Schwierige Wende schneller Boom ITB Hospitality Day Talk über Iran Griechenland Georgien und Russland

Schwierige Wende, schneller Boom

ITB Hospitality Day Talk über Iran, Griechenland, Georgien und Russland

Griechenland: Trotz schwieriger Bedingungen holt das Land touristisch jetzt schnell auf. Resort-Gruppen wie Ikos investieren in die Zukunft. 

Berlin. Wenn Conrad Hilton die entscheidenden Kriterien eines Hotels mit "Lage, Lage, Lage" bezeichnete, dann hatte er eines dabei nicht berücksichtigt: Immobilien sind oft beständiger als die politische und gesellschaftliche Lage der Staaten, in denen sie errichtet wurden. So könnte man den Hintergrund abbilden, vor dem während des "ITB Hospitality Day" über "Glückskinder & Pechvögel" diskutiert wurde. Hotel-CEOs und Touristik-Experten aus Iran, Griechenland, Georgien und Russland sprachen dabei über die mögliche Hotel-Performance in guten und schlechten Zeiten. Wobei dramatisch schlechte Zeiten, die durch Kriege oder Sanktionen verursacht werden, schon das künftige Glück in sich tragen: Denn es kann nur besser werden.

So international wie das von Sinsa Topalovic, Managing Partner Horwath HTL Zagreb, geleitete Podium war, waren auch die vier Tourismus-Destinationen Russland, Georgien, Iran und Griechenland. Jede Destination weist einen unterschiedlichen Krisenstatus auf – und damit greifbare oder auch nur am Horizont aufflackernde Chancen, die bekanntlich jeder Krise inne wohnen.

"Griechenland hat sich sehr schnell wieder erholt. Zumindest wer sich auf internationalen Tourismus konzentriert hat, konnte vom etwa neunprozentigen Gäste-Plus profitieren", sagte Topalovic. Noch mangelt es eben an Geschäftsreisenden. Der Binnentourismus war deshalb um zwei Drittel eingebrochen. Vor diesem Hintergrund sei die Investitionsbereitschaft in Hotel-Betten bis 2020 noch als verhalten zu prognostizieren.

Gespannt hören die Experten der Einführung von Moderator Sinisa Topalovic am 'ITB Hospitality Day' 2017 zu.Fotos: HI

Die Basis des Zuwachses relativierte Dr. Aris Ikkos, Research Director des griechischen Tourismusverbands Insete. Natürlich habe sich besonders Athen nach der Krise wieder bestens erholt. Doch davor seien Griechenlands Tourismus-Ausgaben von 3,8 auf 1,2 Milliarden Euro zurückgegangen. Erst Hotel-Eröffnungen von Wyndham und Electra in Athen seien Anzeichen für eine Wende.

Griechenland schafft die Wende

"Wenn der 'Grexit' vom Tisch ist, dann wird sich die Situation schnell verbessern," sagte Ikkos. Den Statistiken von Institutionen wie Horwath HTL vertraut Ikkos weniger. Viele Investitionen würden im griechischen Privatmarkt ausserhalb der internationalen Wahrnehmung geschehen. "Unsere Zahlen zeigen für 2016 ein Investitionsvolumen, inklusive Renovierungen, von 800 Millionen Euro", ergänzte Ikkos. Das sei eine starke Zahl, die durch positive Botschaften für 2017 noch unterstrichen werde. Zu diesen erfreulichen Perspektiven zählte Ikkos u.a. die Rückkehr der für Griechenland sehr wichtigen US-Kunden.

In Folge erinnerte er aber nochmals an den Start ins Jahr 2016: mit Finanzproblemen und Flüchtlingskolonnen, die besonders Inseln wie Kos und Lesbos massive Rückgänge von 10 bis 15 Prozent gebracht hatten. Dass es danach trotzdem ein Rekordjahr für Reisen nach Griechenland wurde, sei nur die halbe Wahrheit. "Die Einnahmen gingen massiv zurück, denn es wurden, auch auf Veranstalter-Druck, Sparpreise geschaffen. Dabei war die Belegung sehr gut."

