Nach Wien Hauptbahnhof bitte Eröffnet der neue HBF verliert der Westbahnhof Preisverfall sprengt alles
HI+

Nach Wien Hauptbahnhof bitte!

Eröffnet der neue HBF, verliert der Westbahnhof - Preisverfall sprengt alles

Ansicht des neuen Wiener Hauptbahnhofs. Er wird die Hotel-Szene in der Stadt erneut verändern.Foto: ÖBB Stadt Wien

Wien. Der neue Höhepunkt im Kampf um den Wiener Hotelgast ist mit der Eröffnung des Hauptbahnhofs vorprogrammiert, samt der dort schon jetzt fixen 4.000 zusätzlichen Hotelbetten. Aktuell ist der Preisverfall besonders spürbar, doch künftig droht den noch immer wachsenden Kapazitäten beim Westbahnhof gähnende Leere statt munterer Gäste. Jetzt zeichnet sich in Wien ein Wettstreit zwischen Haupt- und Westbahnhof ab. Und erneut flammt die Diskussion darüber auf, wieviele Hotels die Stadt überhaupt noch verträgt. Die Preise sind jetzt schon am Boden und sprengen jedes Denken in bekannten Kategorien. Wiener Hoteliers sind nervös.

Im Dezember 2015 wird der Wiener Hauptbahnhof offiziell seiner Bestimmung übergeben werden. Mit der grössten Veränderung der österreichischen Bahn-Infrastruktur seit Jahrzehnten entsteht damit im südöstlichen Eck des erweiterten Stadtzentrums ein moderner Stadtteil. Als lautstarke Begleitmusik wachsen im Umfeld neue Bettenburgen – und das in einer Preis- und Auslastungssituation, die von allen Markt-Teilnehmern schon jetzt als problematisch eingeschätzt wird.

Besondere Spannung verspricht dabei die Situation rund um den Westbahnhof. Erst Ende 2011 knallten die 438 Zimmer des Motel One in einen Markt, den sich dort zuvor Accor, das Arcotel Wimberger und mehrere Privathoteliers teilten, gemeinsam mit Hostels wie dem Platzhirschen Wombat‘s. Doch es entsteht immer noch Neues. So wird keine 200 Meter vom Bahnhof das vormalige Stafa-Einkaufszentrum derzeit ausgehöhlt und umgebaut. Bis zur zweiten Etage soll auch künftig weiter geshoppt werden, doch der obere Bereich des runden Hauses wird zum 186 Zimmer-Hotel. Noch unbestätigt ist, dass die Budget-Marke Cocoon diese Zimmer bespielen wird.

InterCity Hotel Wien im neuen Look.

"Die Lage hat durchaus Zukunft", ist auch Joachim Marusczyk überzeugt, Geschäftsführer der zu Steigenberger zählenden InterCity Hotels. Das Hotel liegt als Eckhaus dem Stafa unmittelbar gegenüber. Es wurde 2014 bei laufendem Betrieb rund-erneuert. Die Halle wurde geöffnet, die Speiseräume strahlen heller und die Zimmer erhielten einen zeitgemässen Touch. Die derzeit laufende Umgestaltung der zentralen Mariahilferstrasse zur verkehrsberuhigten Zone werde laut Marusczyk einen starken Gäste-Magnet kreieren. Weil Investor Ariel Muzicant diese Meinung teilt, hat er insgesamt drei Millionen Euro locker gemacht: "Die Miete wird seit 14 Jahren von Steigenberger jeden Monat pünktlich überwiesen. Da brauchte man uns nicht lange bitten, als es ums Facelifting ging."

Mit ihm und InterCity Hotels hätten sich zwei ähnliche Charaktere gefunden, sagt der Immobilien-Mann, der in seiner Karriere bereits 15 Hotels entwickelt hat. Er setzt dabei auf Kontinuität, ebenso wie Marusczyk, der sogar Gründungs-Geschäftsführer von InterCity ist: "Wir machen für InterCity Hotels ausschliesssslich auf 30 Jahre laufende Mietverträge. Management-Verträge wären für unsere Hausgrösse und Kategorie weniger einträglich". Wie auch das InterCity-Publikum sei er ein wenig konservativ, gesteht er ein.

Mega-Preise am neuen Hauptbahnhof

Das alles wirkt fast schon idyllisch rund um einen Bahnhof, dem eine gäste-arme Zukunft droht, weil ein anderer zum Lockvogel wird. Wiens historische Bahnhöfe waren "Kopf-Bahnhöfe". Es reichte aus, um aus allen Himmelsrichtungen in das Zentrum der Monarchie und spätere Bundeshauptstadt zu kommen. Doch spätestens mit der Osteuropa-Öffnung wuchs der Bedarf, z.B. auch von Deutschland aus ohne Bahnhofswechsel nach Ungarn zu reisen. So werden ab 2015 nur noch wenige Züge den Westbahnhof ansteuern.

