München. Auch Ferien- und Wellnesshotels machen derzeit eine Corona-Pause. Aber Travel Charme Hotels & Resorts hält an seinen langfristig angesetzten Plänen fest: Nach diesem gesellschaftlichen Stresstest durch das Virus werden die Menschen wieder Entspannung benötigen.
"Wir sind noch klein genug, um schlagkräftig zu sein", sagten unisono die Travel Charme Geschäftsführer Daniel Eickworth und Matthias Brockmann im Gespräch mit hospitalityInside.com im Februar – kurz bevor die Corona-Welle Europa erfasste. Und dazu stehen sie auch jetzt noch, in einer Phase, in der das Virus und die Politik fast alle Travel Charme Hotels lahmgelegt haben.
In Deutschland trifft es sechs Betriebe, vier davon auf den Ostsee-Inseln Usedom und Rügen, wo seit 16. März keine touristischen Reisen mehr erlaubt sind. Die Touristen mussten abreisen, da im Corona-Notfall eine medizinische Versorgung auf den Inseln nicht sichergestellt werden konnte. Auch das Haus in Kühlungsborn musste aufgrund der derzeit gegebenen Regularien des Landes Mecklenburg-Vorpommern vorübergehend schliessen. Im Land Sachsen-Anhalt sind nur noch Reisen aus familiären, gewerblichen oder beruflichen Gründen gestattet, so dass das Travel Charme Hotel Gothisches Haus in Wernigerode zwar noch ein paar Gäste hat, seinen Service aber auf den eines Garni-Hotels reduziert hat.
Momentan ist auch das neu zu Travel Charme Hotels gehörende Hotel Bachmair am See in Bayern geschlossen. Aber der Plan für die Renovierung steht.Foto: Stueve
Das Traditionshotel Bachmair am See in Rottach-Egern am Tegernsee/Bayern, das die Hirmer Gruppe erst am 1. Februar 2020 übernommen hat, ist seit 18. März auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Das Land Österreich hat am 12. März 2020 entschieden, alle Beherbergungsbetriebe vom 16. März bis voraussichtlich 17. April zu schliessen. Davon sind drei Travel Charme Hotels betroffen: je eines in Tirol, im Kleinwalsertal und im Salzburger Land. Die Bauarbeiten des Hotel-Ensembles in Bad Gastein, die des geplanten Hotels in Strobl am Wolfgangsee sowie die des Hotels im Ostseebad Boltenhagen haben aktuell noch nicht begonnen, die Planungsprozesse für beide Projekte finden unverändert statt. In Italien, wo sich derzeit noch das ganze Land im Notstand befindet, ist damit auch jeder Schritt für das im Bau befindliche Haus in Salò am Gardasee vorläufig gestoppt.
Urban Nature als neues Konzept
Es wird eine Zeit nach Corona geben und deshalb hält Travel Charme an seinen ohnehin langfristig angelegten Plänen fest. Die Betreiber-Gesellschaft war Anfang 2018 von dem Einzelhandels-Unternehmen Hirmer übernommen worden; zwei Jahre später scheint man gemeinsam mit dem hotelerfahrenen Eigentümer jetzt seinen Weg und ein schärferes Profil gefunden zu haben.
So wird Travel Charme bei der Auswahl von Destinationen solche bevorzugen, die in der Nähe von grösseren Einzugsgebieten liegen, trotzdem viel Natur bieten und in denen man mit einem "atypischem" Konzept punkten kann, z.B. im bekannten Kurort St. Peter-Ording, der von Hamburg aus in 1,5 Stunden leicht zu erreichen ist. Hier wird Travel Charme voraussichtlich Ende 2021 ein neues Resort direkt am Strand eröffnen. "Dieses Projekt stellen wir erstmals unter die Überschrift 'Urban Nature'", erläutert Matthias Brockmann einen neuen Akzent der Gruppe. "Das Konzept in SPO ist ein Neuanfang und steht im Kontrast zu den bisherigen Hotels an der Ostsee", ergänzt Daniel Eickworth. Und beide sind überzeugt davon, dass "die wenigsten Ferien-Gäste eine Marke suchen, sondern eine Location". Das neue Hotel in SPO wird das erste Haus von Travel Charme an der Nordsee verkörpern.
Das Haus mit 90 Zimmern in erster Strandreihe und mit Nordsee-Blick wird nicht – wie sonst – regionaltypische Küche bieten, sondern eher Kulinarisches wie jüngere Städter es kennen. Sie sind im Urban Nature Resort die bevorzugte Zielgruppe, schliessen aber umgekehrt Familien nicht aus. Kleine Meetingräume wird es auch geben, aber kreativer im Design und mit flexiblem Mobiliar. Die Bauarbeiten sollten jetzt im März beginnen, der Eröffnungstermin war bisher für den Spätherbst 2021 angesetzt. Mit den Eigentümern, Privatleuten aus Hamburg, hat Travel Charme einen Management-Vertrag über 20 Jahre + fünf Jahre Option unterschrieben.
