Der Einfluss der anderen Markus Luthe IHA HOTREC zu den Herausforderungen für deutsche Hoteliers
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Der Einfluss der anderen

Markus Luthe, IHA/HOTREC, zu den Herausforderungen für deutsche Hoteliers

Ein neues, spannendes Jahr mit vielen wichtigen Entscheidungen steht bevor.Foto: m.schuckart Fotolia

Berlin. "Am Zusammenhalt Europas als Wirtschaftsraum und Tourismus-Destination haben wir aus der Perspektive der deutschen Hotellerie ein vitales Interesse," sagt Markus Luthe. Der Geschäftsführer des Hotelverbands Deutschland ist zugleich Mitglied des Executive Committee des europäischen Dachverbandes der Hotel- und Gaststättenverbände und blickt im nachfolgenden Interview mit Maria Pütz-Willems zurück auf 2012 und voraus auf die Herausforderungen, die vor allem den deutschen Hoteliers im Jahr 2013 drohen.

In der wankenden Eurozone war Deutschland dieses Jahr so etwas wie "Everybody's Darling"… Deutlich wird aber: Immer mehr Einfluss auf das tägliche Geschäft des klassischen Gastgebers haben künftig politische Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene. Zudem wird die Branche zunehmend getrieben von den Aktivitäten dritter Parteien wie den Online-Vermittlern, die die Hoteliers in unumkehrbare Abhängigkeiten drängen wollen.

2013 wird in Deutschland ein Wahljahr sein. Wird sich die reduzierte Mehrwertsteuer, die die Branche der aktuellen Bundesregierung zu verdanken hat, darüber hinaus halten können?

Markus Luthe: SPD und Grüne haben den reduzierten Mehrwertsteuer-Satz auf Beherbergungen erkennbar zu ihrem Wahlkampf-Schlager auserkoren, thematisieren ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Der Gerechtigkeitsgrundsatz und die ökonomischen Fakten sprechen jedoch eindeutig für den Erfolg dieser Initiative der christlich-liberalen Koalition.
Allein schon die in der Hotellerie direkt ausgelösten Investitions- und Beschäftigungseffekte, die zwischenzeitlich nicht nur hypothetisch berechnet, sondern statistisch nachweisbar vorliegen, belegen die nachhaltige Sinnhaftigkeit dieser wirtschaftspolitischen Massnahme. Wir bleiben daher trotz der aufziehenden Wahlkampf-Rhetorik zuversichtlich, dass sich letztendlich die ökonomische Vernunft durchsetzen wird und der reduzierte Mehrwertsteuer-Satz auch nach der Bundestagswahl Bestand hat. Die Entscheidung des Bundesrates in diesem November gegen den entsprechenden Vorstoss der Kieler Regierung war jedenfalls ein sehr wichtiges positives Signal.

Markus Luthe.

Wieviel bzw. was hat die Reduktion der Branche bisher gebracht?

Markus Luthe: Der Fiskus weist nachweislich der Umsatzsteuer-Statistik 2012 des Statistischen Bundesamtes einen Einnahme-Ausfall von 464 Millionen Euro für das Jahr 2010 aufgrund des reduzierten Mehrwertsteuer-Satzes auf Beherbergungsumsätze aus. Nach Umfragen und Studien stehen dem zusätzliche, jährliche Investitionen von mehr als 800 Millionen Euro und ein Plus von 15.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in der Hotellerie gegenüber. Allein die zusätzlichen 15.000 Arbeitsplätze in der Hotellerie ersparen den Sozialkassen jährliche Transferleistungen in Höhe von rund 300 Millionen Euro.

Sie plädieren bei den Lobbyisten derzeit für eine ebenfalls reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Könnte sich dieser Vorstoss nicht als Bumerang für alle erweisen?

Markus Luthe: Die Absurditäten und Ungerechtigkeiten des deutschen Mehrwertsteuer-Rechts gerade im Bereich der Speisen und Getränke liegen auf der Hand. Der Dehoga erfährt für dieses Thema grosse Unterstützung und Sympathie aus fast allen politischen Lagern. Es ist daher nur folgerichtig, auch diese berechtigte Forderung im Bundestagswahlkampf 2013 zu adressieren.

Ein anderes ärgerliches Thema war 2012 die Bettensteuer…

Markus Luthe: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den kommunalen Bettensteuern im Windschatten der öffentlichen Mehrwertsteuer-Debatte wie erwartet sehr enge Grenzen gesetzt, die diese Aufwandsteuer de facto unmöglich machen. Die eine oder andere Kommunen will das gegen besseres Wissen und einschlägiger Beratung aufgrund bereits eingegangener Mittel-Versprechen allerdings "politisch" immer noch nicht einsehen, so dass wir hier wohl noch einer ganzen Reihe gerichtlicher Auseinandersetzungen bis zur endgültigen Aufhebung aller Matratzen-Mauten entgegensehen…

Bringt 2013 das endgültige Aus fürdie politisch motivierte Bettensteuer?Foto: map

Welche Probleme kann die IHA für die Branche anpacken, welche nicht?

Markus Luthe: Unser Selbstverständnis ist, alle für die Branche wichtigen Probleme anzupacken.

Etliche Hoteliers kritisieren, dass die Lobbyarbeit von Dehoga und IHA zu schwach sei, was das negative Image der Branche weiter aufrecht halte. Wie sieht Ihre Lobbyarbeit konkret aus?

