Zeig mir Dein Gesicht KI macht Face Recognition möglich Gier nach Daten Datenmissbrauch
HI+

Zeig mir Dein Gesicht

KI macht Face Recognition möglich: Gier nach Daten - Datenmissbrauch

Gesichtserkennung: eine Technologie voller Möglichkeiten und Gefahren.Foto: chombosan stock.adobe.com

München. Künstliche Intelligenz macht's möglich: Immer mehr Airlines und Flughäfen setzen auf die biometrische Gesichtserkennung zur schnelleren Abfertigung und schärferen Sicherheitskontrolle – seit neuestem auch die Lufthansa. Und Hotels wollen damit die Gäste-Erfahrung individualisieren. In China hat das erste Hotel die Gesichtserkennung eingeführt. Kritiker warnen vor Fehlern, Datenmissbrauch und der Verletzung der Privatsphäre. Tests zeigen, wie anfällig das System noch ist.

Wer einen Lufthansa-Flug ab Los Angeles gebucht hat, kann seit kurzem ohne Bordkarte und Passkontrolle in das Flugzeug steigen. Am biometrischen Boarding-Gate wird ein Foto von seinem Gesicht gemacht. Dazu muss er nicht einmal stehen bleiben. Die eingebauten Kameras von Vision-Box erfassen die biometrischen Daten nicht nur blitzschnell, sondern passen sich auch der Grösse der Passagiere an.

Die Fotos werden in Echtzeit zur U.S. Customs and Border Protection geleitet und mit dem Bild beim Department of Homeland Security – dem amerikanischen Heimatschutz-Ministerium – abgeglichen. Ist alles in Ordnung, kann das Passagier an Bord gehen.

Mit der Gesichterkennung entfallen nicht nur die für den Passagier lästigen Kontrollen von Bordkarte und Pass, der Einsteigeprozess wird auch erheblich schneller. "Wir haben einen A380 mit 350 Passagieren in 22 Minuten geboardet", sagt Adel Baraghith, Projektleiter Produktmanagement bei der Lufthansa. Bisher habe es etwa 40 Minuten gedauert.

Mit der Gesichtserkennung folgt Lufthansa dem Vorreiter British Airways, die dasselbe System bereits seit November bei internationalen Flügen ab Los Angeles einsetzt und inzwischen auf die Flughäfen in Orlando, Miami und den John F. Kennedy Airport in New York ausgeweitet hat. Auch bei den Briten hat sich die Einsteigezeit enorm reduziert. In Orlando brauchten die 240 Passagiere auf dem täglichen Flug nach London-Gatwick nur noch rund zehn Minuten.

Ohne Zustimmung der Betroffenen

Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die biometrischen Daten der Passagiere den Behörden vorliegen, also – wie in den USA – bereits beim Visumsantrag oder bei der Einreise erfasst wurden. Dort gab es bereits 2017 Pilotprogramme zur Gesichtserkennung an einigen internationalen Flughäfen. Die Ausreise-Checks sollen dazu dienen, Visa-Überschreitungen von Ausländern zu erfassen und sicherstellen, dass die eingecheckte Person auch wirklich ausfliegt.

Schluss mit langen Schlangen: E-Gate mit biometrischerIdentifizierung am Flughafen LAX.Foto: LAWA

Bei den Experten des Georgetown University Law Center on Privacy & Technology in Washington D.C. stösst das sogenannte Biometric-Exit-Programm des Heimatschutz-Ministeriums auf erhebliche Kritik. In ihrem Report "Not ready for takeoff", veröffentlicht im Dezember, bemängelten sie, dass die biometrische Gesichtserkennung auch bei US-Bürgern ohne deren Zustimmung durchgeführt wird. Inzwischen hat das Ministerium offenbar eingelenkt. So können US-Bürger – auch bei Lufthansa – die Gesichtserkennung ablehnen und beim bisherigen Boarding-Prozess bleiben.

Ungeklärt sei auch die Speicherung und mögliche Nutzung der biometrischen Daten von US-Bürgern für andere Zwecke; hinzu komme die Gefahr, dass die Daten Hackern in die Finger fallen, so die Experten. Die Fotos internationaler Passagiere werden dabei über Jahre aufbewahrt und können mit FBI- und Terroristen-Listen abgeglichen werden.

