Stay safe always care ITB Hospitality Day Talk über die Rolle der Hoteliers in Sachen Sicherheit

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ITB Hospitality Day Talk über die Rolle der Hoteliers in Sachen Sicherheit

So wirkte die ITB-Diskussion über Sicherheit live auf die Zeichnerin Anne Lehmann: „Graphic Recording“ nennen das die Fachleute.alle Fotos: HI

Berlin. So merkwürdig es nach den jüngsten Terror-Anschlägen in London auch erscheinen mag: Viele Experten, einschliesslich des renommierten, gerade verstorbenen Wissenschaftlers Hans Rosling, beharren darauf, dass die Welt, rein statistisch gesehen, niemals sicherer war als heute. Gleichwohl existiert ein reales Risiko – in Europa und auch überall sonst auf der Welt. Sollte man deswegen aufhören zu reisen? "Nein" war die Antwort eines hochkarätigen Expertenteams am "ITB Hospitality Day" zum Thema Sicherheit. Zu den Themen der Runde, die von Prof. Stephan Gerhard, CEO der Solutions Holding, moderiert wurde, gehörten u.a.: Resilienz, wie Hotels sich besser für den Ernstfall wappnen können, wer die Kosten für mehr Sicherheit tragen sollte und wie die Branche vom Teilen von Erfolgsmodellen profitieren könnte. Alle vier Fachleute waren sich einig: Das Thema Sicherheit darf nicht länger ein Tabu sein.

Sicherheit beim Reisen ist ein Trendthema geworden. Wie Städte, Hotelgruppen und andere Branchen sich vorbereiten, um Terror-Attacken, Umwelt-Verschmutzung, Natur-Katastrophen oder Hacker-Angriffen im Internet zu begegnen – dies ist die Frage, die Touristen heute stellen und auf die sie eine klare Antwort erwarten. Wie können Hoteliers reagieren und das Vertrauen in die Hospitality-Branche erhalten? Einige engagieren sich sehr, andere tun gerade das Notwendigste. Aber reicht das in der heutigen Zeit aus?

Nicht wirklich, glaubt man den vier Experten, die an diesem Tag auf dem Podium diskutierten. Zu ihnen gehörte Sébastien Maire, Chief Resilience Officer City von Paris. Er glaubt, dass der einzelne Hotelier wenig erreichen kann: "Sie werden nicht erfolgreich sein, wenn sie isoliert bleiben und jeder für sich allein kämpft. Unser Ansatz ist globaler. Das Ziel ist, die ganze Stadt vorzubereiten, einschliesslich der Bevölkerung, NGOs, Stadtverwaltung, Privat-Unternehmen wie Hotels usw., damit sie Schocks wie Terror, Hitzewellen, Flut-Katastrophen und Pandemien und chronischem Stress durch Klimawandel, Umwelt-Verschmutzung und einem Mangel an sozialem Zusammenhalt integrativer und ganzheitlicher begegnen können." Die Bedeutung von Teamwork und Netzwerken betonte auch Paul Moxness, Vice President Corporate Safety & Security von Carlson Rezidor Worldwide: "Als Hotel oder anderer Player in dem Bereich muss man seinen Teil dazu betragen, in der Branche und auch im lokalen öffentlichen Leben", bestätigte er.

Üben für die Katastrophe

Gerhard Struger, Regional Vice President Turkey & Eastern Europe bei FRHI lebt seit vielen Jahren in Istanbul und weiss genau, wie man mit Menschen vor Ort und Hotelierskollegen eng zusammenarbeitet. Und das aus gutem Grund. Er leitete 1999 ein Hotel in Istanbul, als das stärkste Erdbeben in der türkischen Geschichte das Land erschütterte und Menschenleben und Gebäude zerstörte: "Unser Haus war nach japanischen Konstruktionsstandards errichtet worden und hielt dem Beben sehr wohl stand. Hunderte von Menschen fanden bei uns Zuflucht, ohne dass wir darauf vorbereitet gewesen wären. Damals war unser Security Department mehr auf Anschläge ausgerichtet, da die Unabhängigkeitsbewegung PKK zu dieser Zeit sehr aktiv war. Gemeinsam mit Partnern entwickelten wir damals einen Schutzplan, um Menschen weitergehender auf Katastrophen vorzubereiten."

Moderator Prof. Stephan Gerhard und die Experten Sébastien Maire von der Stadt Paris, Paul Moxness von Carlson Rezidor, Gerhard Struger vom Swissôtel Istanbul und Georges-Pierre Cladogenis von Carlson Wagonlit.