Geschärft: Zielgruppen, Standorte, Themen
Klar definierte Zielgruppen und Locations mit Potential haben auch die Verhandlungen mit Familie Rauh-Bachmair, Inhaber des Hotel Bachmair am See, am Tegernsee beflügelt. Die Tatsache, dass die angesehene Hotelfamilie ihr legendäres, fast 200 Jahre altes Haus in fremde Hände gab, kam auch aufgrund eines Angebots der Familie Hirmer zustande, welches einen 60 Jahre dauernden Erbbauvertrag zuzüglich zehn Jahre Option vorsah. Mitte der 90er Jahre fand im Hotel Bachmair am See die letzte grosse Renovierung statt, nun möchte Travel Charme den aus vier Gebäuden bestehenden Komplex bei laufendem Betrieb renovieren. Das Revival des Bachmair am See soll in etwa drei Jahren erlebbar sein, nach einem Investment von 20-25 Millionen durch Hirmer Immobilien.
Gleichzeitig beginnen in Kürze die Bauarbeiten in Bad Gastein, wo die Konzepte für das Hotelensemble bereits stehen. Den "Vor-Corona"-Plänen zufolge sollte dort der Bau im Herbst dieses Jahres starten, mit Eröffnungsziel 2023. In Kürze wird auch der Bauantrag des Projektes in Strobl am Wolfgangsee eingereicht. Hier wurde das ursprüngliche Konzept geschärft und weitere USPs herausgearbeitet, die geplante Eröffnung findet voraussichtlich Ende 2022 statt. In Italien ist der Rohbau des ersehnten Hotels am Gardasee so gut wie fertig; dieses 97 Zimmer-Hotel in Salò sollte nach bisheriger Planung im Sommer 2021 in Betrieb gehen, wobei hier eine Verzögerung des Zeitplans durch die starke Betroffenheit Italiens durch die Corona-Pandemie nicht ausgeschlossen werden kann.
Deutlich stärker will das Travel Charme Management zudem jedem bestehenden wie geplanten Hotel eine ganz individuelle Seele verleihen und dadurch jeden Ort in eine inspirierende und polarisierende Welt verwandeln. Jedes Konzept setzt dabei den Menschen in den Fokus. Er soll durch die poetischen Geschichten dazu angeregt werden, sich selbst ein Stück weit mehr zu finden. All dies basiert auf den sicht- und fühlbaren Kontrasten des jeweiligen Standortes. So will das neue Urban Nature Konzept in St. Peter-Ording Naturerlebnis und kosmopolitischen Lifestyle vereinen; das ehemalige Fischerdorf Boltenhagen wird Mythen und Meeres-Sehnsucht aufgreifen und das Hotel in Kühlungsborn sich als Quell der Jugend positionieren.
Dort, wo andere nicht hinwollen
Die Expansion der Ferienhotel-Gruppe Travel Charme wird sich, so Brockmann, künftig "mehr an der schleswig-holsteinischen Küste entlang ziehen, ebenso entlang der Alpen vom Bodensee über die bayerischen Seen bis nach Österreich und Südtirol". Zur Mega-Resort-Kette will Hirmer die Gruppe auf keinen Fall ausbauen: "Bei all unseren Hotels ist es uns wichtig, so individuell wie möglich auf die Gemeinden und Einheimischen einzugehen, ein Teil davon zu werden. Hätten wir 70 bis 90 Projekte, könnten wir das gar nicht mehr leisten ‒ unsere Bindung an die Standorte würde verloren gehen". Zum Zeitpunkt dieses Gespräches vor Corona kritisierte Daniel Eickworth noch die unverhältnismässig hohen Baukosten und überhöhten Erwartungen beim ROI. Vier bis fünf Prozent hielt er vor Corona noch für realistisch – fürs Jahr 2020 ist nun alles wieder offen. Mit dieser Situation ist jetzt jede Hotelgruppe konfrontiert.
Auf erneute Nachfrage ergänzt Daniel Eickworth: "Die derzeitigen Umstände schränken uns in erster Linie beim Betrieb unserer Bestandhotels ein. An unseren Expansionsplänen halten wir weiterhin fest und auch die einzelnen Planungen der Projekte laufen wie gehabt weiter. An manchen Stellen sind wir natürlich auf Partner angewiesen und müssen uns dem anpassen, was derzeit möglich ist und was nicht. Welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die geplanten Eröffnungstermine unserer Neuprojekte hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen."
In Hinblick auf die jüngsten Erfolge hat Travel Charme Hotels & Resorts allen Grund zur Freude: Im Geschäftsjahr 2018 lag der Umsatz bei 63,5 Millionen Euro, 2019 bei 67 Millionen Euro. Vergangenes Jahr lag die durchschnittliche Belegung bei fast 70 Prozent und man hatte gehofft, diese im laufenden Jahr deutlich zu übertreffen. Zu der guten Entwicklung haben vor allem das Ifen Hotel im Kleinwalsertal und das Bergresort Werfenweng beigetragen. Die erzielten Netto-Raten lagen gruppenweit laut Brockmann zwischen 110 und 200 Euro im Peak.
Das Coronavirus schreibt nun das Jahr 2020 neu – und das nächste vermutlich auch noch. / map
