Usedom Gasengpässe sind avisiert Netzbetreiber kündigt Hoteliers mögliche Störungen in Gasversorgung an

Usedom: Gasengpässe sind avisiert

Netzbetreiber kündigt Hoteliers mögliche Störungen in Gasversorgung an

Schöne Hotels bald leere Hotels? Nach wie vor gibt es keine klaren Informationen zum Gasengpass für Unternehmen auf Usedom, dafür aber 'bedrohliche' Briefe.Foto: Seetel Hotels

Bansin/Usedom. Die deutsche Regierung behauptet, die Gasspeicher seien voll. Trotzdem erhielten der Hotelier Rolf Seelige-Steinhoff und acht Kollegen auf der Insel Usedom inzwischen ein offizielles Schreiben, dass die Gasversorgung in ihrem Gebiet "gefährdet" oder "gestört" sein kann. Das klingt harmlos, ist aber bereits der Auftakt für einen juristischen Balance-Akt mit dem Staat, der die Hotels bei einem Engpass ggf. schliessen wird.

"Wir haben vor zehn Tagen eine offizielle Mitteilung bekommen, die uns von der nächsten Stufe im Gas-Drama in Kenntnis setzt", erläutert Rolf Seelige-Steinhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Ferienhotelgruppe Seetel mit 17 Häusern auf Usedom. Er befürchtete schon vor vier Wochen in einem Interview mit hospitalityInside eine negative Entwicklung in dieser Sache, nachdem er drei seiner Hotels auf der Schliessungliste der regionalen Netzagentur entdeckt hatte.

Konkreter Absender des Schreibens ist die Gasversorgung Vorpommern Netz GmbH aus Trassenheide – ein regionaler Netzbetreiber. Er ist quasi der Eigentümer der Energienetze in einer Region, was bedeutet, dass ihm die Leitungen und Rohre gehören, durch die das Erdgas fliesst. Er ist auch Eigentümer der Zähler, die den Gas-Verbrauch messen – und diese Daten an die Bundesnetzagentur in Berlin weiterleiten. Die Agentur ist eine staatliche Behörde und dem Wirtschaftsministerium zugeordnet.

Gastlichkeit im Flaggschiff Ahlbecker Hof. Wie werden die Gäste im Krisenfall reagieren?Foto: Seetel Hotels

Versorger avisiert Gefahr

Auf einer DIN A4-Seite teilt die GVP der Seetel Hotelgruppe z.B. in nüchternem Verwaltungsdeutsch mit: "Hiermit informieren wir Sie darüber, dass an folgendem Netzanschlusspunkt bzw. in folgender Ausspeisezone …. eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems droht bzw. vorliegt, die zu Unterbrechungs- oder Kürzungsmassnahmen gemäss § 16 EnWG [Energiewirtschaftsgesetz] führen kann."

Das standardisierte Anschreiben der E-Mail hierzu ist ebenso knapp gehalten. Danach erhält das Unternehmen diese Information "im Rahmen des Prozesses nach Leitfaden Krisenvorsorge Gas der Kooperationsvereinbarung zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen." Und dann erfolgt die Aufforderung an das Unternehmen, den E-Mail-Empfang den drei genannten Adressen zu bestätigen.

Inzwischen haben acht weitere Hoteliers – und vermutlich insgesamt 50 Unternehmen aus der Region – die neue Mitteilung bekommen, wie Michael Raffelt, Hotelverband Insel Usedom uns berichtet. Von der Seetel-Gruppe sind nun offiziell drei Hotels in den Kaiserbädern betroffen: das Flaggschiff Ahlbecker Hof und das wenige Meter weiter gelegene Ostseehotel sowie das Kaiserstrand Beachhotel, alles Häuser in Premiumlage.

Durch das Schreiben wird klar, dass sich die Hotelgruppe nun konkret auf das Runterfahren des Betriebes vorbereiten muss, weil sie jetzt offiziell von einem möglichen Versorgungsengpass informiert wurde, d.h. dass die Betriebe nicht mehr ausreichend mit Gas versorgt werden können. Darüber hinaus hat die Bundesnetzagentur schon vor einiger Zeit auf ihrer Webseite über sogenannte Engpasszonen berichtet, wo Gebiete heruntergefahren werden können, so dass nicht nur gewerbliche Betriebe, sondern sogar die Privathaushalte betroffen sein können.

