Geschichten mit der Kamera Starwood, Marriott Mercure St. Moritz Alle produzieren jetzt Filme
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Geschichten mit der Kamera

Starwood, Marriott, Mercure, St. Moritz: Alle produzieren jetzt Filme

Marriott Hotels: Action und Soap auf allen Kanälen.

München. Eigene TV-Kanäle und Film-Produktionen oder Social Media-Kampagnen – immer mehr Hotelketten wollen ihre Gäste mit neuen Formaten an sich binden und neue Kunden gewinnen. Statt ihre Hotelgäste mit aufdringlichen Werbespots zu nerven, präsentieren sie ihnen interessante Inhalte rund um Reisen und Lifestyle. Starwood Hotels' "SPG TV" entwickelte sich schon vor Jahren zur spontanen Erfolgsstory, auch finanziell. Jetzt zieht Ketten-Gigant Marriott nach und will der "weltweit grösste Herausgeber von Inhalten im Reise- und Lifestyle-Bereich" werden. Seit Dezember 2014 gibt es auch in dem Schweizer Nobelort St. Moritz das weltweit erste regionale Social TV "Enjoy St. Moritz" – gesponsort vom Kulm Hotel St. Moritz und seinem Schwesterhotel. Auch Accor experimentiert mit Mercure.

Wer im Hotel den Fernseher einschaltet und den Hotel-Kanal wählt, ist meist schnell genervt. Denn dort laufen in der Regel – meist aufdringliche und einfallslose – Werbespots für die eigenen Angebote vom Restaurant bis zum Spa. Da werden doch Chancen verschenkt, dachte sich Marco Ferrari, bis 2009 Kommunikationsmanager bei Starwood Hotels & Resorts, schon vor über sieben Jahren. "Es gibt drei Dinge, die die Hotelgäste immer nutzen: das Bett, die Dusche und den Fernseher", sagt Ferrari.

Also schlug der damalige Kommunikationsexperte von Starwood ein völlig neues Programm vor, ohne Werbung fürs Hotel. "Das sollte ein Programm sein mit Geschichten über das Leben, Reisen und Essen und es sollte den Gast zu neuen Reisen oder Aktivitäten inspirieren", erklärt Ferrari. "Wir alle erinnern uns an Geschichten und nicht an Fakten."

Zunächst stiess er damit nicht auf grosse Begeisterung. "Die Kollegen hielten es für verrückt, so etwas ohne Werbung zu machen." Also entwickelte er ein – legales – Konzept mit geschicktem Product Placement. Zum Beispiel: Ein Chefkoch bereitet ein Gericht zu und nutzt dabei eine bestimmte Pasta-Marke, die als Sponsor auftritt. Schon im ersten Jahr war der neue Kanal "SPG TV" profitabel. Die Kosten lagen bei rund 450.000 Dollar, die Einnahmen aus dem Sponsoring bei 750.000 Dollar.

Der Inhalt wurde zu 90 Prozent lokal produziert. "In den USA sieht man anders fern als in Deutschland", vergleicht der SPG TV-Erfinder. Alle zwei Monate wurden die Inhalte gewechselt. Manche der Filme seien nur zwei Minuten lang gewesen, die maximale Länge lag bei sechs Minuten. "Man braucht Zeit genug, um eine Geschichte zu erzählen, aber es darf auch nicht zu lang sein", so Ferrari. Insgesamt dauerte das Programm zwei Stunden. "Es ging um Gastronomie, Kunst, Mode und Kochen, kurz um alles, nur nicht ums Hotel", so der Kommunikationsexperte. "Wenn in Wien eine neue Kunstausstellung eröffnete, haben wir dazu einen Film gemacht." Die Resonanz war beeindruckend. "Die Kunden mochten es und haben damals sogar nach DVDs gefragt und die Unternehmen mochten es, weil es für sie ein neuer Weg der Kommunikation war", erinnert sich Ferrari.

Sensible Themen aus den Destinationen

Dabei war das Programm nicht auf eine Marke zugeschnitten, also nicht auf Westin, Sheraton, Four Points oder St. Regis. Das sei durchaus eine Herausforderung gewesen, aber man wollte auf diese Weise auch eine gegenseitige Befruchtung der Marken erreichen. "Wenn ich mir ein Fussballspiel anschauen will, gehe ich in ein Four Points Hotel, geschäftlich unterwegs vielleicht in ein St. Regis Hotel", erklärt er. "So konnten wir unsere verschiedenen Marken über die anderen Marken promoten."