Dr Aris Ikkos: Investoren und Betreiber finden zurück nach Griechenland.

Als Hauptproblem für die Zukunft nannte Ikkos "finanzielle Unwägbarkeiten", doch für die Hotellerie ist es vor allem der extrem hohe Mehrwertsteuersatz auf den Inseln: "Hätten wir den Satz von Zypern, läge der Break Even um 16 Prozent niedriger."

Georgien boomt und investiert

Weniger Zweifel gibt es am bemerkenswerten Aufschwung Georgiens. Die einwohnerschwache Kaukasus-Republik zählt zu den Ländern mit dem stärksten Zuwachs an internationalen Reisenden in den vergangenen acht Jahren. 80 Prozent aller Ankünfte werden von Touristen und Geschäftsreisenden aus dem Ausland produziert. "Neben Strand und Business sollen neue Produkte weitere Gäste-Schichten ansprechen", führte George Chogovadze, Leiter der Tourismuswerbung des ehemaligen GUS-Staates, die Segmente Städte-, Wein- und Ski-Tourismus an. Vor allem die Ski-Infrastruktur werde entwickelt. Als Investitionsvolumen bis 2020 nannte Topalovic 300 Millionen US-Dollar. Das wäre fast 50 Prozent mehr als in Griechenland.

Chogovadze berichtete, dass es nicht mehr lange nur drei internationale Hotel-Ketten im Lande geben wird: Mehr Marken möchten in Georgien aktiv werden. InterContinental sei nur eine Kette z.B.. "Wir haben aber auch georgische Hotel-Marken und die Regierung investiert viel. Private Anleger ziehen mit, denn über drei Milliarden US-Dollar sollen in den nächsten Jahren in die Infrastruktur investiert werden. Der Gäste-Zuwachs von Januar 2017 solle keine Eintagsfliege werden. Dabei spielen vier grosse Ski-Regionen eine wichtige Rolle. Allein dort würden aktuell in infrastrukturelle Megaprojekte rund 150 Millionen US-Dollar investiert werden.

George Chogovadze: Die georgische Regierung lockt mit Incentives.

Stärkste Quellmärkte seien die Nachbarländer Russland und Türkei. Aus Deutschland sei dank dreier neuer Flug-Verbindungen mit Wizz Air starkes Wachstum möglich. Auch Hotel-Ketten lockt das Land: Kooperiert eine internationale Hotel-Management-Gesellschaft mit einem lokalen Investor, dann zahlt der Staat die Management Fees der ersten drei Jahre zu 50%, konkretisierte Chogovadze. Was Omer Z. Kaddouri, CEO der arabischen Rotana Hotels, auf der Bühne zum spontanen Einwurf "Wir möchten unterschreiben" animierte.

Zukunftsmarkt Iran

Sonst beschäftigte sich der Chef der in Abu Dhabi beheimateten Hotel-Kette Rotana schon früh mit dem künftigen Markt Iran, für den er bereits die ersten Hotel-Verträge unterschrieben hat: "Dort gab es seit 40 Jahren keine Hotel-Entwicklung mehr, das macht ihn besonders wertvoll für uns." Auch in den Jahren des internationalen Boykotts, konkret seit 2011, sei man schon aktiv geworden. "Inzwischen haben wir sechs Management-Vereinbarungen geschlossen."

Die Chance, in einem Zukunftsmarkt präsent zu sein, würden inzwischen auch Konzerne wie AccorHotels oder Meliá ergreifen, denn der 80 Millionen Einwohner zählende Staat verfüge bisher nur über 1.300 Hotels. Aktuell sei das Investitionsklima im Iran nach dem Aufheben der Sanktionen sehr positiv. Doch jeder neue Verdacht, das Regime bastle weiterhin an seiner atomaren Bewaffnung, könnte diese ökonomischen Hoffnungen rasch wieder zunichte machen. Zuletzt verzeichnete der Iran einen Anstieg an internationalen Reisen um 12 Prozent. Investiert würde dabei oft partnerschaftlich: Lokale Grundstücks-Eigentümer würden sich in Hotelerrichtungs-Gesellschaften einbringen.

