Spitzenleistungen werden abgestraft - Mindestlohn & Dokumentation: Deutsche Hoteliers sauer über Bürokratie
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Spitzen-Leistungen werden abgestraft

Mindestlohn & Dokumentation: Deutsche Hoteliers sauer über Bürokratie

Mindestlohn und Dokumentation treffen vor allem die Gastronomie.Dehoga Cordula Giese

Wiesbaden. Die Dokumentationspflicht als Bestandteil des Mindestlohns, der zum 1. Januar 2015 in Deutschland eingeführt wurde, hat die Hotellerie in Schwierigkeiten gebracht. Daran ändert auch die neue, in diesem Sommer von Arbeitsministerin Andrea Nahles angekündigte Auflockerung nur wenig. Das grösste Problem bereiten der Mindestlohn und seine Dokumentationspflicht offensichtlich der Küche. Hier müssen Hoteliers teilweise die Öffnungszeiten kürzen oder sie stellen ihr Gourmet-Restaurant auch schon grundsätzlich in Frage.

Allgemein herrscht in der Branche der Tenor, dass die Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde an sich kein Problem darstellt. Den Ärger im Alltag bereitet schlicht die Dokumentationspflicht: "Sie ist eine Schikane und bereitet dem Mittelstand nur Mühe", sagt Bernhard Zepf, Eigentümer des renommierten Hotels Erbprinz in Ettlingen, einem international bekannten Traditions-Hotel mit 122 Zimmern und über 220 Jahren Geschichte. "Unsere Abteilungsleiter schimpfen wie die Rohrspatzen über den zeitlichen Mehraufwand, der bei der Planung entsteht. Es ist unbegreiflich, dass man durch diese unsinnigen Regelungen arbeitswilligen Mitarbeitern das Arbeiten verbietet", wettert der Hotelier. Ein Schichtwechsel innerhalb einer Veranstaltung wie einer Hochzeit, die um 16 Uhr beginne und um zwei Uhr in der Nacht ende, sei schlicht eine Zumutung.

Bernhard Zepf: Eine Schikane.

Mit der Umstellung auf die Höhe des Mindestlohns habe er keine grossen Probleme gehabt, so der Unternehmer weiter. Insgesamt fielen dadurch rund 1.500 Euro monatlich an Mehrkosten im Personalbereich an, bei Bruttolohnkosten von 200.000 Euro monatlich sei dies eher zu vernachlässigen. Strukturelle Veränderungen im Betrieb habe er daher noch nicht vorgenommen, allerdings plane er ab dem kommenden Jahr, das Gourmet-Restaurant des Hauses nur noch abends zu öffnen und stattdessen in der Weinstube durchgehend von 12 bis 23 Uhr Speisen anzubieten. "Das ist aber eher dem Zeitgeist geschuldet als der Dokumentationspflicht", erklärt Zepf ehrlich.

Einteilung der Arbeitszeiten unrealistisch

Auch Jürgen Gangl, Vorsitzender der Hoteldirektoren-Vereinigung Deutschland e.V., kritisiert die Höhe des Mindestlohns nicht: "Für Betriebe mit wirtschaftlich untermauerten Gehalts- und Sozialstrukturen ist sie eine Selbstverständlichkeit", sagt der General Manager des Park Inn am Alexanderplatz in Berlin und zugleich Regionaldirektor beim Hotel-Betreiber Event Hotelgruppe. "Denn Partnerschaft mit unseren Mitarbeitern bedeutet auch, faire Löhne zu zahlen. Die Crux liegt in der mangelnden Praxis-Tauglichkeit einiger mit dem Mindestlohn verknüpften Regelungen, die in Abhängigkeit von wirtschaftlicher Kraft und Struktur der Hotels mal mehr, mal weniger als belastend empfunden werden."

Jürgen Gangl:Nicht praxis-tauglich.

Gangl kritisiert dafür stark die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit sowie den damit verbundenen bürokratischen Aufwand, ferner die Beschränkungen bei der Einteilung von Arbeitszeiten, bedingt durch das starre Arbeitszeitgesetz. Hier bestehe Verbesserungsbedarf hin zu mehr Flexibilität, die der Realität in den Hotels näher käme. "Für die Branche inakzeptabel sind rufschädigende Pauschal-Verdächtigungen wie jüngst durch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gastronomie, die dem gesamten Gastgewerbe krankmachende Arbeitsbedingungen unterstellt hatte", ärgert sich Gangl.

