Wachsen über die Plattform Ökonomie Deutsche Hospitality CEO Marcus Bernhardt präzisiert die Pläne
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Wachsen über die Plattform-Ökonomie

Deutsche Hospitality-CEO Marcus Bernhardt präzisiert die Pläne

Die Expansion in einem dicht besetzten Europa will systematisch vorbereitet sein.Foto: christine-roy-unsplash

Frankfurt. Deutsche Hospitality wird nicht so schnell expandieren und an die Börse gehen, wie eine Wirtschaftszeitung jüngst berichtete. CEO Marcus Bernhardt präzisiert hier das Vorgehen, den Zeithorizont und die 300 Millionen als Expansionsmasse. Auch sonst spricht er Klartext: Von einem Branchen-Verband erwartet er auch schon vor der Pandemie mehr, und viele grosse Institutionelle sind ihm in der Pachten-Diskussion schlicht zu arrogant. Er wird ein paar Dinge ändern.

Marcus Bernhardt ist seit November 2020 CEO von Deutsche Hospitality, Frankfurt. Unter diesem Dach verbergen sich 125 Häuser der Marken Steigenberger, Jaz in the City, Maxx by Steigenberger, IntercityHotel und Zleep. Dieser Marken-Architektur dürfen künftig noch deutlich mehr Hotels und einige Marken hinzugefügt werden – allerdings in veränderter Matrix. Für die Expansion baut er jetzt ein neues Fundament. 

Herr Bernhardt, wie geht es Deutsche Hospitality Anfang März 2021 wirtschaftlich, ein Jahr nach dem Pandemie-Ausbruch?

Wir kämpfen, so wie alle. Und mit einem neuen Shareholder, der auch eigene Erwartungen und Vorstellungen hat, sind wir natürlich auch unter einem gewissen zusätzlichen Druck. Der klare Auftrag von Huazhu an uns ist: Wir müssen die Firma aus eigener Kraft führen. Das Management muss sie durch die Gewitterzone bringen, Huazhu unterstützt uns bei der Expansion.

CFO Ulrich Johannwille und CEO Marcus Bernhardt: Auto- und Airline-Branche sind besser vernetzt.Foto: Deutsche Hospitality

Mein Vorgänger hat zudem weitsichtig einen KfW-Kredit in die Wege geleitet. Unsere Mitarbeiter stützen das Unternehmen in der Krise. Nun hoffen wir, dass endlich bald die staatlichen Hilfen kommen. Bisher haben wir weder die November- oder Dezember-Hilfe bekommen.

Verstehen Sie dieses Desaster?

Ich bin total entrüstet darüber, dass vor allem das Wirtschafts- und das Finanzministerium in Deutschland nicht schneller aktiv werden. Der Umgang mit uns Touristikern gleicht momentan der aktiven Sterbehilfe. Für viele Betriebe kommt es inzwischen buchstäblich auf jeden Tag an, an dem sich ihr Überleben neu entscheidet. Die guten und innovativen Klein-Unternehmen werden bald einfach nicht mehr existieren. Das finde ich persönlich sehr bedauerlich. Das darf nicht sein.

Weshalb steht die Branche nicht gemeinsam auf und hält dagegen? Bei der Autobranche ist das ganz anders – Sie wissen das, Sie kommen von Europcar. Weshalb stehen grosse Hotelgruppen mit bekanntem und positiv besetztem Namen – wie z.B. Steigenberger – nicht auf und senden eine entsprechende Message an die Politik? In den USA haben letzten Oktober 77 Hotel-Ketten, Kooperationen, Investment-/Immobilien-Unternehmen und Hotel-Verbände an den Präsidenten geschrieben und gemeinsam um eine Liquiditätsspritze für die Branche gebeten.

Ich bin erst seit November wieder in Deutschland und bin damit quasi in die Diskussionen hier ganz neu dazugekommen. Unser CFO Ulrich Johannwille – der von Condor kommt und mit mir begonnen hat – und ich sehen uns täglich mit der Politik konfrontiert. Wir suchen auch aktiv den Kontakt, um für die Branche und für uns alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Nur: Die Lobbyarbeit muss primär durch die Vertreter der Branche erfolgen. Wir als Unternehmen können hier nur unterstützen.