Um den neuen Hauptbahnhof wachsen schon jetzt zahllose Hotelprojekte, Betreiber Steigenberger und Investor Muzicant sind nicht an Board. "Entsprechend unserer InterCity Hotel-Philosophie müssten wir bis zu 400 Meter im Umkreis des Ausstiegs liegen. Das ist angesichts der Preislage dort nicht möglich", sagt Marusczyk, und Muzicant legt noch eines drauf: "Ich bin bekannt dafür, kein Geld zu vernichten. Bei den derzeitigen Gestehungskosten ist angesichts der Wiener Preis- und Auslastungs-Relation nichts zu verdienen. Ausser vielleicht für eine Management-Gesellschaft." Der Verkaufspreis müsse am Hauptbahnhof doppelt so hoch sein wie bei einem vergleichbaren Hotel in Westbahnhof-Nähe. Aber der Zug sei noch nicht abgefahren, in wenigen Jahren werde die Situation wieder besser, meint er. Ob aktuell wirklich ein 5 Sterne-Hotel im Schnitt 500 Euro pro Nacht erzielen müsste, wie er behauptet, wird vorerst noch nicht zu überprüfen sein.

InterCity Hotel-Investor Ariel Muzicant und InterCity-Geschäftsführer Joachim Marusczyk.Foto: Fettner

Kein Top-Hotel in Sicht

Unter den zahlreichen Hotel-Projekten am Hauptbahnhof befindet sich keines aus der Top-Kategorie. Konkret liest sich die Liste derzeit so:

 Star Inn – 300 Zimmer
 Hotel Schani – Privathotel der Familie Komarek. Als "Lernendes Hotel der Zukunft" unterstützt vom Fraunhofer Institut IAO - 135 Zimmer
 Motel One – 533 Zimmer
 Ibis + Novotel, je 250 Zimmer
 Tulip Inn – 120 Zimmer

Neben bereits länger in der Umgebung existierenden Hotels, wie Delta, haben im gleichen Komplex bereits zwei Hotels sehr früh eröffnet: Das A&O-Hostel und das Privathotel Zeitgeist, dessen Eigentümer der Bauunternehmer Gerhard Dienstl und der Hotelier Gerald Kolm sind. "Wir waren als allererste schon mitten im Baugeschehen in Betrieb", spricht Zeitgeist-Marketing-Mann Marco Riederer von den daraus resultierenden Vor- und Nachteilen. Die Nachfrage durch Bau-Mitarbeiter, Planer und Lieferanten war enorm, ebenso die Beschwerdequote. Doch die Auslastung auf der Baustelle erreichte beachtliche 75 Prozent. "Wir hatten optimistisch sogar 85% geplant, aber wir bewegen uns im Herbst dann in diese Richtung", sagt Riederer.

Rund um die Bahnhofseröffnung sollen dann auch die noch immer gültigen Eröffnungspreise nach oben korrigiert werden. Bei Rack Rates ab 73 Euro im Einzel- und 88 Euro in der Doppel-Belegung liege die durchschnittliche Tagesrate derzeit bei rund 60 Euro. Sowohl für die Auslastung als auch die schwachen Preise sei das Finanzamt verantwortlich. Die benachbarte "Finanzakademie" ist vertraglich der wichtigste Firmenkunde im Zeitgeist.

Etwas skeptisch ist Riederer, ob durch den Hauptbahnhof wirklich ein grosser Gästestrom einsetzt, der die vielen Betten füllen wird. Doch die Bahnkunden sind ohnehin nur ein Element. Selbst das InterCity Hotel beim Westbahnhof, das durch Name, Tradition, Pauschal-Pakete und Inkludierung des Nahverkehrstickets in den Zimmerpreis stark auf Bahngäste zählt, spricht von 40 Prozent Bahngästen im Hause.

Das Motel One am Westbahnhof Wien. Ein Schwesterhotel wird es auch am Hauptbahnhof geben.