Markus Luthe: Ich habe keinesfalls den Eindruck, dass die Lobbyarbeit von Dehoga und IHA zu schwach ist. Unsere Stimme wird gehört, wie nicht zuletzt unsere jüngsten Erfolge bei Mehrwertsteuer, Bettensteuer, Rundfunkbeitrag oder Urheberrecht belegen. Dank unseres verbandlichen Einsatzes haben unsere Mitglieder bei jedem einzelnen dieser Themen aus dem verbandlichen Spektrum jährlich ein Vielfaches ihres Beitrages an Ersparnis. Gleichwohl streben wir natürlich noch eine weitere Erhöhung unserer verbandlichen Schlagkraft an und laden alle Noch-Nicht-Mitglieder ein, sich der Solidar-Gemeinschaft der Hotellerie anzuschliessen. Gemeinsam sind wir sicher noch stärker!

Welche anderen "Spässe" drohen den Hoteliers von EU-Seite?

Markus Luthe: Auf der Agenda der EU-Kommission steht im Frühjahr nächsten Jahr die Revision der Pauschal-Reiserichtlinie. Dabei hoffen wir, keine Kollateral-Schäden für die Hotellerie bei der Neu-Definition der Veranstalter-Welt in Zeiten des Dynamic Packaging zu erhalten. Später im Jahr steht die Überarbeitung des Mehrwertsteuer-Rechts der Europäischen Union inklusive einer Neubewertung des Systems der reduzierten Mehrwertsteuersätze an, welche sicherlich unsere ungeteilte Aufmerksamkeit in Zeiten der Haushaltskonsolidierung in ganz Europa verdient.
Vom Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission erwarten wir im kommenden Jahr ferner eine Initiative zur Neuordnung des Urheberrechts, dessen besondere Auswirkungen auf Hotellerie und Gastronomie auf der Hand liegen.

Wie heftig sind diese deutschen Probleme im Vergleich zu denen anderer europäischer Länder? Welche grossen Herausforderungen liegen der HOTREC auf dem Tisch?

Markus Luthe: Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung Deutschlands hat auch der Deutschland-Tourismus kräftig zulegen können. Unsere Kennziffern sind derzeit auch der touristische Benchmark in Europa. Hieraus erwächst uns wie in der "grossen Politik" auch eine branchenpolitische Verantwortung. Die massiven wirtschaftlichen Probleme vieler Länder und damit auch der Verbandsmitglieder vor allem in Süd- und Osteuropa stellen für Hotrec in der Tat eine grosse Herausforderung dar. Am Zusammenhalt Europas als Wirtschaftsraum und Tourismus-Destination haben wir aus der Perspektive der deutschen Hotellerie ein vitales Interesse. Deshalb wird die IHA hier in 2013 auch einen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten setzen, nicht zuletzt auf ihrem Jahreskongress am 6./7. Juni 2013 in der Europastadt Aachen.

Das Online-Geschäft - unkalkulierbar in seinem Tempo.

Zum Stichwort Online-Vertrieb und den Fight gegen die Online Travel Agents: Wo schwimmt der Mittelstand derzeit, wie positionieren sich die Ketten, was meint die IHA?

Markus Luthe: Die IHA hat grosse Sorge vor einer wachsenden und sich verselbständigenden Macht der Märkte und einem immer enger werdenden Oligopol einiger weniger Anbieter. Wir fordern daher einen faireren partnerschaftlichen Umgang miteinander ein und sprechen uns vor diesem Hintergrund ausdrücklich für Multi-Channelling-Strategien und die Verteidigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit aus.
Wir befürworten das Einschreiten von immer mehr Kartell-Behörden in Europa, die die einseitigen Marktverhältnisse und -abhängigkeiten unter die Lupe nehmen. Wir unterstützen insbesondere unsere Mitglieder aus der mittelständischen Individual-Hotellerie mit zahlreichen Produkten und Empfehlungen zur Verbesserung ihrer direkten Buchbarkeit und Sichtbarkeit im Netz.

Auch Online-Recht wird ein immer grösseres Thema. Welche Themen sind derzeit die drängendsten, wie können Sie der Branche konkret helfen?

Markus Luthe: Im Internet scheinen sich Praktiken etabliert zu haben, die im "normalen", nicht-digitalen Geschäftsleben so nicht vorstellbar waren. Hier bedürfen unsere Mitglieder des besonderen Schutzes ihres Verbandes, dem wir mit einer Reihe von Produkten versuchen gerecht zu werden, von einer hotellerie-geeigneten Nutzungslösung des Hotel-WLAN bis zum Reputations-Management und rechtskonformen, praxisnahen Empfehlungen zum Werbemail-Einsatz. Wir werden dieses Spektrum in Kürze u.a. noch um ein besonderes Rechtsschutz-Konzept unter dem Namen "HotelProtect" für den online agierenden Hotelier erweitern.

Womit müssen Hoteliers in Deutschland künftig noch rechnen? Da fallen mir allein schon viele Stichworte mehr ein, z.B. der Mitarbeiter-Engpass in der Branche, Umwelt, Überkapazitäten…

Markus Luthe: Eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre und wohl auch Jahrzehnte wird angesichts des demografischen Wandels die Mitarbeiter-Gewinnung sein. Für eine traditionell margenschwache Branche wie die Hotellerie bedeutet dies, vor allem über Mitarbeiter-Bindung, über Unternehmenskultur und über Aus- und Weiterbildungsqualität noch stärker zu punkten und die Individualität und Internationalität der Hotellerie noch besser ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.
Nach meinem Eindruck hat die deutsche Hotellerie das Zukunftsthema der Nachhaltigkeit international beispielgebend aufgegriffen und wird von diesem Trend profitieren können.
Dies wird sie nach meiner Einschätzung auch zukünftig in einem weiter rasant wachsenden, vonKapazitäten geprägten Beherbergungsmarkt mit immer neuen Playern umsetzen müssen. Der Hotelverband Deutschland wird dabei das Seine dazu beitragen, überbordende bürokratische Belastungen zu reduzieren und seine Mitglieder auf neue Herausforderungen vorzubereiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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