Weisse Berge fördern grüne Berge Umwelt Studien in Österreich differenzieren die Kritik an den Skipisten
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Weisse Berge fördern grüne Berge

Umwelt-Studien in Österreich differenzieren die Kritik an den Skipisten

Relaxen am Piburger See im Naturpark Ötzal. In seiner CO2-Bilanz ist der Sommerurlaub konkurrenzlos.Foto: Oesterreich Werbung thecreatingclick.com

Wien. Die Berge tragen grün – und nicht erst, wenn der Schnee von den Gipfeln verschwindet. Denn Urlaube in selbst stark erschlossenen Bergregionen verursachen einen vergleichsweise geringen ökologischen Fussabdruck, zeigt eine Studie des Österreichischen Bundesumweltamts. Universitäre Forschung zeigt unerwartet, dass die Bio-Diversivität von Skipisten sogar profitieren kann. Andererseits rechnen Ökologen, dass aufgrund des Klimawandels 2050 der Wintersport unter 1.800 Metern nicht mehr möglich sein werde.

Wenn Österreichs Seilbahn-Wirtschaft "Green Mountain" zum Thema ihrer Jahrestagung erkürt, ist Konflikt-Potenzial vorgegeben. Die Seilbahn-Betreiber kämpften im Rahmen ihrer Tagung in Innsbruck mit wissenschaftlichen Studien gegen ihre Rolle als Umweltsünder an. Etwa durch eine umfassende Arbeit des Umweltbundesamts, die den ökologischen Fussabdruck unterschiedlicher Urlaubsformen vergleicht. Darin schneidet ein alpiner Sommerurlaub mit Wandern, Stadtausflug und See-Aktivitäten in seiner CO2-Bilanz konkurrenzlos ab, doch Wintersporttage kommen auf nur wenig schlechtere Ergebnisse. Oder noch deutlicher: Ein Sommerurlaub mit dem Auto belastet die Energiebilanz mehr als ein Winterurlaub, der mit einer Bahnreise beginnt.

"Wie erwartet schlagen Distanz und Reisemittel bei der durch Tourismus verursachten Klimabelastung alles andere. Die Aktivitäten vor Ort sind zwar relevant, aber alles andere als dominant", verweist Studienautor Günther Lichtblau auf die Ergebnisse für Flugreisen. "Wer auf die Malediven fliegt, hat sein CO2-Jahresbudget schon überstrapaziert". Doch gleiches gilt auch für Touristen, die zweimal aus London mit dem Billigflieger zum verlängerten Ski-Wochenende nach Innsbruck kommen. Das kompensiert schon 20 bis 30 Urlaubswochen in der Heimat.

Werden nur die Urlaubsaktivitäten verglichen, dann erstaunte beim Mittelmeer-Urlaub ein Ergebnis: "Wir haben beim 14tägigen Sommerurlaub am Mittelmeer als typische Aktivität eine halbe Stunde Jetski kalkuliert. Zu unserer Überraschung zeigte sich, dass allein dieser Punkt eine schlechtere Energiebilanz als eine komplette Wintersport-Woche verursacht".

Emissionen aus der Schnee-Produktion lassen sich ausgleichen, zeigen Studien.Foto: Peter Burgstaller

In einer anderen Diskussion warnte der bayerische Landtagsabgeordnete Christian Zwanziger davor, alles nur auf die CO2-Werte zu reduzieren. Um das Thema künstliche Beschneiung ökologisch abzusichern, gelte es auch den Wasserhaushalt, Feuchtgebiete und Bio-Diversivität zu berücksichtigen: "Nach dem jüngsten Bericht dazu ist das ein vielleicht noch brennenderes Thema als der Klimawandel", sagte Zwanziger. Nach Gewicht berechnet gab es vor 10.000 Jahren 1% Menschen, der Rest waren Wildtiere. Heute sind 32% Menschen, 67% Nutztiere und 1% ist Wild. Es sei zwar unbestritten, dass das Aussterben einer Spezies fast alle anderen Arten retten könnte, aber das könne nicht im Interesse dieser einen Spezies, der des Menschen, liegen.