Trotzdem: noch nicht alle Bauplätze vergeben

Zeitgeist-Hotelier Riederer ist nicht ganz klar, warum sich so gut wie alle neuen Hotels im gleichen Preissegment tummeln wollen. Die Begründung von Verkehrsbüro-Generaldirektor Harald Nograsek, es sei nun mal ein Bahnhof und damit kein Premium-Standort, können viele nicht nachvollziehen. Denn neben dem Freizeit-Tourismus werden vor allem angesiedelte Firmenzentralen Nachfrage garantieren. Allein die Zentrale der Österreichischen Bundesbahnen wird mehrere 1.000 Mitarbeiter zählen. Und unter der Bezeichnung "Der Erste Campus" wird Die Erste Bank Group ihre unterschiedlichen Unternehmungen in einem Headquarter für 4.000 Mitarbeiter vereinen. Insgesamt sollen im Bereich des Hauptbahnhofs Büroflächen von 550.000 qm entstehen, 20.000 Menschen sollen auf den 109 Hektar arbeiten, 13.000 dort wohnen. Zu den Vorteilen der Lage zählt die extreme rasche Verbindung zum Flughafen, zu den Nachteilen die eher sportliche Entfernung zum Stadtzentrum.

Für Berater Matthias Hautli von Kohl & Partner, Wien, ist bei den Hauptbahnhof-Hotels längst nicht das letzte Wort gesprochen: "Direkt am Bahnhofsgelände und am Wiedner Gürtel sind noch längst nicht alle Bauplätze vergeben". Hautli erwartet hier auch höherwertige Hotels. Dass Immobilien-Entwickler René Benko zuletzt weitere 10.000 qm des Geländes unter dem Titel "Parkhotel und -apartments" erworben hat, ist mehr als nur ein Indiz dafür.

Berater Matthias Hautli:Budget-Boom ist erklärbar.

Die Konzentration auf die unteren Preiskategorien am Hauptbahnhof sei anhand der Zahlen erklärbar, so Hautli. Seit 2004 seien in Wien 82% an Betten in der 1- und 2 Sterne-Kategorie hinzugekommen, das Übernachtungsplus habe in diesem Segment aber 125% erreicht. Die Zahl der 4 Sterne-Betten wuchs demgegenüber um 43%, die Übernachtungen wuchsen aber nur um 33%. Zuletzt war die Durchschnitts-Zimmerrate gemäss STR Global auf 93,32 Euro eingefroren.

Heute schon skandalös niedrige 5 Sterne-Preise

"Wie auch in anderen Destinationen läuft es bipolar. Luxus und Budget wachsen, dazwischen ist es hart. Besonders, wenn neue 5 Sterne-Hotels in Wien im Sommer Zimmer mit Frühstück unter 100 Euro verkaufen", bringt es der Geschäftsführer der Austria Trend Hotels, Andreas Berger, auf den Punkt. Wobei nicht ganz Wien leide, sondern nur die Peripherie.

Auch Hautli bestätigt die erkennbare Sogwirkung von neuen Kapazitäten in der Stadt. Besonders betroffen ist dabei derzeit der Nordosten der Stadt, der Bereich Prater/Messe/UNO-City. Für manche hat der Kummer einen Namen: Mélia. Das Hotel direkt an der UNO-City, in Österreichs höchstem Gebäude, prescht offenbar mit unglaublichen Preisen in den Markt – wie auch ein Blick in Preisvergleichsportale zeigt.

Im August kann das Luxus-Doppelzimmer im Mélia inklusive Frühstück zu 135 Euro gebucht werden. Wobei mit den Hotels Fleming‘s, Pakat Suites und Levante drei 5 Sterne-Hotels sogar unter 100 Euro gebucht werden können. Wie sich Mélia auf die Umgebung auswirkt, ist am nahen Hilton Danube erkennbar. Rückt der Anreisetag näher, sinken die Preise von 164 auf 122,50 Euro - ohne Frühstück. Häuser wie das ATH Messe müssen dann schon auf 72,50 Euro runter.

Wie eng das Feld zusammenrückt, zeigt ein Blick in die "Ab-Preise" nach Kategorien auf booking.com: 4 Sterne gibt es dort ab 45,90 Euro zu haben, 3 Sterne ab 40 Euro, 2 Sterne ab 38,70 Euro. Das billigste 1 Sterne-Hotel liegt originellerweise über dem 4 Sterne-Preis, es sind aber nur zwei im Angebot.

Das Meliá Wien fällt auf durch niedrige Preise.

Vor diesem Hintergrund ist es sicher kein Zufall, dass sich jüngst Arcotel-Eigentümerin Renate Wimmer häufig zu Wort meldet: "Die Konkurrenz und der wirtschaftliche Rückgang drücken den Preis nahezu ins Bodenlose." Während Wien Tourismus jubelnd einen Nächtigungsrekord nach dem anderen vermelde, werde die andere Seite, nämlich sinkende Auslastung, ausgeblendet: "Wir haben aber die Hoffnung, dass die neuen 5 Sterne-Luxushäuser wie das eben erst eröffnete Park Hyatt Wien die Preise wieder nach oben ziehen und angemessene Raten anbieten. Nur dann können auch wir wieder in unserem 4 Sterne und 4 Sterne Superior-Segment realistische Zimmerpreise verrechnen", sagt Wimmer.