Mobiler Checkin - lernen mit SPG TV.

Dennoch musste man bei jeder Story auf den Markenkern achten. So habe Sheraton für "schnell, jung und voll von Leben" gestanden, Westin dagegen für "elegant und klassisch". Daher habe sich die Aufgabe auch nicht an ein externes Unternehmen verlagern lassen. "Die haben nicht das Gefühl für die Konzepte und Marken", so Ferrari. "Das Ganze musste sehr sensibel auf die Wahrnehmung der Marke abgestimmt sein."

SPG TV gibt es bei Starwood Hotels & Resorts heute noch. Es ist auf die Bedürfnisse und Interessen der SPG-Mitglieder ausgerichtet und soll die "Starwood-Welt" auf interessante, spannende und authentische Weise erlebbar machen. "Der Fokus liegt dabei nicht auf die Darstellung einzelner Hotels", unterstreicht auch Michaela Belling, Senior PR Manager Germany & Switzerland, diesen wesentlichen Aspekt des Konzepts. Der redaktionelle Inhalt der einzelnen Filmbeiträge orientiere sich an den neun Marken, den Destinationen, an SPG selbst, Innovation und Technologie und Geschichten rund um die Partner. "Gäste unserer Hotels sollen Lust bekommen, zu unseren Destinationen zu reisen, unsere Marken und Hotels kennenzulernen und verstehen, wie wir unsere Marken zum Leben erwecken", so Belling.

Inhaltlich ist SPG TV unterschiedlich je nach Division, also der regionalen Unterteilung wie EAME oder North America gestaltet. Beispiele für die einzelnen Marken kann man unter diesem Link sehen. Jede Division setzt daher auf ihre eigenen redaktionellen Inhalte und ist für das Programm verantwortlich, das mehrmals im Monat geändert wird. Am Finanzierungsmodell hat sich offenbar nichts geändert. "Wir bieten bei SPG keinen Raum für Werbung, arbeiten aber auch mit Partnern zusammen," so die PR-Managerin.

Marriott setzt auf Action und Video-Blogger

Inzwischen haben auch andere Hotelketten das Potential erkannt. Im vergangenen September verkündete Marriott International die Gründung eines neuen "Global Creative and Content Marketing Studios", dessen Aufgabe es ist, digitale Inhalte zu produzieren, veröffentlichen und zu verbreiten und zwar über alle Kanäle, sei es Film, TV, Online oder Print.

Marco Ferrari, Wegbereiter für Starwoods SPG TV. Eine Erfolgsstory.

Ziel sei es, eigene Inhalte als Kern-Komponente der globalen Marketingstrategie zu kreieren, erklärte Karin Timpone, zuständig für das globale Marketing bei Marriott. Das Studio besteht aus drei Teams: der Kreativagentur für die Entwicklung von Inhalten aus dem Bereich Reise und Lifestyle, der Produktion sowie der Marketing-Gruppe, die sich um das Monitoring von Social Media und Online-Aktionen kümmert.

Geleitet wird das Studio von dem Produzenten und ehemaligen Vizepräsidenten beim Disney-ABC Television Group Digital Studio, David Beebe. "Anstatt den Konsumenten über Werbung anzusprechen, kommunizieren wir mit ihm, indem wir ihm zur richtigen Zeit und im richtigen Kontext attraktive und nützliche Inhalte bieten," erklärte Beebe. Ziel sei es, über Inhalte Communities von leidenschaftlichen Reisenden aufzubauen, die dann auch das Geschäft beflügeln. Dabei hat Marriott grosse Ambitionen: Die Hotelkette soll der weltweit grösste Herausgeber von Inhalten im Reise- und Lifestyle-Bereich werden.

Der erste, im März veröffentlichte Film "Two Bellmen" war eine 17minütige Action-Komödie mit Stunts, Tanz und Kampfkunst über zwei Pförtner, die ihr Hotel gegen eine Bande von Kunstdieben verteidigen. Zudem startete man neue Travel-Lifestyle-Partnerschaft mit der Blogger-Plattform Medium.com, eine Kooperation mit der Travel-Video-Bloggerin Sonia Gil und dem Komödianten Taryn Southern, Marketingkampagnen auf Snapchat und YouTube sowie mehrere Kurz-Video.