Juristen denken weiter

Die Seetel Hotelgruppe ist damit alarmiert und diskutiert intern, wie das Schreiben – das eine Unterschrift verlangt – rechtlich zu bewerten ist. Die Juristen der Gruppe sehen darin auf jeden Fall die Aufforderung, sich auch formal auf ein Abschalten der Betriebe vorzubereiten und zwar ggf. auch unter dem Aspekt möglicher Schadensminderungspflichten, denen die Gruppe nachkommen muss. Denn: Werden die Hotels geschlossen, würde das Unternehmen – zunächst einmal theoretisch – vom Staat Entschädigung fordern können. Mögliche Ansprüche kann man aus dem §11 EnSiG [Energiesicherungsgesetz] ableiten.

Michael Raffelt: Die erneute Ungewissheit lässt Mitarbeiter schon wieder kündigen. Foto: privat 

"Wir haben mittlerweile für fast jedes Haus, nicht nur für die erwähnten drei Häuser, einen Krisen- und Aktivitäten-Plan erstellt", sagt Seelige-Steinhoff. Ihm macht die Vorstellung einer gefährdeten oder gestörten Gasversorgung in der Praxis grosse Sorgen: Was passiert, wenn die Gasleitungen leerlaufen und sich mit Luft füllen? "Bei Druckabfall werden bestimmte Gebiete und Unternehmen schneller runtergefahren, das wissen wir inzwischen", sagt der Hotelier. Und was passiert, wenn die Gasleitungen später wieder hochgefahren werden? Werden die Gasthermen im Gebäude wieder anspringen? Da taucht dann das nächste Problem auf.

Der Hotelier denkt erneut Szenarien durch. Er will keine Panik verbreiten, sondern Panik in der Praxis vermeiden. Was würde geschehen, wenn man beispielsweise ein vollgebuchtes Hotel räumen müsste? Wie im letzten Artikel bereits erwähnt, hätte der Hotel-Betreiber dafür maximal 8 Stunden Zeit.

Hotelverband Usedom: Hoffen auf 'mündige' Gäste

Genauso denkt Michael Raffelt, Vorsitzender des Hotelverband Insel Usedom mit 32 Häusern, die zu den wichtigsten auf der Insel zählen. Am Mittwoch schalteten sich die Hoteliers von Usedom virtuell zusammen, um über eventuelle Folgen eines Gasengpasses für ihre Gäste zu sprechen. "Wir haben zumindest unter den Kollegen, die an dem Meeting teilnahmen, besprochen, dass wir von 'mündigen Reisenden' ausgehen, denen bewusst sein sollte, dass man im kommenden Winter auf Reisen – auch bei einem Aufenthalt im Hotel – mit Einschränkungen rechnen sollte. Wir gehen davon aus, dass es bei einer Gas-Abschaltung einen zeitlichen Vorlauf gibt, der auch den Gästen einen Entscheidungsspielraum gibt." Und im Extremfall muss der Hotelier die Gäste nach Hause schicken. So lange aber werde man sein Bestes geben.

Ein Gasmangel im Hotel wäre logischerweise das absolute k.o.-Kriterium für einen Reisenden… Ebenso aber auch ein Stromausfall. Auch darüber denken die Hoteliers auf Usedom bereits nach. Mit Hiobsbotschaften möchten sie nicht in die Öffentlichkeit gehen. "Panik ist das Letzte, das uns hilft".

Die Situation der Verbandshotels ist in Bezug auf die Energie-Versorgung sehr unterschiedlich, berichtet Raffelt. Noch eine Ölheizung als Gas-Alternative einzubauen, scheitert bereits am Platz; die Grundstücke sind i.d.R. viel zu klein und eng bebaut. Etliche Hotels haben zumindest noch alte Verträge, die erst Ende 2023 oder 2024 auslaufen. Erste Konsequenzen sind bereits in der Personal-Situation zu spüren: Allein der drohende Gasmangel hat die ersten Hotel-Mitarbeiter zur Kündigung veranlasst. Sie wollen nicht noch einmal in Kurzarbeit geschickt werden und damit erneut auf Gehalt verzichten. Der Schock aus Corona sitzt tief.

HospitalityInside stellte zudem Fragen an den Geschäftsführer der Gasversorgung Vorpommern Netz GmbH, die das oben erwähnte Schreiben verschickte. Bis zum Redaktionsschluss gestern abend ging keine Antwort ein. / Maria Pütz-Willems

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