Selbst der kleinste Anfang ist ein grosser Sustainable Hospitality Alliance ruft Hoteliers an der ITB zum Anpacken auf

Selbst der kleinste Anfang ist ein grosser

Sustainable Hospitality Alliance ruft Hoteliers an der ITB zum "Anpacken" auf

Die Nachhaltigkeitsziele sind ambitioniert, die Umsetzung gelingt nur gemeinsam. Foto: grant ritchie unsplash

Berlin. "We are a force for Good": Mit diesen Worten appellierte Wolfgang M. Neumann, Chairman der Sustainable Hospitality Alliance, an der ITB letzte Woche an alle Kollegen in Hotellerie und Tourismus, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Ein Kreis aus CEOs – darunter Sébastien Bazin von Accor – machte, wie selten, der Branche Mut, auch nur mit Kleinigkeiten anzufangen. Jeder Schritt ist wertvoll und setzt eine Kette in Gang.

Für die Menschheit stelle ein fehlgeschlagener Klimawandel das grösste Risiko der nächsten zehn Jahre dar, zitierte Neumann aus dem "Global Risks Report" des World Economic Forum 2022. Deshalb ist jeder gefordert, Einzelpersonen wie Unternehmen. Auch der kleinste Schritt ist ein wertvoller Anfang, motivierte der SHA-Chairman die noch Zögerlichen. "Nachhaltigkeit schafft Werte", ist der ehemalige Hotelier und CEO grosser Hotelgruppen selbst fest überzeugt: Durch die Umsetzung der ESG-Ziele würden 300 Millionen Jobs neu entstehen und 12 Trillionen US-Dollar an Marktchancen. "Es geht aber nicht ohne Partnerschaften über alle Ebenen hinweg", machte er klar. So zieht sich ein nachhaltiges Hotel-Engagement bis in die Communities und Destinationen…

In einer 45minütigen Diskussion unter dem Tittel "How to Walk the Talk" an der digitalen ITB vor zwei Wochen bekannten sich CEOs dazu, dass sie selbst nur kleine Schritte machen können – diese aber sehr wertvoll sind.

Der Schlüssel sind die Mitarbeiter

Europas grösste Hotelkette will ihren CO2-Ausstoss bis 2030 um 46% reduzieren, griff Accor-CEO Sébastien Bazin den Faden auf und formulierte gleich das grosse, übergeordnete Ziel. Den Nachhaltigkeits-Spirit im Unternehmen weiterzutragen, funktioniert für ihn nur über Methodologie. Das fängt an mit der Erkenntnis, dass ein Pullman in Paris wenig gemein hat mit einem Pulman in Sri Lanka, wenn es um Emissionen geht. "Deshalb übergebe ich die Schlüssel dazu dem General Manager und sitze dann mit den Eigentümern zusammen, denn wir reden über Kosten. Aber bleiben Sie selbst bei der Sache, steigen Sie nicht ein in das Thema und wieder aus, sondern stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter stolz darauf sind, ein Viertel des Wasser-Verbrauchs eingespart zu haben".  

Diese vier Stufen führen zum Ziel: Die Unternehmen starten mit einzelnen Aktivitäten, entwickeln daraus gezielte Umwelt-Aktionen, erreichen das Ziel von null Emissionen und wirken letztlich positiv auf den Planeten ein.Grafik: SHA 

Accor eröffnet fast jeden Tag ein neues Hotel – was die Umsetzung von Nachhaltigkeit auf gleichem Level nicht einfacher macht. Seit der COP26 Konferenz in Glasgow steht für Bazin fest: "Wir müssen weg von der Kompensation und hin zur positiven Contribution!" 100 nachhaltige Hotels könnten mehr Gewinn abwerfen als 250 traditionelle… "Ich habe kein Problem damit, einige Pipeline-Projekte zu opfern, um die Werte des Unternehmens zu erhalten. Andernfalls würde ich mich selbst belügen. In den letzten 15 Jahren hat sich der Mindset einfach geändert."

Diese Erkenntnis setzt sich durch und das auch noch in extremer Dynamik, hat Bazin selbst festgestellt: Vor vier Jahren verliefen seine Gespräche mit Investoren aus dem Mittleren Osten noch enttäuschend, inzwischen gehören sie für ihn zu den Leadern in Sachen Nachhaltigkeit.

Investoren lassen sich überzeugen

Glaubt der Eigentümer nicht an Nachhaltigkeit, wird es künftig keine nachhaltigen Hotels geben. Diese Lektion lernen Hotel-Betreiber inzwischen täglich. Nakul Anand, CEO der indischen Luxushotel-Gruppe ITC Hotels, sieht sich schon länger durch die Muttergesellschaft ITC konfrontiert mit Nachhaltigkeit: Sie ist eines der wenigen Mega-Unternehmen, das in den Bereichen Kohlenstoff, Wasser und Abfallrecycling positiv abschneidet. Seine Hotel-Investoren überzeugt er durch Zertifizierungen. "Diese sind wichtig", sagte er, aber die Gespräche mit den Eigentümern seien "harte Arbeit"! Inzwischen hat ITC-Hotels es geschafft, 99% seines Abfalls zu recycln, über die Hälfte der Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen und vermutlich schon vor 2030 die Emissionsziele erreicht zu haben.