Sie haben aber Recht: Wenn Herr Johannwille und ich auf die Auto- und Airline-Branche schauen, dann hat es den Eindruck, als seien diese anders vernetzt, mit einem ganz anderen Zugang zu der Regierung. Dabei ist unsere eigene Branche so gross. Es geht ja nicht einmal nur um die Hotels, sondern auch um die damit verbundenen rund 2,8 Millionen Mitarbeiter, die Zulieferer, die Dienstleister. Diese Abhängigkeiten wurden nach meiner Kenntnis nicht richtig offengelegt und in die Betrachtung mit einbezogen. Wenn die Hotels geschlossen bleiben, betrifft das so viele Wirtschaftszweige, nehmen Sie nur die Bauern als Beispiel, die einen Teil ihrer Ernte wegschmeissen müssen, wenn Hotels und Restaurants geschlossen bleiben.

Verantwortung als deutsches Unternehmen bleibt

Huazhu-Gründer Qi Ji baut den Hotel-Dienstleister  in seiner IT-Struktur um.Foto: Huazhu

Im Handelsblatt haben Sie am 10. Februar den Börsengang der Gruppe angekündigt. Und dass Huazhu bis 2025 die Gruppe von 125 auf mindestens 600 Häuser wachsen lassen will. Schon zuvor hat Ihr Aufsichtsratsvorsitzender André Witschi die Mega-Zahl von 300 Millionen Euro für Expansion PR-wirksam im Markt gestreut. Das mag auf Aussenstehende befremdlich wirken: Deutsche Hospitality nimmt deutsche Kredite in Anspruch und will jetzt – mit chinesischem Geld – weitere Hotelgruppen kaufen. Wie verträgt sich das?

Das Unternehmen ist vor 90 Jahren in Deutschland gegründet worden. Wir sind eine deutsche AG und wir zahlen unsere Steuern in Deutschland. Von den rund 11.000 Mitarbeitern sind etwa 8.000 in Deutschland tätig. Unsere Investitionen werden vollumfänglich von unserem asiatischen Investor getätigt und nicht zu Lasten des Steuerzahlers hier finanziert. Wir als Management-Gesellschaft sind für das tägliche Geschäft und das organische Wachstum hier in Europa selbst zuständig – so wie andere Hotelgruppen auch.

Huazhu-Gründer Qi Ji hat 2019 für die Deutsche Hospitality den gigantischen Betrag von über 700 Millionen Euro bezahlt. Diese Investition soll sich doch rechnen?

Qi Ji versteht die Hotellerie im Jahr 2021 als eine IT-getriebene Plattform, um den bestmöglichen Service zu bieten. Sie müssen auch die Historie von Ji sehen: Zuvor hat Ji hat mit zwei anderen Partnern zusammen Ctrip gegründet. Von seiner Ausbildung her hat er Robotics und Engineering studiert. Für mich ist er der Jack Ma der Hotel-Industrie. Er definiert Hotellerie neu, denkt von Anfang an komplett digital und orientiert sich primär an den digitalen Touch Points, die das Hotel mit dem Gast hat – von der Buchung übers Housekeeping bis zum Loyalty-Programm.

Das ändert in meinen Augen zwar nicht den Blick auf die erhoffte Rendite, aber lassen Sie uns bitte auch über diesen gigantischen Expansions-Ehrgeiz in einem sehr dicht besetzten Europa sprechen. Werden Sie jetzt Drohnen losschicken, um leere Plätze zu finden?

Ob es 600 oder 700 Häuser werden, ist erst einmal – und dies bitte nicht falsch verstehen – nicht die wichtigste Kennzahl. Jeder muss sich ein Ziel setzen. Wir halten ein solches Wachstum im heutigen Umfeld sogar noch für realistischer als vor 12 oder 18 Monaten. Organisch wollen wir in den nächsten 5-6 Jahren mit jährlich durchschnittlich 25 Hotels wachsen. Das macht 120-130 Hotels, mit den bestehenden 125 Hotels dann 250 bis 300, und die übrigen 300 sollen durch Akquise oder Übernahmen aufgebaut werden.

Die Zukunft in China gehört den schlanken Steigenberger Business-Hotels; der Bedarf in dieser Kategorie ist riesig.Foto: Deutsche Hospitality, Steigenberger Kanzleramt Berlin

Und der Börsengang?

