Talent Akquise ist Sales nicht HR HITT Post Event zu Recruitment und über die Fehler der Arbeitgeber

Talent-Akquise ist Sales, nicht HR

HITT Post-Event zu Recruitment und über die Fehler der Arbeitgeber

8 Millionen Arbeitnehmer vs. 13 Millionen Rentner – 2034 tobt offenbar der 'War of Talent'.Foto: Ernie Journeys Unsplash

Berlin/Augsburg. Finden manche Unternehmen keine Mitarbeiter, weil ihre CEOs der Talent-Akquise keine Priorität einräumen? Weil sie immer noch nicht verstanden haben, dass Mitarbeiter-Recruiting inzwischen ein knallhartes Sales-Geschäft geworden ist und mit Soft-HR nichts mehr zu tun hat? Sind viele Misserfolge vielleicht hausgemacht? Genau danach sieht es aus, wie eine selbstkritische Experten-Diskussion unter der Ägide von HospitalityInside und dem Recruiting-Unternehmen LHC International aus Berlin ergab.

Drei Stunden lang diskutierten 18 Insider intensiv und offen über den Status Quo im Recruitung, über den Umgang mit den heutigen Bewerbern und über neue Akquise-Kanäle. Das virtuelle Treffen vertiefte die ebenfalls sehr lebendige Diskussion über das "S" in ESG und seine Bedeutung für Unternehmensstrukturen beim HospitalityInside Think Tank 2022. LHC-Geschäftsführer Garry Levin war ein Impulsgeber dieser Session.

Impulsgeber der Session: Garry Levin.Foto: LHC

Im Jahr 2034 werden in Deutschland acht Millionen neue Arbeitnehmer 13 Millionen Rentnern gegenüberstehen, stellte Levin nüchtern klar. Und diese Kluft wird auch auf den aktuellen Wandel zurückzuführen sein. Viele Vertreter der Gen Y/Millennials wurden – zumindest in Zentraleuropa – in Wohlstand und hohe Lebensqualität hineingeboren, und "sie wünschen sich ebenso eine qualitativ hochwertige Arbeit, ein gutes Arbeitsumfeld und die Wertschätzung von Talenten", beschreibt Garry Levin die gestiegenen Ansprüche.

Die Generation, die schon in einer digitalen Welt aufgewachsen ist, weiss woher sie Informationen bekommt und was sie selbst will, verweigert dann allerdings teilweise auch die Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber, räumt der HR-Profi ein: Treten am Arbeitsplatz Probleme auf, suchen sie oft keine Lösungen, sondern verabschieden sich lieber ins nächste Unternehmen.

Milliarden-Markt für Mitarbeiter-Transfers

Aus diesem Trend wird, nebenbei bemerkt, künftig ein Super-Business werden. Die "Mitarbeiter-Transaktionen" werden massiv steigen und den "War for Talent" weiter antreiben: Der globale Talent-Akquise-Markt wird laut Global HR & Recruitment Services Industry Statistics auf ein Umsatz-Volumen von 450 Milliarden Euro geschätzt, 14 Milliarden davon entfallen auf die Hospitality-Branche. Nächstes Jahr soll sich die Gesamtsumme bereits auf 530 Milliarden Euro belaufen.

Angesichts dieser Entwicklung muss sich auch die Einstellung der Hotel-Arbeitgeber ändern: "Die CEOs müssen für die Talent-Akquise ebenso Budgets freigeben wie sie es jährlich für Sales & Marketing tun", merkte Sascha Dalig, Regional Director Central Europe von Wyndham, an. "Talent-Akquise hat nichts mehr ausschliesslich mit HR zu tun. Das ist heute Sales & Marketing pur!" Der Arbeitgeber muss sich verkaufen und sich seiner Werte und Benefits bewusst sein, nicht mehr der Bewerber."

Viele Arbeitgeber sind nicht schnell genug, sagt Nadine Diolulu. Foto: LHC

Im Jahr 2020 lag die Fluktuation in der Branche bei durchschnittlich 26%, nach der Pandemie waren es 40-50%, berichtet Nadine Diolulu, Chief of Staff & Hospitality bei LHC. Eine erschreckende Steigerung, aber offenbar auch erklärbar. Viele Arbeitgeber tappen offensichtlich in ihre eigenen Fallen: Sie reagieren nicht schnell genug, pochen zu sehr auf altmodischen Abläufen, auf bürokratischen wie hierarchischen oder ihre Führungskräfte leiden unter einem übersteigerten Ego. Unternehmen, die nicht binnen 24 oder 48 Stunden reagieren, haben bereits verloren. Sie realisieren nicht, dass sie gegen Angebote aus vielen Branchen und nicht nur aus der Hotellerie ankämpfen: Fast jedem Bewerber liegen heute eine Handvoll Angebote gleichzeitig vor.

