Getroffen vom Terror Rezidor CEO Wolfgang Neumann zur Krisen Bewältigung nach Bamako
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Getroffen vom Terror

Rezidor-CEO Wolfgang Neumann zur Krisen-Bewältigung nach Bamako

Trauerband auf der Rezidor-Website.

Brüssel. "Es ist tragisch, wir alle leiden, das Team ist unwahrscheinlich betroffen." Wolfgang M. Neumann ist am Mittwoch aus Bamko im afrikanischen Mali zurückgekehrt, wo letzten Freitag zwei Attentäter im Radisson Blu Hotel Geiseln nahmen. Am Ende starben 22 Menschen, darunter drei Mitarbeiter und zwei bewaffnete Sicherheitsleute. "Das Wichtigste danach war es, vor Ort zu sein und für die Mitarbeiter, Gäste und die Familien da zu sein", sagt der CEO der Carlson Rezidor Hotel Group, die zum zweiten Mal in ihrer Unternehmensgeschichte nun mit einem Terror-Anschlag konfrontiert war. Darüber hinaus litten die Mitarbeiter in Brüssel unter der dort herrschenden Terror-Alarmstufe, ebenso wie die Kollegen eine Woche zuvor in Paris.

Es war sieben Uhr morgens, als die beiden Terroristen - wie Gäste - vor dem Hotel vorfuhren, einen Koffer öffneten und sofort auf die beiden bewaffneten Sicherheitsleute vor dem Haupteingang schossen. Dann rannten sie in die Lobby, schossen auf einen dritten bewaffneten Sicherheitsmann und weiter wahllos auf die Mitarbeiter und Gäste. Gleiches geschah im Frühstücksraum im ersten Geschoss, in der Küche und auf den Korridoren vor der Küche. In die Zimmer drangen die Attentäter nicht ein.

Wolfgang Neumann berichtet das zwar nüchtern, aber er ist noch sichtlich bewegt. "Dieses Hotel in Bamako ist eigentlich als 'Sicherheitsburg' bekannt, auch durch die bewaffnete Security", sagt er, aber die lokalen Behörden konnten die Geiselnahme erst abends beenden. "Geholfen hat dabei sicherlich, dass wir den Behörden in Mali binnen weniger Stunden den Geschoss-Plan zuschicken konnten, ebenso wie eine Gästeliste."

Erst gestern morgen konnte Rezidor wieder den Betrieb übernehmen. Bis dahin hatten die lokalen Behörden das Sagen. Jetzt beginnt das grosse Aufräumen und Reinigen. Und nun inspizieren die Rezidor-eigenen Teams das Haus. "Wir möchten einen Teil des Hotels wieder Mitte Dezember aufschliessen," sagt Neumann – jenen Teil, der nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Radisson Blu Bamako: Schüsse zerstörten Leben und Teile des Hotels.

Das demolierte Gebäude ist für Wolfgang Neumann aber Nebensache. "Priorität ist einfach, sich um die Menschen zu kümmern!" Zwei Mitarbeiter, die von Kugeln getroffen wurden, liegen als einzige noch im Krankenhaus, sind aber stabil. "Ich war auch im Krankenhaus, wir alle waren mit den Mitarbeitern und den Familien zusammen, stundenlang. Die Polizei gab uns relativ schnell den Ballraum wieder frei, wir richteten dann dort ein Familien-Zentrum ein, um mit den Menschen zu sprechen, einzeln wie in Gruppen, natürlich betreut von Psychologen," berichtet er.

Trost zu spenden, sei in dieser Situation das wichtigste – "wirklich präsent zu sein, mitzufühlen, die Sprache der Menschen zu sprechen, ihre Kultur zu verstehen und sich ganz auf sie einzulassen." Ein Meeting mit den über 200 Mitarbeitern dauerte drei Stunden statt 15 Minuten.

Mit den Opfern fühlen, die Krisen-Teams koordinieren

Bis zu einer ersten eigenen Einschätzung der Lage von Seiten des Rezidor Headquarters dauerte es unterdessen zwei Tage: Weil Airlines ihre Flüge nach Bamako sofort einstellten, war man erst am Sonntag in der Lage gewesen, das Corporate Crisis Team aus Brüssel per Privatjet nach Bamako zu fliegen. Schneller vor Ort war Jorgen Jorgensen gewesen, der GM im Radisson Blu Dakar, Senegal. Er übernahm ab Freitagabend die Krisen-Koordination und -Kommunikation. Seit Sonntag wird er unterstützt von dem Brüsseler Team, das Michel Stalport als Area Vice President Western Europe and Northern Africa leitet.

"Weil wir in den 'emerging markets' so präsent sind, haben wir unsere Massnahmen in den letzten Jahren überall verschärft," sagt Neumann. Rezidors Corporate Security Team umfasst seit letztem Jahr sechs Personen, von denen einzelne an immer wieder wechselnden Orten eingesetzt werden. Gleichzeitig hat Rezidor die Firma Control Risks aus London an seiner Seite, die permanent "standby" steht. Erst am Anfang dieses Jahres gab es besondere Schulungen für die Executives und die General Manager der Hotels: "Wir haben gerade erst unseren Krisenplan durchgespielt", sagt Neumann rückblickend, "das hat vermutlich geholfen".

Wolfgang Neumann mit einer Video-Message auf der Rezidor-Website: Die Hotline für Familien war extrem wichtig und wurde stark genutzt.