Das Thema IPO ist vielleicht nicht so eindeutig, wie es dann in einigen Medien stand. Natürlich denken wir angesichts des zu erwartenden Wachstums an alle Optionen, und der Börsengang ist eine davon, die nicht unrealistisch ist. Das ist das Ziel unseres Shareholders. Der Shareholder hat ja bereits zwei Börsengänge hinter sich, zuerst in New York und letzten Dezember in Hongkong. (Redaktion: Huazhu hat heute eine Markt-Kapitalisierung von rund 18,5 Milliarden US-Dollar; die von Marriott liegt bei 48,2 Milliarden Dollar; Quelle: Wallstreet Online 2.3.2021).

Wann genau der IPO stattfinden kann, kann ich Ihnen, wie gesagt, heute noch nicht sagen. Wir bauen derzeit erst die Strukturen dafür auf. Unsere Gesellschaft ist momentan noch nicht dafür aufgestellt, eine internationale Expansion in dieser Grössenordnung zu integrieren. Ich bin dafür angetreten, diese neue Struktur aufzubauen und umzusetzen.

Der zweite Punkt ist: Wenn wir den Unterbau dazu haben, werden wir uns um die Akquisitionsthemen kümmern und dann sehen, wann die Zeit für einen IPO reif ist – vielleicht ab 400 oder 500 Hotels.

300 Millionen nicht allein für Europa

Stehen die 300 Millionen nur für die Expansion in dieser Region zur Verfügung?

Nein. Huazhu will natürlich in verschiedenen Bereichen wachsen, auch im asiatischen Raum. Dort wächst das Unternehmen in dreistelligen Hotel-Zahlen pro Jahr. Um bei der Deutsche Hospitality allein 50 oder 150 Häuser integrieren zu können, haben wir bereits im November damit begonnen, unsere Organisation neu aufzusetzen. Wir ertüchtigen derzeit insbesondere unsere Commercial-, IT, HR- und Procurement- und die operative Abteilung.

Die Budget-Marke Zleep ist bereits skalierbar; Intercity wird folgen.Foto: Steigenberger Hotels AG

Europa und die Metropolen dieser Welt sind extrem dicht bebaut. Auf einer Wahrscheinlichkeitsskala von 8-10 – wo siedeln Sie Ihre Expansionspläne an?

Mindestens bei 7-8. Vor 18 Monaten hätte ich noch 2-3 gesagt. Heute aber ist das Übernahme-Potential im Markt deutlich grösser. Zum einen gibt es in der nächsten Zeit nur noch wenige bis keine Neuentwicklungen mehr, zum anderen werden etliche bestehende Gruppen und kleine mittelständische Hotels die Pandemie – leider – nicht allein überleben können. Hier sehen wir Chancen, aktiv zu werden.

Durch Huazhus Hintergrund in China mit seinem Fokus auf der 3- bis 1-Sterne-Hotellerie nehme ich an, dass Sie dieses Segment auch in Europa bevorzugt auffüllen möchten?

Zu unserem verantwortlichen Expansionsbereich gehören Europa, der Mittlere Osten und Indien. Economy und Midscale sind dort der Fokus; sie waren ja jetzt auch am resilientesten in der Pandemie.

Parallel dazu sind wir gerade dabei, die Luxusmarke noch stärker zu differenzieren – mit Grand Hotels à la Steigenberger Petersberg oder dem Frankfurter Hof auf der einen Seite und flexibleren Steigenberger Hotels wie in Dortmund oder Deidesheim auf der anderen Seite.

In China will Qi Ji aktuell Steigenberger Hotels und IntercityHotel nach vorne bringen. Hier sieht er für Huazhu mit seinen 7.000 Hotels noch Aufholbedarf im Upscale- und Luxus-Segment. Wir haben derzeit 8 Steigenberger Hotels in China unterzeichnet – nach dem schlanken Business Hotel-Muster à la Steigenberger Berlin Kanzleramt, also einem Top 4-Sterne-Plus-Produkt. Wir werden ausserdem bald das erste IntercityHotel verkünden können.

Luxus-Perlen und die Masse

Können Sie Qi Jis Wünsche im Luxus-Segment dann mit nur zwei Marken durchziehen?

