Viele neue Handicaps

Viele neue Handicaps

ITB: Osteuropa-Hoteliers kämpfen häufig noch mit alten Strukturen

Maria Pütz-Willems begrüsst die Teilnehmer des Osteuropa-Panels:  Moderator Martin Schaffer, Laurent Picheral, Kristian Sustar, Thomas Willms und Friedrich W. Niemann.

Berlin. Osteuropa ist so nah und doch noch weit weg: Die Hotellerie in Rumänien, Russland, Kroatien und teilweise auch Polen kämpft nach der Finanzkrise nicht nur mit einer schleppenden wirtschaftlichen Erholung, sondern häufig auch noch mit verkrusteten touristischen Strukturen im Hintergrund. Langsam kommt aber wieder Bewegung in einige Masterpläne, die schon vor der Finanzkrise aufgelegt wurden. Eine Diskussion über "Hotelmärkte in Osteuropa - Echte Perspektive oder Fata Morgana?" beleuchtete die aktuellen Herausforderungen. Mit diesem Bericht beschliesst hospitalityInside.com die Berichterstattung zur ITB-Hotelkonferenz 2011.

Friedrich W. Niemann.

Fünf Jahre lang war Friedrich W. Niemann General Manager im Hilton Bukarest, zudem Vorsitzender im Tourismus-Komitee. Doch auch ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland kann er sich noch für das Rumänien als Reiseland begeistern. Jedoch: "Rumänien hat sich noch nicht von der Krise erholt, die Hotellerie leidet noch," sagte er in Berlin.

Vorbei auch die goldenen Zeiten in Russland, wo Moskauer Luxushotels bis 2008 noch Preise von über 1.000 Dollar pro Übernachtung einfordern konnten. Jetzt werden zunehmend auch die neuen, schnell wachsenden Stahl- und Industrie-Standorte im Land hotelmässig erschlossen - aber eher mit Midscale-Hotels, wie Thomas Willms, Vice President & Regional Director East & Central Europe, Starwood Hotels & Resorts, sagte. Ein grosses Manko bleibt die schlechte Infrastruktur innerhalb des Landes.

Kristian Sustar.

In den Städten Kroatiens und im Land sind die Grundprobleme ähnlich - doch für Hotels gäbe es noch viele gute Gelegenheiten, sagte Kristian Sustar, Executive Director der Hotelgruppe HUP Zagreb und zugleich Präsident des Kroatischen Hotelverbands. Zwischen Küste und Landesinnerem gäbe es keine grosse Hotel-Kluft, generell aber mangelt es an qualitativ hochwertigen Marken-Hotels.

Das einzige Land, das von der Welt-Finanzkrise im Tourismus fast unberührt blieb, ist Polen. Das Gros der Touristen stellen die Einheimischen; die Polen selbst gelten als strebsam und sehr engagiert - auch in der Hotellerie, wie Laurent Picheral, CEO der grössten Kette im Land - Orbis SA, eine Accor-Tochter -, berichtete.

Erfolgsfaktor Mitarbeiter

So unterstützt Orbis beispielsweise auch polnische Berufs- und Hotelschulen und kooperiert mit den Ministerien. "Es fehlt aber noch an Tempo, an mehr Aktivitäten und vor allem benötigen die jungen Leute mehr praktischesTraining in der Hotellerie," sagte Picheral. Die grossen internationalen Ketten wie Starwood und Hilton haben Hotels in "emerging markets" früher mit "Ex-Pats" eröffnet und betrieben, heute setzt man von Anfang an verstärkt auf die Einbeziehung von Einheimischen. Eine Herausforderung bleibt dabei die Sprache: Nur wer russisch kann, kann auch in andere Hotels im Osten weiter versetzt werden. Ein entsprechender Austausch unter den Hotels hat eingesetzt. Kroatische Mitarbeiter sprechen in der Regel drei oder vier Sprachen, Hoteliers hingegen leiden unterdessen an der hohen Fluktuation, die durch die relativ kurze Saison dort bedingt ist.

Thomas Willms.

Einig waren sich die Länder- und Hotel-Vertreter in einem Punkt: Wegen 50 Euro mehr Gehalt kündigt heute kein Mitarbeiter mehr. Sie sind in der Regel sehr stolz auf ihre Firma, wenn sich diese im Markt etabliert hat. "Je weiter östlich man kommt, umso höher ist die Loyalität," lobte Thomas Willms.