Auch Georges-Pierre Cladogenis, Global Product Manager Safety & Security bei Carlson Wagonlit Travel, meinte, die Zusammenarbeit des privaten und öffentlichen Sektors sei entscheidend, um die Öffentlichkeit ausreichend zu informieren: "Viele Informationen gehen an Privat-Unternehmen, weniger an Touristen. Für Reisende ist es höchst bedeutsam, Zugang zu gesicherten Informationen zu bekommen, wenn sie im Ausland sind und mit Terror-Anschlägen, medizinischen Notfällen oder anderen Zwischenfällen, die Sicherheitsrisiken mit sich bringen können, konfrontiert werden."

Wandel in der Firmenpolitik

Auf die tragischen Ereignisse der vergangenen Jahre hat es eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Reaktionen gegeben. Im Geschäftsreise-Sektor kam es zu einer Art Weckruf. Travel Management-Unternehmen müssen jetzt mehr als bisher dafür tun, ihre Kunden zu beruhigen. "Das Thema kommt auf den Tisch, weil Unternehmen ihre reisenden Mitarbeiter in erster Linie als Assets sehen, die geschützt werden müssen", erklärte Georges-Pierre Cladogenis. "Firmen übernehmen soziale Verantwortung, das heisst, dass sie für die Sicherheit ihrer Angestellten sorgen. Geschäftsreisende erwarten das. Für viele Firmen hat sich die Fragestellung verschoben, von 'Müssen wir wirklich etwas in Sachen Sicherheit tun und was wird das kosten' hin zu 'Was bringt uns vorwärts und wie integrieren wir die Erfolgsmodelle in unser Geschäft, obwohl die Kosten hoch sind?' "

Sébastien Maire: Der einzelne Hotelier kann in der Krise wenig ausrichten.   

Mehr Sicherheit hat ihren Preis. Wer aber soll diesen zahlen? "Das hängt wohl immer von den Verträgen ab", so Gerhard Struger. "Eine Management-Gesellschaft besitzt keine Assets oder Eigentumsanteile, also ist sie auch nicht verantwortlich. Meiner Ansicht nach muss der Eigentümer zahlen. Im Pacht-Fall kommt der Pächter für die Kosten auf. Wer auch immer es tut – es liegt im Interesse aller, vorbereitet zu sein. In unserem Fall in der Türkei, wo wir acht Hotels betreiben, hatten wir beim Bau jedes Hauses die Sicherheit im Hinterkopf." Paul Moxness bestätigte: "Es ist wahr, wir schreiten heute früher ein, häufig schon in der Bauphase." Alle einigten sich darauf, dass Menschen darauf vorbereitet sein müssen, mehr für Sicherheit auszugeben – einschliesslich der Gäste.

Ende des Tabus

Wie können Hoteliers die Sicherheit verbessern? "Als erstes muss die Branche das Thema enttabuisieren", meinte Paul Moxness. "Wir müssen das Risiko anerkennen und sagen: Okay, eigentlich ist das nicht unser Ding, aber jetzt gehört es zu unserem Geschäft dazu, weil das Thema Sicherheit jeden Menschen in einem Hotel betrifft." Man müsse heute mit Vorfällen anders umgehen als in der Vergangenheit. "Früher konnte man einen Vorfall geheim halten, heute kommt alles in den Livestream und wird in Windeseile getwittert. Deswegen müssen wir uns stärker auf die Prävention fokussieren, aber wir müssen auch offen darüber reden. Schlimme Dinge können passieren, aber je mehr Sie reden und mitteilen, desto besser vorbereitet sind Sie."

Gerhard Struger: Sicherheit vor Terror und Katastrophen muss schon beim Bau beginnen.

Das Thema Sicherheit beim Reisen sei komplex, aber es könne viel unternommen werden, um die Lage zu verbessern, ergänzte Georges-Pierre Cladogenis. "Den Anfang macht Prävention, die auf Wissen aufbaut. Reisende müssen vorbereitet werden. Unternehmen wie das unsere helfen Firmen und ihren Angestellten, die richtigen Informationen dann zu bekommen, wenn sie sie brauchen. Das Problem mit Hoteliers ist, dass sie nicht wie Airlines Standard-Vereinbarungen haben. In der Hospitality-Branche steht jede Marke, jedes Land, jede Stadt für sich selbst. Das ändert sich gerade, langsam zwar, aber stetig."

