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Christie & Co (2): Hostels wie Budget Hotels locken mit immer mehr Service

Dachterrassen-Party im baxpax Hostel Berlin: Entertainment wollen alle.Das ist ein Hostel-'Service', der honoriert wird.

Frankfurt. Der aktuelle Wettbewerb zwischen Hostel und Budget spielt sich im deutschen Markt auch auf der Service-Ebene ab. Da entwickeln vor allem die Hostels grosse Entertainment-Gelüste, wie der heutige zweite Teil unserer Serie mit Christie & Co zeigt. Wie Constanze Maas, Associate Director Advisory & Valuation Services, beobachtet, stürzen sich beide Segmente allerdings auch immer mehr auf Geschäftsreisende. Eine ähnliche Entwicklung vollziehen alternative Anbieter wie Airbnb. Deutschland sieht die Hotel-Expertin weiterhin als "the place to be" für bekannte und neue Budget-Marken.

 

Im ersten Teil unserer Serie letzte Woche sprachen Sie von der Aufwertung des Angebotes im Hostel-Segment. Sehen Sie denn im Budget-Markt einen Trend zu mehr Services?

Constanze Maas: Definitiv. Aber es sind nicht die klassischen Services; diese interessieren die Budget-Klientel – vor allem junge Städtereisende und zunehmend Geschäftsleute – ohnehin nicht so sehr. Da Budget-Hotels meist zentral liegen, gibt es in der Regel genug Restaurants im Umkreis. Was diese Klientel aber braucht, ist auf jeden Fall schnelles Internet.

Nehmen wir beispielsweise die junge Marke Ruby Hotels, die bislang erst mit zwei Häusern in Wien vertreten ist. Unter dem Motto "Lean Luxury" bieten die Hotels u.a. kostenloses WLAN, iMacs zum Surfen in der Bar, iPads auf den Zimmern, kostenlosen Verleih von Fahrrädern und E-Gitarren sowie die passenden Verstärker als Sound-System auf den Zimmern. Beim Frühstück wird Wert auf Bioprodukte gelegt, Bar und Café sind 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche geöffnet. Wie in den meisten Budget-Hotels sind die Zimmer aber design-orientiert und von durchdachter Raumnutzung.

Ein Trend zu mehr Services ist aber selbst im Hostel-Segment erkennbar. Hostel-Konzepte der neuen Generation bieten alles Mögliche, von Mojitos in der Lounge über Yoga auf der Dachterrasse, Tanzstunden, Swimmingpool, Nachtclub und Restaurant bis hin zu Konferenz-Möglichkeiten – letzteres ist beispielsweise in fast allen Häusern von A&O üblich.

Constanze Maas.

Hostels wie das PLUS Hostel in Berlin-Mitte oder das baxpax downtown Hostel Hotel Berlin bieten ihren Gästen einen Indoor-Pool resp. Pool auf der Dachterrasse. Das One80° Hostel Berlin hat im Gegenzug seinen eigenen Nachtclub auf 149 qm für 150 feierwütige Gäste. Auch Generator Hostels veranstalten regelmässig Events mit Live Musik und DJs und sogar Salsa- und Bachata-Tanzkurse in ihrem Haus in Berlin-Mitte. Diese Beispiele zeigen deutlich, wie sich der Markt insgesamt verändert: Es gibt in beiden Segmenten einen starken Trend zu mehr Individualität. Die Zielgruppe erwartet ein Basis-Angebot, will sich aber ihr Servicepaket am liebsten selbst zusammenstellen.

Das hat auch Horst Rahe erkannt, der mit seinen a-ja Budget-Resorts in deutschen Urlaubsdestinationen unter dem Motto "Alles haben können, aber nicht alles bezahlen müssen" Ferien nach dem Baukasten-System anbietet und so einen preisgünstigen Wellnessurlaub ermöglicht. Die Grundausstattung ist funktional und dennoch design-orientiert, aber verzichtet auf Schnickschnack – dafür können sich die Gäste aber Services, sogenannte "UPs", dazu buchen, z.B. Halbpension, ein umfangreiches Wellness-Programm oder ein vielseitiges Freizeit- und Sportangebot. Damit geht selbst im Ferien-Economy-Markt der Trend weg vom Pauschal-Angebot.