Ob die bisher wenigen Hotels im Iran erfolgreich laufen, könne mangels Statistik nicht gesagt werden. Doch zumindest in Teheran sei die Belegung in den vergangenen Jahren von 52 auf 80% gestiegen. "Nach dem Ende der EU-Sanktionen werden bald 90% erreicht sein", betonte Kaddouri. Wobei die Preise aber nicht vom freien Markt, sondern von der Regierung gemacht werden, ergänzte er.

Russen beleben eigenen Markt

Omer Kaddouri: Ein Freund Irans mit den ersten Verträgen.

Die Sanktionen gegen Russland nach der Krim-Besetzung waren weniger weitreichend als die gegen den Iran. Für den mit Russland familiär verbundenen Manager Walter C. Neumann, CEO der russischen Azimut Hotels, sei der Tiefststand ohnehin überwunden: "Es war schon schlimmer, es gibt Anzeichen für eine Rückkehr der Reiseströme nach Russland." Nach dem ersten Sanktionsschock 2014 gebe es nun greifbar günstigere Rahmenbedingungen: "Russland kann man sich nun leisten." War Moskau 2014 unter den zehn teuersten Städten der Welt, lag die russische Hauptstadt 2015 an 48. Stelle, 2016 war sie gar nicht mehr in diesem Ranking gelistet.

"Das Leiden unter den Sanktionen ist vorüber. Unsere Belegungsrate erreicht wieder 75 bis 80%, so wie früher." Azimut setzt vor diesem Hintergrund auf Expansion. "Wir eröffnen in wenigen Wochen weitere 300 Zimmer." Natürlich warte man für eine intensivere Investitionstätigkeit noch auf klare Zeichen aus Washington. "Wenn sich die westlichen Märkte wieder für Russland begeistern, wird alles auf Rosen gebettet."

Horwath HTL erwartet konkret drei Milliarden US-Dollar an in- und ausländischen Tourismus-Investitionen in Russland. Wobei Neumann aktuell Sportevents als grösste Investitionschance Russlands betrachtet. Allein die beiden grossen Fussball-Turniere der nächsten Jahre würden 2.000 bis 3.000 Hotelzimmer der 2- und 3 Sterne-Hotellerie nach sich ziehen.

Walter Neumann: Das Leiden in Russland ist vorbei.

Während in Westeuropa die Olympischen Winterspiele in Sotchi 2014 als Musterbeispiel von Grössenwahn gelten, sieht das der Azimut-Boss anders. Sotchi sei – gerade vor dem Hintergrund des schwächelnden Rubel und der Sanktionen – zu einem Publikumsmagnet geworden. Die 30.000 Betten seien seit dem Vorjahr bestens ausgelastet gewesen. Sowohl im Winter wie im Sommer, wo sich bisherige Türkei- und Ägypten-Urlauber an der heimischen Schwarzmeer-Küste tummelten: "Wir haben 2.880 Zimmer in einem der Hotels. 2016 konnten wir dort unseren Umsatz um 120% steigern."

Für derartige Umsatzsprünge braucht man natürlich ein wenig Glück, spielte Neumann auf das ursprüngliche Diskussionsthema an. Eine Analyse des Reiseverhaltens der Russen weise auf einen intensiveren Binnentourismus hin. Wer es sich leisten konnte, hat seit dem Ende des vorigen Jahrtausends die Welt bereist. Die politische Entwicklung verleite nun dazu, sich mehr im riesigen Heimatstaat zu bewegen. Investments in Hotels abseits der Metropole seien da bestimmt kein Fehler. "Es gibt in diesem Riesenland nur 120 Hotels mit westlichem Standard", weiss Neumann. Allein für eine Konferenz in Ufa seien mehrere Hotels errichtet worden.

Auch der Baikalsee und Kaukasus seien Regionen mit grossem Potenzial. Kaum aufs Glück vertrauen müssen Investoren in der pazifischen Hafenstadt Wladiwostok, weil dort chinesische und japanische Touristen ihr Glück suchen: Die Glücksspiel-Lizenz der Stadt in Verbindung mit einem Visum für neun Tage sorgt für stabile Besucherströme. / Fred Fettner

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