Alles versichert Wie der Terror den Tourismus beeinflusst 2 Investoren und Hotel Sicht
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Wie der Terror den Tourismus beeinflusst (2): Investoren- und Hotel-Sicht

Versicherungen verhindern, dass das Geld des Investors wegschwimmt. Terror verhindern aber können sie nicht.Foto: 3desc Fotolia

München. Welche Auswirkungen haben Terror-Anschläge auf den Tourismus und speziell auf einzelne Destinationen? Einige Antworten darauf gab der erste Teil dieser Serie letzten Freitag. Investoren scheint nichts die Ruhe nehmen zu können: Beinahe gespenstisch wirkt der Glaube daran, dass alles nur eine Frage von Versicherungen ist und ansonsten Zertifikate für mehr Sicherheit in Hotels sorgen können. Und Hoteliers verstecken sich hinter der Diskretion, die ihr Job ihnen auferlegt. Nur der zunehmende Umfang der Cyber-Kriminalität rüttelt wach.

Die ökonomischen Kosten von Terror-Anschlägen sind schwer zu kalkulieren. Noch schwerer auszumachen ist der immaterielle Schaden durch die Folgen, wie z.B. die Angst vor Anschlägen und die damit verbundene sinkende Lebenszufriedenheit. Auch das sind nicht zu vernachlässigbare Faktoren für eine Volkswirtschaft. Ebenso gefährlich ist der Anstieg der rechtspopulistischen Parteien quer über Europa - Grund genug für viele Touristen, die Stadt zu meiden.

Ruhig dagegen bleiben die Investoren. Für Investoren sei das Thema Terrorismus nicht gross. Der Markt habe das vielfach schon eingepreist, sagt Thomas Beyerle, Head of Research bei der skandinavischen Immobilien-Gesellschaft Catella. "Sie meiden Standorte wie Paris meines Erachtens nicht. Die Nachfrage ist weiterhin gegeben", schätzt auch Andreas Erben von Colliers International in Berlin die Situation ein. Ähnlich sieht es auch Ulrike Schüler, geschäftsführende Gesellschafterin von PKF hotelexperts München: Eine Verhaltensveränderung wegen Terrorgefahr seitens der Investoren sei in Deutschland nichts spürbar, Paris sei weiterhin als Standort interessant. Im Gespräch mit Banken werde eher die Situation in Russland und die wirtschaftliche Lage dort thematisiert. So abgebrüht es klingen mag, die Welt habe sich an die Terrorgefahr gewöhnt.

Mehr Terror wird Investitionen verschieben

Thomas Beyerle, Catella: Der Markt hat es eingepreist.

Viele befürchten, dass durch den Terrorismus die Investitionsbereitschaft an betroffenen Standorten nachlassen könnte, wie es in Spanien und Griechenland im Zeitraum 1975 bis 1991 der Fall war, als es in beiden Ländern viele politisch motivierte Terror-Anschläge gab. Dort gingen damals die ausländischen Direkt-Investitionen in Spanien um 14 Prozent und in Griechenland um 12 Prozent zurück. In Paris und Istanbul zeigen sich die Investoren dagegen aktuell stoisch. Der Grund: Erfahrene Investoren haben inzwischen gelernt, dass die Auswirkungen von Terror-Anschlägen eher kurzfristiger Natur sind. Tim Krieger, Ökonom und Terrorismus-Forscher an der Universität Freiburg, glaubt daher, dass es vor allem auf die Frequenz von Anschlägen ankommt. "Werden wir in Europa häufiger attackiert, werden die Leute beim Konsum zurückhaltender, und Unternehmen dürften Investitionen verschieben", so der Experte.

Bei der Beleihungsquote der Immobilien hat sich bislang noch nichts geändert. "Wir setzen derzeit keinen anderen LTV an. Insgesamt ist der LTV zwischen den Asset-Klassen aber schon immer unterschiedlich gewesen", erklärt Andreas Erben. Auch Ursula Kriegl, Executive Vice President Hotels & Hospitality bei JLL, hat noch keine überstürzten Reaktionen seitens der Banken erlebt. Man sei sehr diszipliniert und lösungsorientiert. Man setze sich mit den Eigentümern zusammen und analysiere die Situation. LTV-Tests erfolgen in der Regel über einen Zweijahres-Zeitraum. Gäbe es punktuelles Problem, könnte man das meist über den Zeitverlauf wieder ausbügeln, so Kriegl weiter.