Mehr Individualität bieten ja auch Unterkunft-Alternativen wie Airbnb, die eine ähnliche Zielgruppe ansprechen wie das Budget-Segment. Wo sehen Sie da den Übergang?

Constanze Maas: Im Grunde gehören Budget-Hotels und Airbnb Segmenten an, die nicht direkt miteinander vergleichbar sind, ausser dass sie sich teilweise auf einem ähnlichen Preisniveau bewegen. Wie bereits in Teil 1 unseres Gesprächs erwähnt, gibt es sogar im Longstay-Bereich Budget-Hotel-Betreiber, z.B. Marken wie Harry's Home und Adagio Access. Im Vergleich zu diesen Hotel-Segmenten bietet Airbnb eine weite Spanne an Apartments/Zimmern, Studios und Wohnungen an – ein Angebot, das einer bestimmten Hotel-Kategorie nicht gleichzusetzen ist, weil es sich überwiegend auch um private Unterkünfte handelt.

Lange vor dem Airbnb-Hype gab es ja bereits einen Markt für Langzeit-Aufenthalte mit einer Fülle an Produkten zwischen Wohnen und Hotel. Traditionelle private Ferien-Unterkünfte werden schon seit Jahren über Plattformen wie FeWo-direkt und e-domizil vermietet. Man könnte sagen, Airbnb, Wimdu und 9flats sind die moderne Variante dieses Prinzips für die Metropole.

MARKT-ANTEILE 2015
BUDGET-HOTELLERIE
in Deutschland

innerhalb der Ketten-Hotellerie:
10% bezogen auf die Hotel-Zahl
7% bezogen auf die Zimmer-Zahl

innerhalb der gesamten Hotellerie:
60% bezogen auf die Hotel-Zahl
25% bezogen auf die Zimmer-Zahl

Quelle: MKG Hospitality


Demgegenüber steht unter dem Dachbegriff Serviced Apartments ein Markt, dem die Unterkategorien Aparthotels/Apartment-Hotels, Corporate Housing und Branded Residences zuzuordnen sind. Zwei Hauptfaktoren unterschieden sie vom Hotel: die Küche/Kochnische sowie ein grösserer Raum für Wohnen und Schlafen.

All diese Formen wenden sich verstärkt auch an die Geschäftsreise-Klientel von Hostels und Budget-Hotels. Deshalb hat Airbnb in den USA bereits in Kooperation mit Concur ein Online-Portal exklusiv für Corporate-Nutzer entwickelt, das auch noch Buchungslösungen für Firmen mit integriert. Auch in Deutschland entwickelt der Anbieter sein Online-Angebot in diese Richtung.

Hier entsteht jetzt ein spannender Wettbewerb zur klassischen Hotellerie: Denn zumindest in Europa möchten die wenigsten Geschäftsreisenden wohl auf 15 Quadratmetern wohnen. Deshalb kommen hier Produkte wie aloft, Ruby oder Zoku mit grösserem Zimmer, aber hoher Design-Affinität und persönlicher Betreuung ins Spiel. Wobei das Hybrid-Modell der niederländischen Zoku-Gruppe schon wieder die Grenzen zwischen klassischem Hotel und Serviced Apartment verschwimmen lässt.

Welche grossen Ketten engagieren sich denn derzeit in Deutschland neu im Budget-Segment?

