, weil ihnen die angeheuerten 20 KI-Experten nicht den gewünschten Mehrwert bringen konnten. Corona beschleunigt solche Überprüfungen; sie wären zwar ohnehin gekommen, aber nicht so schnell. KI ist nützlich, und momentan beschleunigt KI den Druck, Dinge zu unterlassen, die ohne Bedeutung sind.

Vielen Dank für diesen Einblick!

Interview: Maria Pütz-Willems


Tom Seddon im Programm des HITT finden Sie unter www.hitt.world.

Verwandte Artikel

Kollektives Lernen macht schneller

Kollektives Lernen macht schneller

21.5.2020

Washington. Künstliche Intelligenz muss nützlich sein. Corona hilft auch hier nach: Das Virus hat auch in diesem Feld den Hype bereits gebrochen und entlarvt Unnützes. Leider ist KI aber eher die grosse Chance für grosse Unternehmen, weniger für kleine, sagt Tom Seddon bedauernd. Der ehemalige Hotel-Executive ist einer der globalen Vordenker von KI – und wird den virtuellen HospitalityInside Think Tank am 23. Juni 2020 als Redner bereichern! Führungskräften erläutert er, wie KI zuerst Entscheidungen treibt und dann den Profit. Haben Sie sich schon für den HITT angemeldet?

Digitale Touchpoints bevorzugt

Digitale Touchpoints bevorzugt

14.5.2020

Augsburg. Die "digitalen Kontakte" werden steigen, die Kommunikation wird schneller, Apps verbinden die Welt und vermitteln Sicherheit. Wie Michael Struck, CEO Ruby Hotels, und Jens Gmiat, COO Zoku, die Welt beurteilen, die sich dank Digitalisierung gerade in Highspeed bewegt, können Sie selbst erfahren beim 3. HITT, dem HospitalityInside Think Tank, am 23. Juni – erstmals in virtueller Form. Mit einem Click sind Sie live dabei! Weshalb ist Digitalisierung JETZT, mitten in der Corona-Krise, das Top-Thema? Michael und Jens liefern Appetit-Häppchen...

Digitalisierung auf virtuelle Weise

Digitalisierung auf virtuelle Weise

30.4.2020

Augsburg. Geschafft! Das Programm für den 3. HospitalityInside Think Tank ist jetzt dem 1. virtuellen Format dieses Events angepasst. Das komplette Programm für den 23. Juni finden Sie hier online – und Sie können ab heute auch buchen! Das englischsprachige Event als Digital-Edition erlaubt es somit auch Neugierigen aus dem nicht-deutschsprachigen Raum teilzunehmen. Sie alle erwartet eine wohl-orchestrierte Digital-Konferenz mit der bewährten Moderation von Tim Davis aus London. Das Wort Corona finden Sie nicht im Programm, aber die Impulsgeber und ihre Themen werden darauf eingehen. Schliesslich gehen wir in Highspeed "new norms" entgegen: in den Operating-Modellen etablierter und junger Ketten, in der personalisierten Customer Journey und in der Generierung einer massgeschneiderten Service-Qualität. Viel davon ist vermutlich gesteuert von KI, Künstlicher Intelligenz.

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.17.79.60","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.17.79.60","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1