Cannes (22.3.2019). Cannes an der Côte d'Azur ist seit Jahrzehnten das Zentrum der Reichen und Schönen. Die Stadt soll allerdings mit der Immobilien-Messe MIPIM – jedes Jahr im März – mehr Geld verdienen als mit den Filmfestspielen im Mai. Den roten Teppich vor dem Palais des Festivals et des Congrès am Yachthafen geniesst die internationale Immobilienbranche allerdings auch in vollen Zügen. Während die Expo in München als Arbeitsmesse gilt, ist die MIPIM eher ein Meet & Greet Event, bei dem grosse Deals vorbereitet werden. Zu ihrem 30. Geburtstag wartete die MIPIM mit einigen Neuerungen auf.
Die MIPIM (Marché International des Professionnels de l’Immobilier) lockt internationale Investoren, Entwickler und Politiker an die Côte Azur. Messe-Veranstalter Reed MIDEM zählte letzte Woche 26.800 Besucher und 3.100 Aussteller. Berühmtester aller 560 anwesenden Politiker in Cannes war dieses Mal Ban Ki-moon, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen (2007 bis 2016), der an die MIPIM Besucher appellierte, gemeinsam die Umwelt und den Planeten Erde zu schützen. Der Diplomat kritisierte öffentlich das Leugnen und die Kurzsichtigkeit des US-Präsidenten Donald Trump in der Klima-Debatte: "Es gibt keine Debatte mehr, nur noch Fakten".
Ban Ki-moon hatte nicht das viele Plastik-Einweg-Geschirr auf der MIPIM gesehen, das symbolhaft deutlich machte, wie weit der Weg allein zum Umwelt-Ziel noch ist. Die Immobilienmesse hat sich über die Jahre gut etabliert. Die erste Frühjahrssonne, die prächtige Palast-Kulisse an der Strand-Promenade, die Häppchen und der Champagner tun das übrige dazu, um Immobilien-Profis aus aller Welt in das 75.000 Einwohner-Städtchen zu locken. Zur MIPIM ist Cannes komplett ausgebucht – Airbnb-Unterkünfte inklusive. Horrende Hotel- und Apartment-Kosten sind akzeptiert, der MIPIM-Eintrittspreis von 2.050 Euro netto ebenso.
30. MIPIM: Kleine Anfänge, grosse Wirkung
Die Anfänge der MIPIM waren bescheiden. 1990 fanden gerade einmal 2.973 Besucher aus 22 Ländern den Weg nach Cannes, so die Statistik der Messe. Damals dominierten die Franzosen und Briten das Messegeschehen. Heute hat sich das Bild gewandelt. Inzwischen ist es eine der grössten und wichtigsten Immobilien-Messen der Welt geworden. Das Messegelände soll nun endlich für 51 Millionen Euro modernisiert und ausgebaut werden. Die Umbau-Arbeiten beginnen 2021/22 und sollen bis 2024 abgeschlossen sein, ist französischen Medien zu entnehmen.
Der Fachbesucher-Mix ist bunt. So trifft man zwischen den vielen Immobilien-Experten auch zahlreiche Bürgermeister, etwa aus Paris und Kopenhagen, Köln, Düsseldorf, Frankfurt oder auch aus kleineren Städten wie Mönchengladbach. Alles dreht sich um die gewerblichen Immobilien, die Asset-Klasse Hotel ist wenig sichtbar und in den verwirrenden, schlecht ausgeschilderten, unterirdischen Labyrinth-Gängen des Palais nur mit viel Geduld aufzuspüren. Trotzdem ist die Hotellerie auch in Cannes ein Thema, wie man aus individuellen Gesprächen und bei Empfängen heraushörte.
Das Interesse der Investoren ist gross. Maximilian Ludwig MRICS, Senior Director, Head of Asset Management Retail & Hotel bei der Landesbanktochter Real I.S. AG, die mittlerweile ein kleines, aber feines Portfolio aus acht Hotels aufgebaut hat (vier weitere Objekte sind in Anbindung), sieht das Segment weiterhin als Wachstumsbereich an. Man müsse allerdings angesichts der grossen Pipeline in vielen Städten bei der Auswahl deutlich selektiv vorgehen. Selbst sei man mit Ruby Hotels und Motel One sehr zufrieden, aber auch ein Intercity Hotel in Hannover gehöre bald zum Portfolio, da es von den Kriterien gut passe. Entscheidend sei bei der Auswahl der Standort, das Konzept, der Betreiber und die wirtschaftlichen Bedingungen. Heute würde sich vieles rechnen, doch wie es in drei bis fünf Jahren aussähe, werde oft nicht mit einbezogen in die Entscheidung. Das sei ein Fehler, so Ludwig.
Jochen Schenk, Real I.S.: Der Markt verändert sich. / Foto: privat |
Zudem verändere sich auch der Markt, betonte Real I.S. CEO Jochen Schenk. Das autonome Fahren werde die Innenstädte verändern, ebenso wie das Thema "Best Ager". Und damit ändern sich auch die Anforderungen an die Gebäude insgesamt, nicht nur an Hotels.