Die gute Lage verschwindet binnen Metern

Die Mikrolage ist inzwischen entscheidend geworden. So gaben die Austria Trend Hotels das Hotel Favorita an den Eigentümer zurück. "Wir haben das untersucht: Schon bei 500 Meter Entfernung vom neuen Hauptbahnhof beginnt die Peripherie. Deshalb sahen wir für das Hotel keine Perspektive mehr," heisst es von ATH. Beim Hauptbahnhof ist die Gruppe vorerst nicht präsent.

ATH-Geschäftsführer Berger beneidet hier ein wenig Accor, wo Ibis und Novotel als zwei übereinander gelegte Quader zwei Marken in einem Betrieb darstellen werden: "Jedes Produkt hat seine Peaks, Upgrades gehen leicht und beide Marken können eine höhere Gesamt-Auslastung erzielen. Innerhalb von ATH haben wir diese Möglichkeiten nicht, wobei eine Kombination mit Motel One wunderbar wäre." Aber aufgrund der unterschiedlichen Eigentümerstruktur ist aber wohl kaum zu realisieren.

Besonders hart treffe die derzeitige Situation Hotels, die vor vier bis zehn Jahren eröffnet wurden, so Berger weiter. Die damals vereinbarten Zinserträge von sechs bis sieben Prozent seien nicht mehr zu erzielen. "Investoren wollen zwar auch weiterhin so viel, geben sich aber wegen der niedrigen Zinsen und Inflationsrate auch mit drei Prozent zufrieden", verrät er.

Andreas Berger, ATH: Vor allem ältere Hotels haben es jetzt schwer. Foto: Ian Ehm

Für ihn kommen nur mehr reine Management-Verträge in Frage. "Wir sind früher vielfach ins Risiko gegangen. In diesen Häusern haben wir auch eine angespannte Situation." 2008 habe in Wien jeder europäische Betreiber noch Fixmieten abgeschlossen, US-Ketten hingegen Management-Verträge.

Wien hat noch Perspektiven

Für Wien sieht er durchaus noch Perspektiven. "Als interkontinentaler Gateway sind wir unterbesetzt, doch ab 2016 wird sich mehr Langstreckenverkehr entwickeln", meint Berger, sieht Wien aber beispielsweise stark im Hintertreffen gegenüber München. Ursache sei das Fehlen einer München-vergleichbaren Industrie. Wie sich die beiden "Synchron-Schwimmer" Wien und München auf 13 Millionen Übernachtungen zubewegen und warum z.B. der Zimmerpreis trotz schwächerer Auslastung in München höher ist, untersucht aktuell die Prodinger Gruppe. Präsentiert wird das Ergebnis der Studie am 18. September in Wien.

Das Hotelgewerbe bietet auch in Wien weiterhin jede Menge Unwägbarkeiten. Neben professionellen Playern mischen sich häufig "Hobby-Hoteliers" ins Geschehen, etwa Baufirmen und Privatiers, die in guten Lagen Penthäuser verkaufen und die darunter liegenden Stockwerke mit Hotels oder Hotelapartments veredeln.

Im Match zwischen Haupt- und Westbahnhof darf nicht übersehen werden, dass im innerstädtischen Bereich weiterhin neue Hotels eröffnen. U.a. waren es 2014 bisher das Ruby Sofie und Park Hyatt, im Herbst folgt das Motel One Staatsoper. 2015 wird das Grazer Hotel Daniel am Schubertring seinen grossen Wien-Auftritt hinlegen.

Die massivsten Zuwächse werden bis 2020 aber im Bereich des neuen Hauptbahnhofs liegen. Mit den aktuell fix geplanten und in Bau befindlichen 1.500 Hotelzimmern übersteigt dieses Angebot jetzt schon das der etablierten Hotels unmittelbar um den Westbahnhof. Das letzte Wort darüber, welche Hotel-Volumina an welchen Locations den Ton angeben werden, ist noch nicht gesprochen. / Fred Fettner

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","referer":"http://www.hospitalityinside.com/articles/nach-wien-hauptbahnhof-bitte-eroeffnet-der-neue-hbf-verliert-der-westbahnhof-preisverfall-sprengt-alles,32670,290.html","x-forwarded-for":"3.17.128.129","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"3.17.128.129","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1