Constanze Maas: Der deutsche Budget-Hotel-Sektor ist bei vielen internationalen Hotelketten und Projektentwicklern heiss begehrt. So wagte beispielsweise die 2014 von der chinesischen Jin Jiang Group akquirierte Louvre Hotels Group den Markteintritt mit ihrer Budget-Marke Première Classe. Die chinesische Plateno Hotels Group, die inzwischen auch zu Jin Jiang gehört, plant von Deutschland aus ebenfalls den Markteintritt in Europa. Franchise-Geber Wyndham Hotel Group schloss einen Vertrag mit der Tristar Hotel GmbH, der unter der Marke Super 8 gleich mehrere Hotels in Deutschland vorsieht. Das Flagschiff Super 8 München City West ist ein Budget-Hotel, das im März 2016 mit 168 Zimmern öffnen soll. Im Herbst 2016 ist mit 197 Zimmern im Super 8 Munich City Nord zudem ein weiteres Haus in München-Schwabing geplant, im ersten Quartal 2017 folgt dann eines in Freiburg.

Ebenso möchte Marriott International über seine Franchise-Marke Moxy den deutschen Markt erobern: Insgesamt acht Projekte mit über 1.760 Zimmern sollen in München, Frankfurt, Berlin, Hamburg und Essen bis 2017 schon in der Pipeline sein.

Der führende britische Gigant Premier Inn mit über 670 Hotels und 54.000 Zimmern in Grossbritannien hat die ersten zwei Verträge für Frankfurt und München unterschrieben und plant ein spezielles "deutsches Zimmer", das man erstmals live an der Expo Real 2015 sehen konnte. Auch Betreiber aus dem benachbarten Österreich wagen den Schritt über die Grenze: Mit 14 Objekten in der Alpenrepublik ist die Budget-Marke Fair Sleep Hotels & Motels in ihrem Heimatmarkt bereits ein alter Bekannter. Im Sommer 2015 eröffnete sie das erste Hotel in Deutschland, ein weiteres soll im Frühjahr 2016 folgen. Bis 2020 will das Unternehmen sein Portfolio in Deutschland und Österreich auf 50 Betriebe erweitern. Die ebenfalls österreichische Marke Harry's Home hat in München-Moosach mit 200 Zimmern bereits ihr Debüt gegeben.


KENNZIFFERN
Budget-/Hostel-Markt Deutschland 2010-2015
201020112012201320142015
 





Belegung67,669,169,269,271,273,1
Durchschnittsrate in €55,256,959,560,862,364,0
RevPAR in €37,339,341,242,444,346,8







Entwicklung Belegung-1,50,10,51,51,8
Entwicklung Durchschnittsrate-2,94,62,12,52,8
Entwicklung RevPAR-5,34,82,84,75,5

Grafiken/Quelle: MKG Hospitality Database - Januar 2016
Datenbasis: Zimmer-Zahlen von B&B Hotels, Ibis, Ibis Budget, Ibis Styles,
Meininger Hotels, Motel One = insgesamt 41.699 Zimmer


 

Und wie reagieren die in Deutschland bereits etablierten Marken darauf?

Constanze Maas: Die sehen natürlich nicht tatenlos zu, wenn Newcomer den Markt betreten. B&B Hotels bleibt im Kern seinem Takt von etwa zehn Eröffnungen pro Jahr treu – so ist es auch für 2016 geplant. Wie sich der jetzt bevorstehende, vierte Eigentümer-Wechsel auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Accor ist mit seiner ibis-Markenfamilie ebenfalls weiter auf Expansionskurs. Die französische Kette clustert neuerdings immer häufiger zwei Hotels am gleichen Standort: So eröffneten 2015 beispielsweise eine Kombination aus ibis und ibis Budget in Hamburg sowie ein Doppelpack aus ibis Budget + ibis Styles in Konstanz. Auch die neuen ibis plus ibis Budget Hotels, die 2016 in Leipzig ihre Tore öffnen sollen, folgen diesem Konzept.

Eine ähnliche Strategie scheint die Foremost-Gruppe mit ihren Hilton- und IHG-Franchise-Marken zu verfolgen: Der Markteintritt in Nürnberg mit einem Hampton by Hilton 2014 ging einher mit der Eröffnung eines Holiday Inn Express. Das Interesse an diesem Konzept scheint gross zu sein, denn auch in Hamburg und Stuttgart soll es 2017 zu Hampton/HIEx-Twins kommen. In München aber heisst die Kombi 2017 Hampton + Garden Inn.