Zu einer Änderung in den Vertragsarten ist es durch die verstärkte Terrorismus-Gefahr auch nicht gekommen. Das Thema Management-Verträge sei in Deutschland nie da gewesen, so Erben, weil für die DACH-Region wirtschaftlich und steuerlich uninteressant. Die Diskussion darüber werde ohnehin eher von den Beratern angeschoben und die Hotelkonzerne wünschten sich dies natürlich.

Versicherungen: 9/11 sollte sich nicht wiederholen

Terror, Cyber-Angriffe und Wetter-Katastrophen – das werden die Themen sein, die auf der Agenda der Risk-Manager der Versicherungen zukünftig ganz oben stehen werden. Das Einpreisen von Schäden erfolgt in der Regel über Versicherungen. Hier ist die Frage, wie sich die Prämien entwickeln werden, sagt Erben.

Kathrin Jarosch, GDV: 911 verursachte bisher den grössten Schaden.

Bislang habe man keine Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Terrors auf die Hotellerie oder Immobilien-Branche, so Kathrin Jarosch, Pressesprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.. Dennoch weiss die Branche seit dem 11. September 2001, dass der weltweite Terrorismus eine ökonomische Herausforderung darstellt. 3.122 Tote, 2.250 Verletzte, enorme Sach- und Folgeschäden.

Die Anschläge von 9/11 haben wahrscheinlich den bisher grössten Einzelschaden in der Versicherungsgeschichte verursacht. Die Gesamtsumme der Schäden, die sich auf die Sparten Sachversicherung, Haftpflicht-Versicherung, Lebens- und Unfall-Versicherung und Versicherung geben Betriebsunterbrechung und Luftfahrt-Versicherung verteilen, wird auf 32 bis 56 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Bemerkenswert ist, dass es zu keiner Versicherungsinsolvenz kam. Klar wurde aber auch, dass das in näherer Zukunft nicht beliebig oft wiederholbar sei, erklären Wilhelm Ruprecht und Michael Wolgast vom GDV. In Deutschland fand man mit der Extremus AG eine Lösung zur Versicherbarkeit von Terror-Risiken. Auf Initiative der deutschen Versicherungswirtschaft haben 16 Versicherungen bzw. ihre Unternehmen 2002 einen Pool gegründet, um über die grossen Risiken in Deutschland auch gegen solche Sachschäden und Betriebsunterbrechungen versicherbar zu sein, die durch Terror-Akte entstehen.

Voraussetzung ist, dass die Anschläge in Deutschland begangen werden. Die Nachfrage von Grosskunden und Investoren nach einer Terror-Deckung sei seit der Gründung von Extremus ständig gestiegen, heisst es – besonders im Bereich Immobilien und Finanzdienstleister. Dies ist insofern nicht überraschend, da Investoren aus dem In- und Ausland kein Engagement in Deutschland tätigen, das nicht durch eine Terror-Versicherung abgesichert ist.

Eine Karte der Safehotels Alliance, die zeigt, wo sie bereits Hotels zertifiziert hat.

Banken verlangen beispielsweise bei der Darlehensvergabe den Versicherungsschutz gegen Schäden durch Terror-Akte. Pools seien schon eine sehr sinnvolle Einrichtung, sagt Anke Rosumek, Pressesprecherin des Rückversicherers Munich Re. Terror sei ohnehin ein sehr schwer zu kalkulierendes Risiko, da es nicht dem Zufallsprinzip folge, sondern von menschlichen Entscheidungen abhänge.

Sicherheitskonzepte mit Zertifikat für Hotels

Offen äussern wollten sich nicht alle befragten Hotels und Hotelgruppen, handelt es sich hier doch um ein sensibles Thema. Hektik und Nervosität sind zwar wenig zu spüren, dennoch wird hinter vorgehaltener Hand darüber viel diskutiert. Nur an die Öffentlichkeit soll nichts dringen. Vieles hänge davon ab, sagt ein Hotelier, der sich stoisch gelassen gibt, was die nächsten Wochen und Monate bringen. Komme es zu neuen Attacken in Tourismus-Zentren, müsse man über andere Massnahmen diskutieren. Angesichts von Terror-Gefahren wolle und müsse man gelassen und ruhig bleiben.

