Ist das Schlimmste endlich vorbei Federalberghi Tagung Italienische Hoteliers trotz Belastungen euphorisch
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Ist das Schlimmste endlich vorbei?

Federalberghi-Tagung: Italienische Hoteliers trotz Belastungen euphorisch

 

Saint-Vincent. "Alle sollten Steuern zahlen, nicht nur die üblichen Verdächtigen." Kein Thema ist Bernabò Bocca wichtiger als der Kampf gegen illegale Unterkünfte und die sogenannte "Schattenwirtschaft": "Wenn man bedenkt, wie viel Geld eingenommen werden könnte, wenn jeder seine Abgaben bezahlt, statt uns mit der Bettensteuer durch die Mangel zu drehen", merkte der jüngst im Amt bestätigte Präsident der grössten italienischen Hotelier-Vereinigung gegenüber Politikern auf der Generalversammlung der Federalberghi vor zwei Wochen in Saint-Vincent an. Bocca sprach wie immer alle Themen an, die den Hoteliers unter den Nägeln brannten: die Schattenwirtschaft, der Dschungel an nationalen und lokalen Abgaben, das endlose Internet-Thema sowie die neuen Herausforderungen, denen sich die Branche in Europa durch die Bedrohung durch den Terrorismus stellen muss. Trotzdem war die Stimmung euphorisch.

"Rekord-Betreiber, fordern Sie die Identifizierung von Kunden ein, verlangen Sie die Einhaltung von Hygiene- und Sicherheitsvorschriften." Die Rede des Präsidenten nahm gezielt Bezug auf den unfairen Wettbewerb vieler Anbieter von Nicht-Hotel-Unterkünften, die von schwachen Kontrollen profitieren. Das Wort Airbnb wurde niemals in den Mund genommen, es hing jedoch greifbar in der Luft: "Die Hotels müssen heute nicht nur mit einer Fülle an illegalen Betreibern konkurrieren. Wir müssen uns auch noch mit vielen anderen Konkurrenten herumschlagen, die denken, ohne Regeln spielen zu können, nur weil sie sagen, nicht professionelle oder nicht gewerbsmässige Aktivitäten zu betreiben", so Bocca.

Rekordzahlen zu Beginn

Allgemein war die Stimmung auf der Versammlung in Saint-Vincent euphorischer als bei anderen vergleichbaren Tagungen in letzter Zeit. Nach einem insgesamt positiven Jahr 2015 gab Federalberghi für Anfang 2016 Rekordzahlen bekannt. Während des ersten Quartals des Jahres stieg die Anzahl an Übernachtungen in italienischen Hotels um 5,3 Prozent an verglichen mit demselben Zeitraum 2015. Aber vor allem stellen italienische Hotels nach fünf Jahren Negativtrend erneut Mitarbeiter ein. Zwischen Januar und März 2016 nahm die Anzahl an Mitarbeitern in der Hotellerie um 1,9 Prozent zu, dank eines Zuwachses bei der Langzeitbeschäftigung um 3 Prozent, während die befristeten Verträge im Wesentlichen stabil blieben.

Bernabò Bocca, Präsident von Italiens grösster Hotel-Vereinigung Federalberghi, und Dorina Bianchi, Staatssekretärin Tourismus, betrachten den Kampf gegen illegale  Unterkünfte und die “Schatten-Wirtschaft” als grösste Aufgabe.Foto: Sarti

Die Stimmung unter den in Saint-Vincent anwesenden Hoteliers war wirklich grossartig. Sie waren stolz, nach vielen schwierigen Jahren nun eine gewisse Repräsentativität auf institutioneller Ebene erreicht zu haben. "Unter den vielzähligen Ergebnissen, die im Laufe der Jahre erzielt wurden, ist es uns gelungen, die Aufmerksamkeit der nationalen Behörden auf die Entwicklung des Tourismus' zu lenken, der für unser Land eine äusserst wichtige Branche ist", betonte Bocca. "Deshalb freuen wir uns auf den neuen strategischen Tourismusplan." Dieser Plan wird aktuell von der Regierung in einer öffentlichen Online-Konsultation entwickelt. Auch wenn die finale Version des Plans noch nicht fertig ist, schreibt sich Federalberghi einige Verdienste auf die Fahne, die bereits umgesetzt wurden, wie beispielsweise die Steuer-Gutschriften für digitales Aufrüsten und für Hotel-Renovierungen, die im Juli 2014 im Rahmen des "Art Bonus"-Dekrets eingeführt wurden.