Alte Denkmuster verzögern Entwicklung

An Rumänien kritisierte Niemann vor allem allem das geringe Mass an Ausbildung, den zu starken Theorie-Schwerpunkt und vor allem die "historisch" geprägten Dozenten, die keine Kenntnis von aktuellen Hotelabläufen und -standards haben. Die Luxushotellerie hat es auch deshalb schwer, Mitarbeiter mit westlichem Service-Verständnis zu finden.

Rumänien kämpft noch damit, sich selbst zu finden, wie Niemann weiter berichtet. "Es gibt seit drei Jahren eine Tourismus-Ministerin und einen Action-Plan bis 2025, aber der strategische Ansatz fehlt." Ausserdem gäbe es keinen Dialog mit der Hotellerie. "Rumänien ist ein tolles Land mit grossen touristischem Potential, aber mit einem schlechten Image," so sein Fazit.

Laurent Picheral.

Um in Russland den Tourismus in und ausserhalb der Kern-Städte Moskau und St. Petersburg anzukurbeln, bedürfe es einer vereinfachten und weniger teuren Visa-Politik. Für die WM in Sotchi sollen die jetzigen Regelungen u.U. aufgehoben werden, so Thomas Willms, aber das generelle Problem bleibt momentan.

Keine gleichmässige Erschliessung der Segmente

In Polen ruhe der Fokus momentan zu stark auf Mega-Events wie die kommende Fussball-Europa-Meisterschaft. Laurent Picheral: "80% des Geschäfts kommt aus dem MICE-Segment heute. Will man den Leisure-Markt mit jetzt 20% ankurbeln, muss man neue Attraktivitäten kreieren." Deutschland gilt als Haupt-Quellmarkt für Polen; die Deutschen könnten aufgrund der geographischen Nähe und dank neuer Autobahnen und guter Flugverbindungen noch stärker motiviert werden, in die Seebäder oder in die Masuren zu reisen.

Martin Schaffer.

Kroatien nehmen Westeuropäer dank professioneller TV-Spots schon als hochkarätiges Reiseland wahr, doch auch hier verzögert sich die Entwicklung durch antiquiert denkende Touristiker. "In diesem Sommer aber will man noch einen neuen Masterplan aktivieren," so Kristian Sustar. Ein Handicap für Kroatien waren schon in den letzten Jahren die gesetzlich nicht geklärten Eigentumsfragen, die verhinderten, dass Ausländer sich z.B. Ferien-Apartments in Kroatien kaufen konnten. Analog verzichteten viele Investoren auf die Entwicklung von Mixed Use-Projekten zum Beispiel. Seit zwei Jahren verbesserten sich aber die Rahmenbedingungen, so Sustar, wobei man die kroatische Küste weiter schützen wolle und eine Entwicklung nur in Nischen erlaube.

Privat- und Boutique-Hotels als Ketten-Konkurrenz

Zum einen mangelt es den osteuropäischen Ländern an einem breiten Angebot an Qualitätshotels, andererseits aber lassen Familien z.B. in Bukarest viele kleine Boutique-Hotels auf hervorragendem Niveau entstehen. Aufgrund schlechter Vermarktung aber finden viele Ausländer diese Häuser nicht. In Polen sind noch etwa 96% der Hotelzimmer in privater Hand und bewegen sich im 3- bis 5 Sterne-Niveau. "Doch es gibt auch schon 2 Sterne-Hotels", sagt Picheral und bekennt, dass sich Accor aufgrund dieser neuen, ebenfalls professionell aufgesetzten Hotels derzeit überlegt, ob das Franchise-Konzept noch das geeignete Expansionsvehikel für Polen ist. Low Budget-Hotels nach westlichem Muster gibt es fast noch nirgendwo.

Im riesigen Russland haben Investoren jetzt ihr Augenmerk auf die Sekundär-Standorte und auf die Entwicklung von Midscale-Hotels gelegt. Aber auch dort gilt es, "Hotellerie pur" zu bieten: das beste Restaurant in der Stadt, Angebote für Sonntagsbrunch, ein bisschen Wellness… Thomas Willms zum Grundgefühl im Osten Europas: "Es ist immer noch ein bisschen Goldgräber-Stimmung unter uns!" / Maria Pütz-Willems

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