Immer wieder ist aus der Hotellerie zu hören, man habe ausreichende Sicherheitsvorkehrungen in einer "normalen" Situation. Kein Hotel-Manager will Panik auslösen. Gerade in der hochpreisigen Luxus-Hotellerie sei man es gewohnt, kühl und ohne Hektik auf solche Bedrohungslagen zu reagieren, schliesslich hätte man sehr oft hochrangige Gäste, die stets Ziele von Attentaten werden könnten. Dennoch sind viele Hotels durch die Attentate äusserst sensibilisiert. Sicherheits-Vorkehrungen und Schutz in sensiblen Bereichen werden überprüft. Für jedes Hotel habe man zu jeder Zeit ein eigenes Sicherheitskonzept. Das allerdings sei schon seit Jahrzehnten so, erklärt Gunther Träger, der Pressesprecher von Steigenberger Hotels.

Paul Moxness, Carlson Rezidor: Schulungen helfen.

Bei Radisson Blu und Park Inn by Radisson Hotels beispielsweise setzt man – nicht erst seit dem Anschlag auf das Radisson Blu in Mali, Afrika, zum Schutz der Gäste und der Mitarbeiter auf die Zusammenarbeit mit der international anerkannten Sicherheitsberatung Safehotels Alliance AB. Das Unternehmen prüft weltweit Hotel-Massnahmen in Bezug auf Erste Hilfe, Brandschutz, Sicherheits-Management und Sicherung des persönlichen Eigentums der Gäste. Besonders hohe Qualitätsansprüche werden im Anschluss mit einem Zertifikat ausgezeichnet.

"Mit regelmässigen Personal-Schulungen und entsprechenden Fachkräften können wir den Sicherheitsrisiken in unseren Hotels sehr gut begegnen. Zusätzlich führen wir regelmässige Risiko-Analysen durch und pflegen einen offenen Dialog mit unseren Gästen und Kunden, wodurch wir im Alltag oder bei Events auch erhöhte Massnahmen und zusätzliches Sicherheitspersonal arrangieren können," erklärt Paul Moxness, Vice President Corporate Safety & Security bei der Carlson Rezidor Hotel Group.

Der Anschlag auf das Radisson Mali konnte trotzdem nicht verhindert werden. Die Arbeit der Safehotels Alliance hilft trotzdem: Im Rahmen ihrer Prüfungen hat man sich intensiv mit den Prozessen, Trainings, der Ausrüstung und weiteren Sicherheitsbestimmungen in den Rezidor-Hotels auseinander gesetzt. Die erfolgreiche Zertifizierung zeige, dass die Sicherheitsmassnahmen auf dem neuesten Stand seien und regelmässig überprüft werden. 2015 wurden über 64 Radisson Blu und Park Inn in EMEA mit einem solchen Zertifikat ausgestattet.

Zum Schutz des persönlichen Eigentums der Gäste sind diese Hotels rund um die Uhr besetzt, arbeiten eng mit Sicherheitsfirmen zusammen und stellen Gästen auf Wunsch erhöhte Schutzmassnahmen zur Verfügung. Zusätzlich zu einwandfreier Erste Hilfe- und Brandschutz-Ausstattung, Personal-Schulungen und dokumentiertem Vorgehen in Notfällen gebe es in den zertifizierten Hotels einen Krisenstab, Sicherheitsfachkräfte und regelmässige Risiko-Analysen.

Ulrike Schüler, PKF: Investoren verändern ihr Verhalten nicht.

Cyber-Terrorismus stärker im Fokus

Internet und Digitalisierung, die fortschreitende Vernetzung und Automatisierung von Produktions- und Logistik-Abläufen nimmt zu. Datensicherheit stellt daher eine besondere Herausforderung dar. "Ein ganz grosses Thema", ist daher auch in Hotelkreisen immer wieder zu hören.

Schon im vergangenen Jahr stellte die Versicherungswirtschaft eine deutliche Wende im Umgang mit Cyber-Risken fest. Rund die Hälfte aller deutschen Unternehmen ist laut einer Bitkom-Umfrage aus 2015 innerhalb der vorangegangenen zwei Jahre Opfer von Computer-Kriminalität geworden. Der dadurch entstandene Schaden für die gesamte deutsche Wirtschaft wird dabei auf rund 51 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Fazit: Terrorismus hat immer zum Ziel, Angst zu erzeugen, so dass Menschen ihr Verhalten und ihre Lebens- und Reise-Gewohnheiten ändern. Doch sowohl Hoteliers wie Investoren reagieren gelassen, geradezu erstaunlich abgeklärt. / Beatrix Boutonnet

 

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