Vor kurzem startete der zweite Film des Marriott-Studios, die 24minütige in Paris spielende Mystery-Romanze "French Kiss". Passend zum Film können Marriott-Gäste mit einem French Kiss-Arrangement auf den Spuren der Schauspieler wandeln. Das Package ist allerdings wenig kreativ und umfasst neben der Übernachtung einen kleinen Willkommensgruss, einen French Kiss-Cocktail und den Reiseführer "The Best Places to Kiss in Paris”. Ob sich dafür die teure Filmproduktion lohnt? Vor allem aber: Wer findet überhaupt den Film? Erst wer auf der deutschen Website von Marriott auf das Package klickt, bekommt den Link zu dem Film. Damit wird das Potenzial des Films, Zuschauer zu einer Reise nach Paris zu motivieren, verschenkt.

St. Moritz mit Social TV

Seit Dezember 2014 gibt es auch in dem Schweizer Nobelort St. Moritz ein neues Fernsehprogramm. "Enjoy St. Moritz ist das weltweit erste regionale Social TV und produziert interaktive und medien-übergreifende Unterhaltungsprogramme rund um St. Moritz und das Engadin", heisst es auf der Website. Dabei verschmelze klassisches Fernsehen mit dem Web und sozialen Medien. Der TV-Sender berichtet tagesaktuell mit Eigenproduktionen und zugekauften Filmen über regionale Neuigkeiten und das Geschehen in und um St. Moritz. Die Zuschauer können sich dabei mit Kommentaren, Posts und Likes einbringen.

Hauptsponsoren sind das Kulm Hotel St. Moritz und das Schwesterhotel Grand Hotel Kronenhof in Pontresina, die das TV-Format auch in ihren Hotelzimmern zeigen. Die Redaktion liegt bei St. Moritz Tourismus. Via Livestream wird direkt aus dem Studio im Kulm Hotel auch über Veranstaltungen und News der beiden Häuser berichtet. "Das neue Fernsehprogramm stellt unseren internationalen Gästen das Engadin und seine Vielseitigkeit mit einer Mischung aus Kultur, Sport und Lifestyle vor", erklärte Heinz E. Hunkeler, General Manager des Kulm Hotels.

Das Foto zur Social Media-Aktion von Mercure: Jeder kennt jeden über sechs Ecken.

Mercure mit Casting

Auch Accor versucht sich seit Anfang des Jahres als Filmproduzent. Im Januar startete die Hotelmarke Mercure ein weltweites Casting für eine Aktion, bei der die bekannte "Six Degrees of Separation"-Theorie überprüft werden sollte. Sie besagt, dass jeder über sechs Ecken mit jeder anderen Person auf der Welt vernetzt ist. Bewerben konnte sich jeder mit einem Video auf der Mercure-Facebook-Seite. Die 50 Kandidaten mit den meisten Likes kamen in die engere Auswahl. Die Gewinnerin reiste im März 2015 in sieben Wochen um die Welt zu sechs Begegnungen, sechs Reisezielen und sechs Mercure Hotels, begleitet von einem Filmteam um den Filmemacher Jean-François Julian.

Den Film kann man auf dieser Website anschauen. Zu jeder Station gibt es ein fünfminütiges Video über die Erlebnisse der Gewinnerin und einen Link auf die Website des jeweiligen Mercure-Hotels.

Die Beispiele zeigen, dass hier noch viel Potenzial für Hotels steckt, sei es im Marketing oder bei der Kundenbindung. Dazu braucht es nicht immer gleich ein teures Filmstudio, sondern vor allem Kreativität und durchdachte Kommunikationsstrategien, bei der Informationen und Unterhaltung im Vordergrund stehen und nicht die herkömmlichen Marketing-Aktionen. Das Beispiel Starwood-TV beweist es: Der TV-Kanal ist inzwischen das meistgesehene Programm in den Hotels und wird sogar dreimal häufiger eingeschaltet als die grössten Nachrichtensender. / Bärbel Schwertfeger

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