Ein breites Konferenzprogramm rundete die MIPIM ab. Neu waren die Bereiche "Health & City" und der "Young Leaders Summit" (bei dem prizeotel-Geschäftsführer Connor Ryterski eingeladen war, einen Vortrag zu halten), das Prop-Tech-Lab und der Mayor Think Tank, wo sich Bürgermeister auf internationaler Ebene austauschten. Ein weiteres Highlight waren die MIPIM Awards für die besten Bauwerke. Sie werden inzwischen in elf Kategorien verliehen. Die drei Finalisten im Bereich Hotel & Tourism Resort waren das Bürgenstock Hotels & Resort Lake Lucerne, der Club Med Cefalù in Italien und Le Barthelemy Hotel and Spa in Saint-Barthelemy, Frankreich. Gewonnen hat das Projekt in Cefalù.
Work hard, play hard
Auch wenn die Staus um die Messe dieses Jahr noch grösser waren als im Vorjahr, die Sicherheitskontrollen auf das Gelände noch schärfer und die Besucher-Schlangen noch länger, zeigte sich wieder deutlich: Die MIPIM punktet vor allem durch die alte Makler-Regel "Lage, Lage, Lage". Gleichzeitig treffen sich in Cannes viele CEOs. Und noch ein anderer Trend ist festzustellen: Angesichts des Fachkräfte-Mangels ist immer häufiger zu spüren, dass Firmen in Cannes junge Führungskräfte für sich gewinnen wollen. Deshalb ist die Frage, wie sich der Nachwuchs die Gebäude und die Städte von morgen vorstellt, auch für Projekt-Entwickler und Investoren interessant.
Am wichtigsten aber ist die MIPIM als Seismograph der internationalen Gemenge-Lage. Wo bleibt das Pendel zwischen Euphorie und Nervosität der Markt-Teilnehmer stehen? Darüber wurde viel diskutiert. Nur beim Brexit waren sich alle einig. Sabine Barthauer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Hypo, brachte es auf den Punkt: Dass zweieinhalb Jahre nach dem Referendum die Bedingungen, zu denen der Brexit (in genau einer Woche!) erfolgen soll, immer noch nicht feststehen, sei schlicht Gift – für die Weltwirtschaft im Allgemeinen, für die EU und Grossbritannien im Speziellen. Die Unsicherheit würde allerorten Ressourcen kosten und die Markt-Akteure hierzulande zunehmend zurückhaltender agieren lassen.
Trotz Brexit: Grossbritannien bleibt wichtig
Anders hingegen verhalten sich wohl asiatische Investoren: Sie nutzten derzeit die Chance, die ihnen der niedrige Pfund-Kurs und die leicht gestiegenen Anfangsrenditen böten und investierten in London. Alles in allem könne sich der gewerbliche Immobilien-Markt Grossbritanniens deshalb trotz der Brexit-Diskussionen gut behaupten. Daran werde sich auch wenig ändern, unabhängig davon, wie hart der Brexit am Ende ausfallen werde. Denn Grossbritannien bleibe auch in Zukunft eine der weltweit grössten Volkswirtschaften – und wohl auch der wichtigste Immobilien-Markt Europas.
Klaus Franken, CEO der Catella Project Management GmbH, zog ein recht positives MIPIM 2019 Fazit – ohne Euphorie und ohne Panik. Trotz Brexit-Chaos und Handelskriegen bliebe seiner Meinung nach die Branche recht unbeeindruckt. Zu Recht, wie er sagte, denn das Umfeld für Immobilien-Investments könnte speziell für Deutschland nicht besser sein. Allerdings werde genauer hingeschaut und wieder mehr auf Qualität statt auf schnelle Deals gesetzt – das sei eine gesunde Entwicklung.
Geld jedenfalls gibt es noch genug, von daher strahlten in Cannes Wetter und Besucher um die Wette. Nur der Mistral und die entsprechend wackeligen Landeanflüge auf Nizza gaben zu verstehen, dass die Côte Azur – ebenso wie der aktuelle Immobilien-Markt – ein Paradies ist, seine Schattenseiten aber trotzdem sehr schnell spürbar werden können. / Beatrix Boutonnet
KOMMENTAR: MIPIM, die erste…
Bei Journalisten gehört Suchen zum Job. Die MIPIM allerdings strapaziert die Geduld dieser Spezies – und vermutlich auch anderer Akteure – in dieser Hinsicht stark. Das ganze Messegelände ist unübersichtlich, an der Hafenmauer liegen Edelyachten Seite an Seite, die Mega-Yacht eines Herrn Benko diskret in der Nachbar-Bucht. An der Strand-Seite reihen sich Mega-Zelte, in denen sich Mega-Destinationen wie Moskau oder London präsentieren. Deren Zelte sind glücklicherweise in Mega-Lettern beschriftet, anders als die Palais-Gebäude, in die man regelrecht hineinstolpert, lange in den langen Gängen sucht und vergeblich auf weitere Wegweiser zu Ausstellern hofft. Das ist uneffizient. |