Der Bericht kritisiert auch, dass bisher keine Zahlen vorlägen, ob das biometrische Scannen überhaupt die gewünschte Verbesserung bei der Sicherheit bringe. Zumal die Genauigkeitsanforderungen des Ministeriums lediglich bei 96 Prozent lägen. Das bedeute, dass einer von 25 Reisenden fälschlicherweise zurückgewiesen wird. Das wären allein am JFK-Airport in New York 1.632 Passagiere pro Tag.

Dubai: Identifiziert im Fisch-Tunnel

Inzwischen experimentieren Airlines in aller Welt mit der Gesichtserkennung. In Dubai wurde im vergangenen Jahr ein gläserner Tunnel mit dreidimensionalen Bildern aus einem Aquarium vorgestellt. Während die Passagiere den Tunnel durchqueren und die Fische beobachten, erfassen 80 versteckte Kameras ihr Gesicht. "Fische sind eine Art Unterhaltung", wird Major Gen Obaid Al Hameeri, stellvertretender Direktor des Immigration und Visa Departments in der Zeitung "The National" zitiert.

Letztlich gehe es darum, den Reisenden so dazu zu bringen, dass er in verschiedene Ecken des gläsernen Tunnels schaut, damit die Kameras das Gesicht so gut wie möglich erfassen können. Natürlich könne man statt Fische auch Wüstenbilder oder sogar Werbeanzeigen aufspielen. Stimmen die biometrischen Daten mit der zuvor erfolgten Registrierung überein, leuchtet am Ende des Tunnels ein grünes Licht. Blinkt es rot, wird das Sicherheitspersonal informiert.

Laut Zeitungsbericht sollen die ersten "virtuellen Grenzen" in einem Pilotprojekt in diesem Sommer am Terminal 3 der Fluggesellschaft Emirates am Dubai International Airport installiert werden. Beim Flughafen bestreitet man, dass es bereits Pläne zur Umsetzung gibt. Auch bei Emirates weiss man davon angeblich nichts.

Doch ob mit Fischen oder ohne – die Gesichtskontrolle am Flughafen wird kommen. "Wir beobachten weltweit ein enormes Interesse", erklärte Sean Farrell, der das biometrische Team beim Technologie-Unternehmen SITA leitet, dem Fachmagazin "Travel Weekly". Er glaube, dass bis 2020 alle wichtigen Flughäfen das biometrische Modell nutzen werden.

Noch laufen die meisten Pilotprojekte bei inländischen Flügen. Denn die Kooperation von Airlines und Behörden ist technisch oftmals eine Herausforderung, weil beide IT-Systeme aufeinander abgestimmt werden müssen. "Es gibt immer mehr Länder, die daran ein Interesse haben", beobachtet Projektleiter Baraghith. Auch Lufthansa will das biometrische Boarding daher auf andere Flughäfen ausweiten. Allerdings sei das auch eine Kostenfrage. In Los Angeles habe der Flughafen die teuren Geräte zur Verfügung gestellt.

Zahl mit deinem Lächeln: Im KFC Hangzhou wird Gesichtserkennung bereits für Zahlungen genutzt.Foto: Yum China

Vorreiter China: Kontrolle im Hotel

Vorreiter in Sachen Gesichtserkennung ist China. Dort ist man gerade dabei, das weltweit effektivste System der Gesichtserkennung aufzubauen, das jeden der 1,3 Milliarden Einwohner innerhalb von drei Sekunden identifizieren kann. So ist es in der "South China Morning Post" nachzulesen.

Damit will China sein bereits laufendes System der totalen sozialen Kontrolle umsetzen. Ab 2020 soll ein verpflichtendes Bewertungssystem für alle Bürger eingeführt werden. Beim sogenannten "Citizen Code" bekommen die Bürger Punkte für ihr soziales Verhalten gutgeschrieben oder abgezogen. Wer einen hohen Punktestand hat, wird belohnt. Wer zu wenige Punkte hat, darf zum Beispiel nicht mehr ins Ausland reisen. In einigen Städten wird die Gesichtserkennung bereits eingesetzt, um Passanten, die bei Rot über die Strasse gehen, zu erfassen. Foto, Name und Adresse des Verkehrssünders werden dann auf einer grossen Tafel neben der Strasse als Abschreckung gezeigt.