Professionelle Risiko-Management-Firmen unterstützen dann auch in der Kommunikation vor Ort. "Wir haben über die Botschaften alle Gäste kontaktiert, jedem psychologische Unterstützung angeboten und auf unserer Website eine Hotline eröffnet", berichtet Neumann weiter. Er selbst gibt ein Video-Statement ab, in dem er sein Beileid und Mitgefühl ausdrückt. "Auch unser Hotel-Eigentümer, Cesse Kome aus Mali, ist sehr koordiniert mit uns vorgegangen, es gab zwischen allen Beteiligten bis hin zum Präsidenten von Mali enge Absprachen."

'Yes, I can': Beflügelndes Motto

Seit Juni 2008 betreibt Rezidor das Radisson Blu Bamako; er war in seinem Kern zuvor die private Residenz des Eigentümers gewesen. Neumann ist in diesem Moment sehr dankbar für die bereits bestehenden guten Beziehungen zum Eigentümer. Gemeinsam hat man auch den Mitarbeitern versichert, dass ihre Gehälter weiter gezahlt werden: In Afrika ist dies keine Selbstverständlichkeit, aber überlebenswichtig für die Mitarbeiter.

Wie geht es diesen knapp eine Woche nach dem Anschlag? "Sie sind tief betroffen, auch traurig, aber auch verärgert," erzählt Neumann. "Trotzdem wollen sie weitermachen, sie wollen wieder öffnen, dem Terror trotzen."

Michel Stalport, der Chef des Corporate Crisis Team, ist noch in Bamako.

"Unser Rezidor-Motto 'Yes, I can' ist noch nie so gelebt worden wie in genau diesem Moment!" Er ist hörbar stolz auf das Gemeinschaftsgefühl, dass sich nicht nur in Bamako, sondern in der ganzen Gruppe über die ganze Welt hinweg neu gestärkt hat. Gestern haben die Mitarbeiter in der Brüsseler Zentrale beschlossen, die jährliche Kickoff-Party im Januar abzusagen und das Geld dafür nach Bamako zu schicken. "Es geht darum, Signale zu setzen."

Der Rezidor-CEO wird nach diesen schockierenden Erfahrungen die Massnahmen für Prävention und Krisen-Vorbereitung weiter vorantreiben, auch nachdem bereits weitere intensivere Massnahmen eingeleitet wurden: Mit dem schwedischen Unternehmen Safehotels Alliance hat die Gruppe letztes Jahr einen Vertrag unterzeichnet, aufgrund dessen nun alle Häuser der Gruppe krisen-zertifiziert werden – mit besonderem Fokus auf Sicherheitsvorkehrungen für den Gast. 60 Hotels haben diese Schulungen bereits geschafft. Das Haus in Bamako gehört zu den noch nicht zertifizierten Häusern.

"Das haben wir auch eingeführt, weil wir so stark in aufstrebenden Märkten unterwegs sind," erläutert Neumann. In Afrika betreibt Rezidor derzeit 30 Hotels mit 6,700 Zimmern, 35 weitere Häuser mit 7.600 Zimmern sind in der Entwicklung.

2005 war Rezidor erstmals mit Terror konfrontiert worden – durch einen Bombenanschlag der Al Quaida auf eine Hochzeitsgesellschaft im Radisson SAS Hotel in Amman, Jordanien. Den Anschlag in Mali sieht CEO Wolfgang Neumann als Teil der weltweiten Terror-Angriffe, vor denen niemand mehr geschützt ist. Die Regierungen müssten gegen den Terror koordiniert vorgehen. Aber es werde noch länger dauern.

Auch Paris und Brüssel im Tief

Bamako war für die Hotelgruppe aus Brüssel aber nicht der einzige Krisenherd der letzten zwei Wochen. In Paris, wo Rezidor sechs Häuser betreibt, war – wie bei allen Hotels – die Stimmung im Tief, ebenso wie die Belegung. Am Wochenende nach dem 13. November sank sie abrupt auf 30%, bewegt sich jetzt aber wieder nach oben, auf knapp über 70% zur Zeit. Die drei Hotels in Brüssel fielen nach dem Ausrufen der höchsten Terror-Alarmstufe auf 30% zurück.

Das Radisson Blu Hotel an der Champs Elysées in Paris: Auch diese Kollegen leiden.

"Brüssel war definitiv sehr angespannt diese Woche," berichtet Wolfgang Neumanns Assistentin Christiane Reiter aus Brüssel. "Vor allem am Samstag/Sonntag, als die Stadt fast ausgestorben war, und am Montag/Dienstag, als die Schulen geschlossen waren und sich viele Kollegen irgendwie auch um ihre Kinder kümmern mussten. Ich glaube aber, dass wir durch Bamako fast 'übersensibilisiert' waren; einige meiner Bekannten haben die Lage etwas pragmatischer genommen."

Was momentan bleibt, ist das Gefühl, in dieser extremen Krisen-Situation, vor allem in Mali, nicht alles, aber doch vieles richtig gemacht zu haben. "Jetzt geht das Leben weiter, wir haben 45.000 Mitarbeiter. Wir müssen weitermachen. Das ist wahnsinnig wichtig," schliesst Wolfgang Neumann.

Und ein Anliegen ist es ihm auch, dieses zu sagen: "Ich kann mich heute nur herzlichst bedanken bei allen Menschen, die uns und unsere Leute unterstützt haben! Vielen Dank dafür!" / Maria Pütz-Willems

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