Dschungel für nationale und lokale Abgaben

Davon abgesehen vergass Bocca nicht, andere ungelöste Probleme neben der "Schattenwirtschaft" anzusprechen. Diese reichten von besagten Steuer-Gutschriften, die Federalberghi gerne dauerhaft haben würde, bis hin zur Bereitstellung von umfangreicheren Mitteln. Bocca schlug ebenfalls vor, dass sich der Plan, der gerade entwickelt wird, eher auf kleine und mittelständische Unternehmen konzentrieren sollte und forderte besondere Massnahmen für einen bevorzugten Zugriff auf finanzielle Mittel sowie die Senkung der Energiekosten.

Weitere traditionelle Beschwerden von Hoteliers bezogen sich auf die Besteuerung und insbesondere auf den Dschungel von lokalen und nationalen Abgaben durch die italienische Gesetzgebung. "Wir hoffen, dass die Steuerbelastung für Arbeitsplätze gesenkt wird und dabei besonders dass die Kosten für Saisonkräfte in der Berechnung des IRAP vollständig abgezogen werden können. Wir bitten darum, die 1,4 Prozent Zusatzbeitrag auf die befristeten Verträge zu streichen, die sich erneut auf dieselben Saisonkräfte beziehen."

Übernachtungen in Italien wuchsen um 5,3% verglichen mit dem Vorjahr. Auch Bologna z.B. profitierte davon.

Aber Federalberghi wünscht ausserdem die Steuerbefreiung der Anlagegüter von der IUM. "Ausserdem schlagen wir vor, die Zahlung von TARI und TASI an die Betriebszeiten des Hotels zu knüpfen: solche Steuern zu zahlen, wenn wir geschlossen haben, ist einfach Unsinn", so Bocca.

Problem Internet: unverändert

In seiner Aufzählung von Problemen liess der Präsident der Federalberghi auch nicht das Internet aus: "Das Internet ist keine perfekte Welt. Das Internet ist nicht von sich aus demokratisch ... Das Internet muss kontrolliert werden, um allen die gleichen Möglichkeiten und Bedingungen zu garantieren. Die Internet-Betreiber müssen denselben Gesetzen folgen wie in der realen Welt, darunter auch die Regeln, die den Missbrauch von Vormachtstellung verbieten und verhindern." Nach Airbnb mussten sich die OTAs nun was anhören.

Ausserdem sollte hier erwähnt werden, dass die Sache mit der "Raten-Parität" bis heute nicht gelöst ist. Die italienische Version des französischen Macron-Gesetzes, über das die Abgeordneten-Kammer letzten Oktober abgestimmt hat, ist immer noch nicht in Kraft getreten. Die Regelung war Teil des Entwurfs zum Wettbewerbsrecht, dem das Parlament noch vor Ende letzten Jahres zustimmen sollte. Aber bisher ist nichts passiert.

Neue Herausforderungen für die Branche

Am Rande der Hauptversammlung kamen noch weitere Themen zur Sprache. Präsident Bocca selbst thematisierte seine Sorge, welche Folgen die im März erfolgten Terror-Anschläge in Paris für die Hotellerie haben könnten: "Die Herausforderung ist gross. Wenn wir die Touristen aus Amerika als Beispiel nehmen, sehen wir, dass sie nach wie vor zu den wichtigsten Quellmärkten für Italien zählen. In der Vergangenheit haben sie 90 bis 100 Tage im Voraus gebucht, aber jetzt warten sie bis zur letzten Minute ab, um zu sehen, wie die Sicherheitslage in Europa ist."

Generaldirektor Alessandro Nucara: Noch ideenlos darüber, wie man die Schwierigkeiten mit Saisonkräften löst.

Der Federalberghi-Generaldirektor Alessandro Nucara hörte hingegen bei den Saisonkräften die Alarmglocken schrillen. In der aktuellen Fassung bestraft die neue Sozialhilfe-Regelung NASPI Arbeitnehmer, die unregelmässig beschäftigt sind, und gewährt ihnen nicht mehr Arbeitslosengeld für die gesamte Zeit der Arbeitslosigkeit, die häufig sechs Monate pro Jahr ausmacht: "2015 haben wir eine vorübergehende Lösung gefunden, die speziell für Arbeitnehmer im Tourismussektor galt. Aktuell aber haben wir keine Lösung für 2016." Das Risiko hier besteht darin, dass viele Fachkräfte, die mit dem Rücken zur Wand stehen, sich einen anderen Job suchen und der Hotellerie dadurch wichtige qualifizierte Kräfte fehlen.