Training on the job ist die Zukunft

"Wir haben uns den Nachwuchs selbst über Jahre verbrannt", reagiert Nils Baltot, Recruiting Manager im Grand Hyatt Berlin. Er ist auch Ausbilder und Prüfer der IHK Berlin und verlangt von einem Bewerber allenfalls noch einen Lebenslauf. Gespräche haben Vorfahrt. Die Zukunft gehört ohnehin dem Training on the job, sagt er angesichts der zunehmenden Not, Mitarbeiter aus allen Richtungen zu akquirieren. "Auch die Sprachausbildung ist ein entscheidendes Thema für jedes einzelne Hotel geworden. Heute konkurrieren wir nicht mehr nur mit anderen Hotels aus der Branche, sondern mit allen Arbeitgebern quer durch sämtliche Branchen."

Ausserdem muss jede Gruppe mehr Wert auf Training entsprechend der eigenen Unternehmenskultur und des eigenen Qualitätslevels legen, weil die deutschen Ausbildungsstandards längst nicht mehr der Realität entsprechen. "Als Prüfer liegen mir heute teilweise die gleichen Fragen vor wie 1998", offenbart Nils Baltot in der Diskussion. Dies wird aber gerade an die heutige Zeit angepasst und neue Berufsbilder entstehen.

Viele Arbeitgeber tun ihr Bestes, um sich selbst schlecht zu präsentieren: Ihre Profile auf den Vermittlungsplattformen wie auch auf den eigenen Webseiten sind unspezifisch, selbstverständliche Benefits für ihre Mitarbeiter werden gepriesen wie Lottogewinne, aber nirgendwo gibt es Bilder von den Personalräumen, Unterkünften, Zitate zufriedener Kollegen oder sogar Gehälter, die offen genannt werden. Abschreckend ist es für Bewerber auch, wenn sie aufgefordert werden, ihre Gehaltswünsche schriftlich und vorab darzulegen. Oder wenn sie später, im Alltag, miterleben, dass ihr Kaffee schlechter schmeckt als der für den Gast.

Jeden 2. und 4. Mittwoch lädt das Hotel Luc zu 'Dein Augenblick'.Foto: MHP Hotel AG

Kontaktaufnahme: Einfach ausprobieren

Viel Raum nahm in der Diskussion die Frage ein, wie und über welche Kanäle man den potentiellen Nachwuchs direkt ansprechen sollte. In den Social Media sind inzwischen alle Personal-Verantwortlichen unterwegs, ist aber auch WhatsApp der richtige Weg für die persönliche Kommunikation? Für die Termin-Vereinbarung sei es evtl. sinnvoll, so zeichnete sich die allgemeine Haltung ab, Interviews aber lehnen die meisten aufgrund der mangelnden Privatsphäre dieses Kanals ab.

Professionelle Unternehmen gehen auch immer wieder neue Wege, so wie es Andrea Feidner-Beyer, Vice President Talent Management und Acquisition bei der MHP Hotel Group, und ihre Kollegen tun. In der Lobby des zur Gruppe gehörenden Luxus-Boutiquehotels Luc in Berlin empfängt das HR-Team vor Ort beispielsweise jeden zweiten und vierten Mittwoch am Nachmittag eine Stunde lang interessierte Bewerber: Unter dem Namen "Dein Augenblick" hat das Team formlos zum persönlichen Gespräch eingeladen. Wer kommt? Menschen, die das persönliche Kennenlernen bevorzugen, eventuell nicht so gut Deutsch sprechen oder auch nicht so fit im Umgang mit PCs sind. Kommt jemand, der sich z.B. für die Küche bewerben möchte, dann bitten die HR-Kollegen jemanden aus diesem Team dazu.

"Gerade das gefällt den Kandidaten besonders gut, da sie die Personen, mit denen sie in Zukunft arbeiten würden – also auch die Fachkollegen –, und die Umgebung direkt kennenlernen dürfen. Auf diesem Weg konnten wir zu Beginn der Kampagne die Hälfte unserer Auszubildenden finden", berichtet Feidner-Beyer. Die zwischenmenschlichen Töne zu hören und darauf zu reagieren, das sei für beide Seiten wichtig. Solche Termine gibt es nicht nur im Hotel Luc, sondern auch an allen anderen MHP-Standorten.

Garry Levin und Nadine Diolulu von LHC stimmen die hier skizzierten bunten Facetten in der Branche nachdenklich: "Wir fragen uns, ob die Branche wirklich einen Fachkräfte-Mangel hat oder ob sie einfach nicht flexibel genug ist?" fassen sie zusammen. Wie lautet Ihre Antwort dazu? / Maria Pütz-Willems 

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