Mitarbeiter nicht mehr flexibel

Der Zeitaufwand kristallisiert sich in allen Gesprächen als das grösste Problem heraus – unabhängig von der Hotelgrösse, wobei sich kleinere Hotels offenbar deutlich schwerer tun als grössere Häuser. "Bei der Dokumentation hatten wir richtig viel Arbeit, bis die Aufzeichnungen standen," resümiert Klaus-Günther Wiesler, Eigentümer des Schwarzwald-Resorts Wiesler am Titisee. "Jetzt benötigen wir zirka einen halben Arbeitstag, bis alles richtig dokumentiert ist. Und diese Zeit geht von meiner persönlichen, sehr knappen Freizeit ab. Da hat Frau Nahles leicht reden. Sie muss dafür keine Freizeit opfern. Die Herabsetzung der Bruttolohn-Höhe, bis zu der dokumentiert werden muss, wird zwar eine kleine Erleichterung bringen. Trotz allem ist diese Pflicht für alle Betriebe aber eine ganz böse Geisel", sagt er.

Klaus-Günther Wiesler: Eine böse Geisel.

Sein Betrieb sei bei der Einteilung der Mitarbeiter nur auf kleinere Hürden gestossen. Schliesslich haben wir schon vorher darauf geachtet, dass Arbeitszeiten eingehalten werden. Allerdings mussten wir die Küche etwas umorganisieren und ihre Öffnungszeit am Abend leicht reduzieren." Bei seinen Mitarbeiter sei die neue Arbeitszeiten-Regelung auf wenig Begeisterung gestossen, so Wiesler weiter. "Sie konnten bei uns bisher Tage untereinander tauschen und haben dies auch fleissig getan. Heute müssen wir leider darauf achten, dass die geleisteten Arbeitstage in den jeweiligen Monat passen. Dies schränkt die Mitarbeiter schon sehr ein."

Gourmet-Küche scheitert an Personalkosten

Michael Teigelkamp, Geschäftsführer des Relais & Châteaux Hotels Burg Schwarzenstein in Johannisberg im Rheingau, bringt noch einen weiteren ärgerlichen Aspekt der neuen Regelung ins Spiel: "Der Mindestlohn ist bei den Mitarbeitern an sich nicht das Problem, eher der Verlust von SFN-Zuschlägen: Mitarbeiter mit einem Gehalt um 1.650 Euro können keine SFN mehr erhalten", erklärt er.

Michael Teigelkamp: Es wird noch schwerer.

Weitere Probleme seien der Zeitaufwand in der Buchhaltung, um die Mitarbeiter-Stunden zu erfassen und die Arbeitszeit-Höchstgrenze bei Normalverdienern. Dies führe zu Mehrkosten im Aushilfsbereich oder zu Änderungen bzw. Verschiebungen der Küchenzeiten. "Ohne Nachbesserungen bzw. Vereinfachungen werden Küchenpersonal-Kosten im Gourmet-Bereich nicht mehr umsetzbar sein. Der Beruf wird noch schwerer, weil in der Sterneküche ein 9 Stunden-Tag schwer umsetzbar ist und Spitzenleistungen in Deutschland wieder bestraft oder unmöglich gemacht werden", bedauert Teigelkamp.

Eine Lösung für den Service könnten in Zukunft Roboter sein: Laut "China Radio International" bedient in einem Restaurant in der chinesischen Stadt Haikou inzwischen Roboter "Xiwang" die Gäste. Und: Er kann dabei sogar auf Wunsch singen. Ist seine Batterie voll aufgeladen, kann Xiwang bis zu zwölf Stunden am Stück arbeiteten, zitiert der Infodienst "hogavor8" das chinesischee Medium. Kochen mit dem Roboter dürfte allerdings wesentlich schwieriger sein. Und am Ende führt eine deutsche Regierung dann vielleicht auch noch die Dokumentationspflicht für Roboter ein…Wer weiss. / Susanne Stauss

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