Auch an etlichen Flughäfen gibt es längst Gesichtserkennung. Im September 2017 berichtete die staatliche Agentur Xinhua, wie man mit seinem Gesicht in einem Hotel in Kunming in der Provinz Yunnan einchecken kann. Dort stellen sich die Gäste vor eine Maschine, die sie fotografiert und sofort ihre persönlichen Buchungsinformationen auf dem Computer des Hotels anzeigt, nachdem die Daten mit den Polizeidaten abgeglichen wurden. Im Xishan District von Kumning sollte die Gesichtskontrolle innerhalb der nächsten zwei Monate in allen Hotels eingeführt werden.

In China seien die Technologien zur Gesichtserkennung genauso gut wie die in den westlichen Ländern entwickelt, erklärte Wang Shengjin, Professor im Department of Electronic Engineering an der renommierten Tsinghua University gegenüber dem US-Magazin "Forbes". Aber China sei weit voraus, wenn es um die kommerzielle Nutzung gehe. Laut Xinhua hat der Markt für Gesichtserkennung in China bereits 2016 ein Volumen von einer rund 150 Millionen US-Dollar überschritten und soll sich bis 2021 mehr als verfünffachen.

So kann man in China bei einigen Banken bereits mit Gesichtserkennung Geld abheben. Im KFC Restaurant in Huangzhou kann man mit seinem Gesicht sogar bezahlen. Bei "Smile to Pay" schaut man kurz in eine Kamera und identifiziert sich zudem mit seiner Bezahl-App auf dem Smartphone. Dahinter steht der Gigant Alipay.

Auch in Singapur sollen Hotelgäste künftig mit einem Selfie und einer neuen App einchecken, berichtete die "Strait Times" im November 2017. Mit derselben App kann der Hotelgast sein Zimmer öffnen und Licht, Klimaanlage und TV regulieren. Damit liesse sich die Produktivität im Hotelsektor erhöhen. Bei der Singapore Hotel Association arbeitet man mit Unterstützung des Singapore Tourism Board derzeit an einer "Smart Hotel Technology Roadmap".

Bereits im März 2016 enthüllte der britische Guardian, dass auch eine Reihe von hochpreisigen Hotels in Europa die Gesichtserkennung einsetzen, um VIPs zu identifizieren und sie schon beim Eintritt ins Hotel bevorzugt zu behandeln zu können. Namen wurden allerdings nicht genannt. Und der IT-Konzern Oracle kommt in seinem Report "Hotel 2025" zu dem Schluss, dass Gesichtserkennung eine wesentliche Technologie für Hoteliers sei, um personalisierte und individualisierte Gästeerfahrungen zu ermöglichen und daher künftig weit verbreitet sein werde. Allerdings gebe es hier auch deutliche Bedenken. Denn anders bei Fingerabdrücken oder dem Scannen der Iris funktioniere die Gesichtserkennung auch aus einem grösseren Abstand und ohne das Wissen und die Zustimmung der betroffenen Person.

Software lässt sich austricksen

Doch nicht nur die allgegenwärtige Überwachung und die Fehlerquote lassen Kritiker erschaudern. Die Software lässt sich relativ einfach austricksen. So haben Forscher herausgefunden, wie man die Bilderkennung mit simplen Tricks foppen kann. Ein Forscherteam bei Google hat dafür einen Farbfleck ausgetüftelt, der die automatische Bilderkennung des Computers ausser Kraft setzt. Egal was man dem Computer zeigt, er sieht überall nur noch Toaster. Das Muster wirke auf die künstliche Intelligenz wie ein unwiderstehlicher Köder, so die Forscher: Sie glaubt, einen Toaster zu erkennen und hält daher die anderen Bildinhalte für unwesentlich. Andere Forscher veränderten auf digitalen Fotos – für Menschen unmerklich - einzelne Bildpunkte – und der Computer verwechselte plötzlich einen Schulbus mit dem Vogel Strauss. / Bärbel Schwertfeger

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"3.145.97.248","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.145.97.248","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1