Wir sind ein Kollateral Schaden Entschädigen Dirk Iserlohe über politische Denkfehler bei der Überbrückungshilfe III

Wir sind ein Kollateral-Schaden

Entschädigen! Dirk Iserlohe über politische Denkfehler bei der Überbrückungshilfe III

Auch die Politik sollte ihre Hausaufgaben machen.Foto: deleece cook unsplash

Berlin/Köln. Die Versprechungen der Vormonate sind noch nicht eingelöst, und vor allem ist das Geld noch längst nicht auf jedem Konto angekommen … Da gewährt die deutsche Bundesregierung schon wieder die nächste, dritte Überbrückungshilfe. Eine Hilfe aber ist das keinesfalls, meint Dirk Iserlohe, Aufsichtsratschef der Dorint Hotels & Resorts und Kämpfer für die Branche.

Auch wenn die Überbrückungshilfe III seit gestern schon beantragt werden kann und erstmals auch eine versprochen ist, ändert es nichts daran, dass auch diese neue staatliche Unterstützung vermutlich am Gros der verbundenen Unternehmen vorbeigehen wird. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt nach dem Wortlaut seiner Webseite Unternehmen bis zu einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro, die zwischen November 2020 und Juni 2021 Umsatzeinbussen von mindestens 30 Prozent verzeichnen mussten, mit Fixkosten-Zuschüssen. Je nach Höhe des Umsatz-Einbruches werden 40 Prozent, 60 Prozent oder 90 Prozent der Fixkosten erstattet - maximal aber 1,5 Millionen Euro.

Dirk Iserlohe weiss, dass die meisten Hotelgruppen nicht viel von dieser "Hilfe" sehen werden.

Herr Iserlohe, was bringt die Überbrückungshilfe III den Dorint Hotels & Resorts?

Zunächst einen Verstoss gegen den Artikel 3 des Grundgesetzes. Die Regierung hat sich entschieden, Förderprogramme zweckzuentfremden anstatt Entschädigungen zu zahlen. Deshalb gibt es ja auch immer wieder Limitierungen.

Für November resp. Dezember haben wir insgesamt 60.000 Euro erhalten, dabei hatten wir Anträge für 14,2 resp. 11,2 Millionen gestellt. Ich fürchte jedoch, dass ich diesen Gesamt-Betrag wieder zurückzahlen muss, weil der Antrag auf Basis von 75% system-immanent bei 1 Million Euro pro Monat endet. Seit Mittwoch wird es spannend, denn die Bazooka wird zur Platzbombe – besonders für Unternehmer in unserer Grössenordnung. Denn nun ist die Überbrückungshilfe III avisiert. Die ist aber auf maximal 12 Million limitiert.

Wo ist immer noch der Haken?

Ganz einfach, er liegt in dieser Frage: Warum muss die Überbrückungshilfe III auf Vorperioden angerechnet werden? Es geht immer um den jetzigen Monat und die jetzige Entschädigung! Wir haben Januar, Februar, und es wird auch im März und im April noch einen Lockdown geben. Das sind alles Monate der Restriktion, da gibt es Umsatzabfälle und diese sind zu entschädigen!

Der Denkfehler resultiert aus dem Konstrukt der Förderprogramme, die in sich stimmig sind. Deshalb wird die Obergrenze normalerweise bei einer Million Euro gedeckelt. Wir wollen aber jetzt keine Fördermittel beanspruchen, sondern schlicht Entschädigungen für Zwangs-Restriktionen erhalten. Entschädigungen sind nach Artikel 12 GG und proportional zur Unternehmensgrösse gemäss Artikel 3 GG für Sonderopfer-Träger geboten.

Dirk Iserlohe: Die Unternehmer sind ausgetrickst worden.Foto: Honestis AG

Vermuten Sie eine Taktik dahinter?

Ja! Wir sind ein Kollateral-Schaden! Einer, der für die Politik im Superwahljahr überschaubar scheint. Der Gastronom, der baden geht, wird im Zweifel vom besten Mitarbeiter übernommen, und die Welt geht weiter. Der Hotelier, der baden geht, wird im Zweifel vom Nächsten übernommen, und die Welt geht weiter.

Man rechnet offenbar mit dem Systemausfall der jetzigen Unternehmer. Der Tourismus steuert nur 8,3% zum BIP bei, und das ist keine Grösse, die Berlin überhaupt Kopfschmerzen bereitet. Wie gesagt, die Kneipen und Hotels bleiben bestehen. Es wechselt nur der Unternehmer, der Jahrzehnte lang fleissig aufgebaut und gearbeitet hat, sich aber nun für die Allgemeinheit opfern darf.

Diese Pandemie hat schon viele Gewinner. Wird sich die neue Bundesregierung nach der Wahl neu für die Hotel- und Gastro-Branche interessieren?

Das ist ja das Originelle, dass sich der Finanzminister des Jahres 2022 – wer immer es ist – wundern wird, dass doch so viele Steuereinnahmen fliessen. Das liegt wohl daran, dass einerseits viele Branchen erhebliche Sondergewinne einfahren. Und dieser Anteil ist grösser als der Anteil des Tourismus am BIP. Also von Branchen wie zum Beispiel: Hygiene, Medizin, Auto, Pharmamedizin, Liefer- und Paketservice, Logistiker, Finanzbranche etc. Die Angestellten des Gastgewerbes sind dann zum grössten Teil wieder untergekommen. Der brave, weggefallene suizidgefährdete Mittelstandsunternehmer fällt dabei nicht weiter auf.

Wird es weniger Hotels, Restaurants und andere Gastro-Betriebe am Markt geben?

Nicht unbedingt, es gehen ja nur die Unternehmer in die Insolvenz. Die Immobilien und Flächen bleiben bestehen. Es gibt genügend Unternehmer mit Kapital, die die Gelegenheit nutzen, die Scherben wieder aufzusammeln. Mitarbeiter sind doch da. Aus dem Markt geworfen sind lediglich jene Unternehmer, die redlich arbeiten. Die zu gross sind, um eine Deckung aus den Förderprogrammen zu erhalten, aber zu klein sind, dass man ihnen in sensationeller Geschwindigkeit Milliarden – wie bei TUI und Lufthansa – Staatsgelder genehmigt.

Was wäre eine letzte Rettungsaktion?

Die Herren Altmaier und Scholz, unsere Minister für Wirtschaft und Finanzen, müssen nur das umsetzen, was Sie ankündigen: nicht gedeckte Fixkosten prüfen und auszahlen. Die EU genehmigt doch längst die Entschädigungsfreiräume. Die Finanzämter der Länder sind dazu in der Lage.

Ist das alles Taktik?

Ja. Es fangen jetzt schon alle an, sich auf die Bundestagswahl auszurichten. Ich erwarte auch auf meine 42 Briefe an die Politik keine Antworten - aber vielleicht etwas Respekt, den ein Unternehmer immer verdient: dass man auch liefert, was man verspricht.

Diese Taktik war vorbereitet, glaube ich. Wenn ich etwas Drohendes am Himmel sehe und mit einer Einschränkungsmassnahme versehe, habe ich Entschädigungen zu zahlen. Deshalb hat die Regierung am 18. November 2020 diesen Paragraphen ausgeräubert, alles in das neue §28a IfSG gesteckt. Damit muss sie keine Entschädigung mehr zahlen. Wir sind ausgetrickst worden.

Danke für das Gespräch!

Interview: Maria Pütz-Willems

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