Schmetterlinge wiederentdeckt

Weil Pisten landwirtschaftlich extensiver genutzt werden, "flüchte" manch gefährdete Tierart in diesen Bereich. Das zeigt eine umfassende Studie zum ökologischen Pisten-Management über die Bio-Diversivität von Skipisten der Schmittenhöhe in Zell am See. Danach nutzen Wildbienen, Tagfalter und Heuschrecke den Lebensraum und man entdeckte sogar Schmetterlingsarten, die im Alpenvorland bereits ausgestorben sind. Die Universität Innsbruck erforschte jüngst zudem die überraschende Amphibien-Vielfalt, die sich in den – erst im letzten Jahrzehnt gebauten – Speicherseen angesiedelt hat. Die Bergbahn-Betreiber befürchten damit schon wieder neue bürokratische Hürden.

Diskussionspunkte bleiben, etwa ob es sich bei der Beschneiung um die Nutzung oder den Verbrauch von Wasser handle. "Es ist kein Thema für uns, denn Österreich nutzt nur 3% des vorhandenen Trinkwassers", erwähnte Franz Prettenthaler, Joanneum Research Graz, ein heimisches Privileg. Auch der geringe ökologische Fussabdruck ist vor allem auf Österreichs Wasserreichtum zurückzuführen. Dadurch konnte Prettenthaler schon 2017 belegen, dass durch den Albedo-Effekt die zusätzlichen CO2-Emissionen aus der Schnee-Produktion und aus der Verteilung mehr als ausgeglichen werden. Unter dem Albedo-Effekt versteht man die erhöhte Rückstrahlung von weissen Flächen ins Weltall. Mit 100% Öko-Strom würde die Rechnung überall aufgehen, doch in Deutschland oder Polen mit dem hohen Kohlekraft-Anteil sehe sie derzeit wesentlich schlechter aus, sagte Prettenthaler.

Erstmals gibt es jetzt komplett emissionsfreie und elektrisch angetriebene Pistengeräte.Foto: Fettner

In Sachen Beschneiung sind die Ansichten auch innerhalb der tourismuskritischen NGOs unterschiedlich: In den Tipps für nachhaltiges Skifahren vom WWF Deutschland, wird nicht nur pauschal empfohlen, "nachhaltige Skigebiete" zu wählen – und man soll zugleich künstliche beschneite Gebiete meiden, aber die präparierten Pisten nutzen. Andere, wie der Alpenverein, vertreten eher die Tourenskiläufer und fördern damit den Skilauf abseits des organisierten Skiraums. Auf Pisten ist die Grasnarbe hingegen durch mechanische Beschneiung besser geschützt.

2050 das Ende des Wintersports?

Für den deutschen Wissenschaftler Christian Berg steht fest, dass zum Zeitpunkt des vollständigen Ausstiegs aus der CO2-Wirtschaft 2050 der Wintersport unter 1.800 Metern nicht mehr möglich sein wird. Kletterten die Menschen deshalb vermehrt ins Flugzeug, sei dies klimatechnisch noch schlimmer. Zumindest darüber herrschte Einigkeit.

"Energie wird teuer, Wasser knapp. Deshalb brauchen wir bis 2050 einen Tourismus, der regional organisiert ist, um der Klimaneutralität zu entsprechen", erwartet Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt ein grundsätzlich verändertes Reiseverhalten. Das Wort "Flugschämen" hat im Norden Europas bereits Eingang in die Jugendsprache gefunden. Aktuell aber geben alle Prognosen zum dauerhaft anhaltenden Anstieg des weltweiten Tourismus wenig Anlass auf die Hoffnung zu einem veränderten Reiseverhalten.

Die Menschen möchten im Sommer wie Winter die Alpen als Idylle erleben. Österreichs Alpin-Tourismus wächst weiter, auch die wirtschaftlichen Zahlen der Seilbahn-Wirtschaft verzeichnete im Sommer ein sprunghaftes Wachstum und verpasste im letzten Winter nur knapp den Vorjahrsrekord. Besonders bei den grösseren Wintersport-Zentren ist somit die ökonomische Kraft für nachhaltige Massnahmen, etwa der geplanten Förderung der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, vorhanden. Doch es gibt immer noch grosse Seilbahn-Projekte, wenn auch in reduziertem Umfang, meist bedingt durch Gebietszusammenschlüsse.

Die Industrie zeigte bei einer Ausstellung am Rande der Konferenz schliesslich, was sie zur Ökologisierung beitragen kann. So werden Schneekanonen durch neue Düsentechnik effizienter, und es gibt erstmals komplett emissionsfreie und ausschliesslich elektrisch angetriebene Pistengeräte, welchen auch noch den einen Liter Diesel zu eliminieren, den die Seilbahnen pro Wintergast und Tag derzeit verbrauchen. Als Antrieb der ferneren Zukunft gilt dabei Wasserstoff. / Fred Fettner

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