Motel One hat entschieden, unter dem Motto 'grösser, besser, gewagter' seine Wettbewerber zu überbieten: Voraussichtlich 2017 sollen die beiden grössten Häuser der etablierten Budget-Marke in Berlin fertig gestellt werden, das erste im höchsten Gebäude der Berliner City West – das Motel One Berlin-Upper West mit 582 Zimmern – und das zweite am Alexanderplatz mit 708 Zimmern auf 19 Etagen verteilt. Bis 2017 will die Gruppe ihr Portfolio auf 72 Hotels mit rund 18.000 Zimmern im In- und Ausland aufstocken.

2015 kam in Deutschland das Haus in Magdeburg dazu, Anfang 2016 eröffnete mit dem Motel One München-Olympia Gate bereits das siebte Haus der Marke in München, ein weiteres soll Ende 2017 in der Parkstadt Schwabing starten. Ansonsten liegt für die deutschen Budget-Pioniere derzeit der Schwerpunkt auf der Expansion im Ausland. Das übrigens sehen angelsächsische Ketten mit grossen Augen: Sie waren es bisher nicht gewohnt, dass sich von Deutschland aus expansionsfreudige Gruppen auf den Weg machen.

Ansonsten macht in Deutschland momentan die wesentlich kleinere Budget-Design-Hotelkette prizeotel von sich reden. Sie wuchs zunächst langsam. Doch seitdem geht es Schlag auf Schlag: Das jüngste Haus startete im September 2015 in Hannover, für das zweite Halbjahr 2017 wird die Eröffnung des vierten Hauses in Hamburg an der Reeperbahn angepeilt. In Zukunft plant das Unternehmen, bundesweit zu expandieren und zieht auch internationale Standorte in Erwägung. Bei der Gestaltung der Hotels arbeiten die Firmengründer in ihrem Segment exklusiv mit dem internationalen Designer Karim Rashid zusammen. Unterstützt wird prizeotel von der May & Co Unternehmensgruppe, die Anfang 2013 ein Drittel der prizeotel Management Group kaufte.

Ist Deutschland in puncto Budget denn ein Tor zur Welt geworden?

Constanze Maas: Das könnte man fast so sagen. Wer in Deutschland bereits vertreten ist, will weiter in die weite Welt. Motel One macht es ja jetzt auch vor – nachdem man die Top-Standorte in Deutschland abgedeckt hat, wendet man sich systematisch dem Ausland zu.

Seit dem Verkauf der deutschen Hostel-/Hotel-Gruppe Meininger an den britischen Touristik-Konzern Holidaybreak gibt man dort jetzt Europa und dem Rest der Welt Vorrang. Trotzdem will man Deutschland nicht ganz vernachlässigen: So hat die Kette im Sommer 2015 einen 20jährigen Pachtvertrag mit Foncière des Murs für das neue Meininger Hotel am Münchner Olympiapark abgeschlossen, das 2017 mit 173 Zimmern und 820 Betten eröffnen soll.

Ähnlich ambitioniert sind A&O Hotels and Hostels: Längere Zeit schien es ruhig zu bleiben. 2015 aber kam in Deutschland in Stuttgart und Berlin je ein neues Haus auf den Markt, 2016 soll u.a. ein weiteres in Köln folgen. Nun hat sich der Betreiber aber zum Ziel gesetzt, im Ausland auf Wachstum zu setzen.

Deutschlands Städte bleiben für nationale sowie internationale Hotelketten im Fokus – das gilt auch für das Budget-Segment. Und auch dieses Jahr werden wieder einige neue Marken ihr Debüt auf dem deutschen Hotelmarkt feiern. Es bleibt also viel Bewegung im Markt.

Vielen Dank für heute, Frau Maas!

Teil 3 lesen Sie, liebe Leser, in der nächsten Ausgabe.

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