Nachdem die International Hotel & Restaurant Association ihre Beratungen eingestellt hatte, traten einige Gruppen dem Overseas Security Advisory Council bei, der vom US State Department gefördert wird und amerikanischen Unternehmen dabei hilft, im Ausland sicher zu operieren. Die meisten der Top Ten-Hotelketten arbeiten heute eng zusammen, um ihre Best Practices zu teilen. "Wenn ein Vorfall wie in Paris passiert, wirkt sich das nicht nur auf eine, sondern auf alle Marken aus. Wir müssen enger zusammenarbeiten, weil es nicht darum geht, das sicherste Hotel zu haben, sondern darum zu kooperieren, um Reisen für jeden sicher zu machen."

Besucher-Rückgang betrifft alle

Georges-Pierre Cladogenis: Heute ist der Reisende das Asset.

Zwar ist es zu früh, die Folgen des jüngsten Londoner Anschlags in Zahlen zu fassen, doch konnte Sébastien Maire einige Zahlen bezüglich Paris nach dem Terroranschlag nennen. "In psychologischer Hinsicht standen die Menschen unter Schock. Die Form der Berichterstattung durch die internationalen Medien hielt die Menschen von Paris fern, besonders die Amerikaner und Asiaten. Als Folge verlor die Stadt zwei Millionen Besucher. Die Konsequenzen waren immens, wir sprechen von einem Verlust von einigen Milliarden Euro. Eine gewaltige Zahl, auch wenn man bedenkt, dass allein in Paris 13 Prozent aller Beschäftigten im Tourismus arbeiten."

Der Resilience Officer plädierte für gemeinsame Anstrengungen und Investitionen. "Wenn weniger Besucher kommen, bedeutet das weniger Einnahmen für Hotels und geringere Abgaben an die Stadt. Es liegt in unser aller Interesse, zusammenzuarbeiten", stellte er fest.

Teilt man Praxis-Beispiele, ist dies hilfreich, ebenso wie die Nutzung von Technik. "Es gibt derzeit keine Möglichkeit für Nutzer, sich über sichere und unsichere Orte zu informieren. In technologischer Hinsicht kann hier etwas getan werden und es besteht auch ein Bedarf bei unseren Kunden", erläuterte Georges-Pierre Cladogenis, dessen Unternehmen eng mit Partnern daran arbeitet, Sicherheitsinformationen für jede erdenkliche Destination für Geschäftsreisende zugänglich zu machen, sei es über eine Mobile App oder auf anderen Wegen.

Paul Moxness: Reden Sie, teilen Sie Informationen – umso besser sind alle vorbreitet.

Reisen heute sicherer

"Inzwischen habe ich viele Jahre in Istanbul gelebt und ich habe meinen Lifestyle nach den Anschlägen im letzten Dezember nicht geändert. Am Ende des Tages gilt doch: Es kann überall passieren. Es ist nicht unsicher, nach Istanbul oder in die Türkei zu reisen, man muss nur seinen gesunden Menschenverstand gebrauchen", sagte Gerhard Struger. Seiner Ansicht nach sind viele Hoteliers in der Türkei gut auf Terror-Anschläge und Natur-Katastrophen vorbereitet. Laut Struger dauert es 24 Monate, bis die Menschen einen Anschlag "vergessen" haben. Das Problem ist, dass Anschläge immer wieder und überall vorkommen.

"Reisen wird wahrscheinlich immer sicherer", urteilte Paul Moxness und wies darauf hin, dass sich schon immer dramatische Vorfälle ereignet haben, dass es aber früher die Social Media noch nicht gegeben habe. Auch Sébastien Maire hält Reisen heute für sicherer als noch von zehn, 20 Jahren. "Menschen verhalten sich nach einem Terroranschlag nicht rational. Wir müssen Massnahmen entwickeln, die Sicherheit wahrnehmbar machen, weil die Leute das verlangen – Videoüberwachung etwa oder Polizeipräsenz auf den Strassen. Dann sind die Menschen beruhigt. Im Vergleich zu Terror-Anschlägen sind die Folgen der Umwelt-Verschmutzung im Raum Paris mit mehreren tausend Todesfällen jährlich viel dramatischer, doch dieses Risiko halten die Menschen für akzeptabel. Es ist alles eine Frage der Wahrnehmung." - Paul Moxness unterschreibt seine eMails immer mit "Stay safe, always care." / Sarah Douag

Hier geht's zum Video dieser Talkrunde in voller Länge!

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