Dorina Bianchi, die Staatssekretärin für Tourismus, war ebenfalls in Saint-Vincent anwesend. Sie war erst vor gut zwei Monaten ernannt worden und wirkte etwas unbeholfen in ihrer neuen Rolle. Als sie nach der Federalberghi-Tagung gefragt wurde, gab sie Einzelheiten über den Zugriff von Betreibern auf Steuer-Gutschrift-Programme für Digitalisierungen und Renovierungen bekannt. Den Daten zufolge, die das Ministerium für Tourismus vor kurzem veröffentlich hatte, belief sich die Nachfrage nach Krediten für Hotel-Renovierungen im Finanzjahr 2015 auf insgesamt 90 Millionen Euro verglichen mit einer Budget-Obergrenze von 50 Millionen Euro.

Im Gegensatz dazu beliefen sich die angeforderten Steuer-Gutschriften für Investitionen im Bereich Digitalisierung lediglich auf etwas über neun Millionen Euro bei einer Budget-Obergrenze von 15 Millionen Euro. Im Hinblick auf diese Diskrepanz erklärte die Staatssekretärin, dass das Ministerium versuchen wird, diese freien Ressourcen von einem Programm zum nächsten zu verschieben. Allerdings wird das erst dieses Jahr geschehen, da die Regierung nach wie vor alle Investitionen seitens der Tourismus-Betreiber in die Technologie als sehr wichtig erachtet, betonte Dorina Bianchi noch einmal.

Das Kapitel ENIT

ENIT-Geschäftsführer Fabio Lazzerini grübelt über dem digitalen Plan, um auch oziale Medienkanäle, Apps und andere Tools nutzen zu können.

Zum Schluss zur ENIT: Die italienische Zentrale für Tourismus hat in den letzten beiden Jahren einem vollständigen Strukturwandel durchlaufen. Der Prozess ist immer noch nicht abgeschlossen, obwohl die Regierung der Zentrale weitere zehn Millionen Euro speziell für Werbemassnahmen zur Verfügung gestellt hat, wodurch das Gesamt-Budget auf über 27 Millionen Euro erhöht wurde. Aktuell muss die ENIT noch den Austausch der gesamten internen Mitarbeiter abschliessen, Führungsebene eingeschlossen. Der Plan sah die Umwandlung der Zentrale in eine "ente pubblico economico" vor, in eine öffentliche Wirtschaftskörperschaft, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien arbeitet. Und alle Mitarbeiter der alten ENIT hatten beschlossen, sich in andere öffentliche Ämter versetzen zu lassen.

Trotzdem war das neue Spitzenmanagement der Zentrale in Saint-Vincent in der Lage, einen kurzen Ausblick für die Zukunft zu geben. Das neue Organigramm sieht rund 80 Mitarbeiter in Italien vor sowie fünf operative Manager vor, erklärte Präsidentin Evelina Christillin: "Selbst wenn die Anzahl der Mitarbeiter nicht so sehr von Anzahl unterscheidet, die früher für die Agentur gearbeitet hat, werden wir 30 Prozent der Lohnkosten einsparen können."

Aber es gibt auch Pläne, die Niederlassungen der ENIT im Ausland umzusiedeln, um das neue Gleichgewicht der Weltmärkte besser widerzuspiegeln, insbesondere in Richtung der Länder in Osten und Fernost. "Wir können es uns nicht leisten, weiterhin vier Niederlassungen in Nordamerika zu betreiben, während wir in China und in Korea nur zwei Niederlassungen und in Indien und Dubai nur eine haben", so Geschäftsführer Fabio Lazzerini.

Das Internet spielt inzwischen eine sehr wichtige Rolle und das Portal Italia.it wurde für seine unverhältnismässigen Kosten und seine fragwürdige Effektivität kritisiert. "Aktuell folgen wir zwei grossen Richtlinien: die Umgestaltung der Italia.it-Website im Rahmen ihrer ursprünglichen technologischen Struktur. Und vor allem aber die Einführung eines ganz neuen digitalen Ökosystems, das nicht nur unser bestehendes Portal mit einbezieht, sondern auch die Kanäle der sozialen Medien sowie die Apps und Tools, die das Internet bietet", sagte Lazzerini abschliessend. Der neue Digitalplan der ENIT wird 2016 durch ein 1 Millionen-Euro-Budget unterstützt, und einer der neuen operativen Manager wird sich ausschliesslich um die digitalen Programme der Agentur kümmern. / Massimiliano Sarti

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