Auch Marloes Knippenberg, CEO von Kerten Hospitality mit Sitz in Dubai, einem kreativen Betreiber von Mixed Use Boutique-Brands, zeigte sich überzeugt, dass nachhaltiger Erfolg nur aus persönlicher Überzeugung der Unternehmensspitze kommt und vor allem, dass der ESG-Ansatz exakt das Gegenteil bisherigen Denkens ist: Man geht nicht global und pauschal vor, sondern klein und lokal. Ihr gefällt der Gedanke, über Wege zu "Net Positive" nachzudenken anstatt über Wege, die bei "Net Zero" enden.

"Ich würde es gerne sehen, dass überall auf der Welt die Kreislaufwirtschaft verpflichtend wird. Das wäre ein echter Game Changer", mahnt Dirk Bakker an. Portugal macht es bereits – verpflichtend – vor. Der CEO der Beratungsgesellschaft Colliers Netherlands & Head of Hotels für EMEA betont: Owner wie Operator sind Teil der Wertschöpfungskette. "Es geht um Mentalität," pflichtet er bei. "Wenn wir ESG und den Wandel nicht leben, wird es nicht funktionieren."

Der "local touch" bestimmt alles

Net Positive heisst für Bazin: Was tun wir für die Einheimischen? Für sie müssen sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern, sagt er mit Blick auf das "S" für Social in ESG. Schliesslich ist der Tourismus einer der grössten Arbeitgeber der Welt und bietet durch die Vielfalt seiner Jobs wie kaum eine andere Branche die Chance, Leute aus der Armut zu holen.

Doch er warnt gleichzeitig auch seine Kollegen davor, die Gäste nicht zu hintergehen. "Sie sehen unsere Webseiten und sie halten unsere Wirklichkeit mit ihren Smartphones fest, auch die letzte Plastik-Wasserflasche". Für Dirk Bakker ist das eine Riesenchance: "Hotelketten haben ein enormes Potential, um über die Gäste die Welt mit zu erziehen". Alle in dieser Runde waren sich einig: Wir können die Welt nicht verändern, aber den Wandel beeinflussen.

Collage: SHA 

Kollaborieren im Mikro-Kosmos

Solche Diskussionen erlebt Wolfgang Neumann auch in der Sustainable Hospitality Alliance. Der Kooperation gehören inzwischen 16 Hotelgruppen mit 30.000 Hotels und 4,5 Millionen Zimmern an. Kerten Hospitality aus dem Emiraten und Arabella Hospitality aus München sind kürzlich erst dazu gestossen. Im Herbst 2021 stellte die SHA ihre Initiative "Pathway to Net Positive Hospitality" vor und begann gleichzeitig damit, Partner aus Immobilien-, Beratungs- und Nachhaltigkeits-fokussierten Partner-Unternehmen mit ins Boot zu holen.

Zu den ersten Mitgliedern zählten EY, Colliers International und Drees & Sommer. Hinzu gesellt haben sich inzwischen die Union Investment und das Marktforschungsunternehmen BVA-BDRC. Dieser bunte Kreis wirkt befruchtend: Es spiegelt jetzt schon – gemeinsam mit den Hotelketten als SHA-Mitglieder – einen Teil der Wertschöpfungskette, die Betreiber, Investoren, Asset-Eigentümer, Entwickler wie andere Immobilien-Experten einschliessen muss.

Pro-aktiv oder reaktiv?

Im Gespräch mit hospitalityInside.com fasst Wolfgang Neumann als Chairman der SHA aus den Meetings dieser verschiedenen Parteien zusammen: Alle sind sich einig, dass in Krisenzeiten wie diesen ursprünglich ambitionierte Pläne angepasst – verlangsamt – werden müssen. "Aber alles spricht für Nachhaltigkeit und Erfolg – die Unternehmen müssen sich nur entscheiden, ob sie sich pro-aktiv oder reaktiv verhalten möchten."

Das aber sei nie ein Problem, wenn die Nachhaltigkeitsziele der UN Teil der Unternehmenswerte und -kultur bleiben. "Es ist inzwischen vieles erwiesen oder sehr plausibel geworden", resümiert Neumann mit Blick auf verschiedene Stakeholder und Zielgruppen: Sogenannte "purpose-driven" Unternehmen werden langfristig erfolgreicher sein; motivierte Mitarbeiter werden ebenfalls zum Erfolgsfaktor, weil sie ihre persönliche Energie aus dem Momentum heraus aufsaugen; die Konsumenten/Gäste leiten durch ihr Nachfrage-Verhalten zur Kehrtwende mit bei; Firmenkunden forcieren Veränderungen über ihre RFPs und die Wertsteigerungen "grüner" Immobilien lassen sich bereits in Excel-Tabellen nachvollziehen.

Wolfgang Neumann: "Die Frage ist nicht mehr, ob ich es mir leisten kann, nachhaltig zu agieren – sondern, ob ich es mir leisten kann, nicht mehr nachhaltig zu agieren". / Maria Pütz-Willems

Hinweis: Die gesamte ITB-Diskussion "How to Walk the Talk" ist auf YouTube aufgezeichnet.  

 

DISKUTIEREN SIE WEITER BEIM 5. HOSPITALITYINSIDE THINK TANK 
AM 27./28. Juni 2022 in Berlin unter dem Titel 
"Embrace ESG for people, planet and prosperity."

Auf einem solar-betriebenen Schiff in Berlin, einem "floating forum" der besonderen Art. Im selektierten, limitierten Kreis auf C-Level, mit hochkarätigen Impulsgebern und Sponsoren, die Content schätzen und Content beitragen!

www.hitt.world   
 

 

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