In diesem Punkt hat mich der leider verstorbene Marriott-CEO Arne Sorenson bestärkt, mit dem ich bis zuletzt im Dezember immer wieder über die Strukturierung von Marken gesprochen habe. Arne bestärkte mich darin, Marken nicht weiter horizontal aufzubauen, sondern vertikal in verschiedene Säulen einzuordnen, welche leichter Synergien schaffen und die man später – irgendwann einmal vielleicht – auch einzeln veräussern könnte. Umgekehrt können wir so neue Hotelgruppen leichter einordnen. Das alles ist Teil der erwähnten Plattform-Strategie.

Mit der Commerz Real setzt Deutsche Hospitality das IntercityHotel Leiden in den Niederlanden auf. Franchise und Manchise spielen künftig eine grössere Rolle.Foto: NL Architects

Gruppen, die man übernimmt, sind in der Regel nicht homogen. Wie werden Sie mit einer solchen "Masse" umgehen?

Wenn eine Hotel-Marke gut etabliert ist, muss man überlegen, sie beizubehalten. Andere Marken werden re-branded. Steigenberger wie auch Huazhu werden übrigens nicht in die Assets investieren, sondern nur die Betriebsgesellschaften übernehmen. Zukünftig setzen wir verstärkt auf Manchise oder Franchise mit White Label-Unternehmen. Dies gilt für Deutschland und auch für die internationalen Märkte. Wir sind bislang im Franchise nicht so stark gewachsen wie andere, das wird sich aber ändern.

Bei alledem wird Ihnen der Plattform-Ansatz helfen?

Ja, so sind wir in der Lage, Franchise-Nehmern einen spürbaren Mehrwert zu geben. Beispiel: Der Partner bekommt über Huazhu Direkt-Kontakt zu den 150 Millionen Mitgliedern des Loyalty-Programmes oder Zugriff auf günstigere Fee-Strukturen, etwa bei den OTAs. Wir testen ausserdem gerade bei Zleep den kontaktlosen, IT-gesteuerten Check-in. Auch das senkt die Kosten. Solche Lösungen werden uns bis Ende dieses Jahres vorliegen.

Skalierbarkeit ist also der Treiber auch für Sie, genau wie bei den globalen Ketten?

Ja, Intercity ist eine extrem gut skalierbare Marke geworden. Mit Zleep sind wir auf dem Weg dazu. Wir bauen alles systematisch auf.

Vorletzte Frage: Kommen Resorts in der Zukunft der Deutsche Hospitality auch noch vor?

Definitiv! Dieses Segment kommt am schnellsten zurück und wird am längsten seinen Zuspruch behalten, allen Zyklen zum Trotz. Die Menschen werden immer Urlaub machen. Bei den Destinationen muss man allenfalls die Saisonalität mit einkalkulieren. Aber es gibt auch sehr profitable Zwei-Saison-Betriebe. Qualität wird immer bezahlt werden.

Letzte Frage: Mit welchen Finanz-Partnern werden Sie denn Ihr organisches Wachstum weiterbetreiben? Sie haben u.a. seit 2018 eine Zusammenarbeit mit dem Commerz Real über einen Fonds. Wie läuft der Fonds und wie verhalten sich andere Partner in der Pacht-Diskussion?

Der Fonds ist weiter höchst aktuell, wir setzen mit ihm gerade neu die IntercityHotels in Breda und Leiden in den Niederlanden und das Zleep Madrid auf. Weitere Projekte sind in Planung.

Zum Thema Pacht-Diskussionen habe ich eine ganz klare Meinung: Kleinere und private Eigentümer verhalten sich oftmals absolut transparent und extrem kooperativ. Unter den grossen Fonds bewegen sich vielleicht zwei von zehn. Die meisten Grossen, Institutionelle wie Versicherungsgesellschaften, Fonds und Banken sind wenig kompromissbereit bis sehr arrogant. Diskussionen werden oft überhaupt nicht zugelassen. Wir sind Partner auf 25 Jahre und die andere Seite scheint man manchmal zu vergessen, wie Partnerschaft buchstabiert wird. Und dann liest man in der Presse, wie viel Profit diese Unternehmen in den letzten Jahren gemacht und welche Boni sie ausgeschüttet haben... Dass man die Hotel-Betriebe nicht unterstützt, ist schlicht ein Affront. Wir werden künftig auch bei der Wahl der Investment- und Finanzpartner die Lehren der Vergangenheit mit einbeziehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bernhardt!

Interview: Maria Pütz-Willems

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